Produktivität
Problem erkannt
"Spannend ja, „aber keinesfalls alles schlecht“. Das war eines der Statements der Leserinnen und Leser der Bauzeitung (BZ) bei der Beantwortung der aktuellen BZ-Umfrage. Es gab auch andere. Die Bandbreite reichte von „Vor Angst sterben, ist auch Tod“ bis zu „Eher traurige Aussichten für nächste Zeit“.
Die Bauzeitung hatte wissen wollen, wie die Akteure der heimischen Bauwirtschaft die aktuelle Situation in der Branche beurteilen. Die oben genannten Zitate zeigen das Spektrum der Befindlichkeiten. Die Redaktion wollte außerdem wissen, was die Branche von den durchaus provokanten Aussagen hält, die der Unternehmensberater Stephan Hundertmark in der BZ 21/2023 formuliert hatte. Um es zusammenzufassen: Hundertmark ist der Meinung, dass die Bauwirtschaft in Deutschland und Österreich an der jetzigen Situation zumindest eine Teilschuld trage. Während die produzierende Industrie in den vergangenen 30 Jahren ihre Produktivität verdoppelt habe, sei sie am Bau sogar gesunken.
Nicht auf die lange Bank schieben
In dieser Ausgabe der BZ argumentiert der renommierte Architekt und emeritierte TU-Professor Christoph Achammer in die gleiche Richtung (siehe Seite 12 und 13). Die Autohersteller hätten vor 40 Jahren rund 60 Monate für die Entwicklung eines neues Fahrzeugmodells benötigt. Mittlerweile würden Sie es in 14 Monaten schaffen. Im Vergleich dazu, so Achamer weiter, sei am Bau, insbesondere im Hochbau, kein Fortschritt festzustellen. Sein schmerzhaftes Fazit: „Wir sind eine Industrie, die 30 bis 50 Prozent Verschwendung toleriert und stolz ist, wenn sie in der Bilanz eine Marge von drei Prozent ausweisen kann.“
Die Redaktion der BZ wollte erfahren, ob die Leserinnen und Leser, ähnlich große Defizite bei der Produktivität orten. Und das Ergebnis ist deutlich. Um es in fünf Worten auszudrücken: deutlich mehr ja als nein. Etwas ausführlicher: 25,5 Prozent der Befragten stimmten der Aussage voll zu, 41,2 Prozent teilweise. Ergibt zusammen rund zwei Drittel. 7,8 Prozent beantworteten die Fragen mit „auf keinen Fall“, 19,6 Prozent lehnten sie teilweise ab. Ergibt in Summe rund ein Viertel. Der Rest enthielt sich der Stimme. Das bedeutet: Die Branche teilt die Kritik der Experten mehrheitlich.
Zugleich ist sie zuversichtlich, die Defizite beseitigen zu können. 43,1 Prozent glauben, dass es möglich sei, die Produktivität am Bau in den nächsten 20 Jahren zu verdoppeln. 47,1 Prozent sind teilweise dieser Meinung. Ziemlich genau 90 Prozent – und damit die überwiegende Mehrheit – der befragten Vertreter der heimischen Bauwirtschaft ist also davon überzeugt, dass die Produktivität am Bau mehr oder weniger deutlich erhöht werden kann.
Das deckt sich mit den Aussagen der Top-Manager der Schalungsbranche (siehe den Beitrag ab Seite 18 dieser Ausgabe). Ob Doka, Peri, oder Paschal: Die Anbieter sind davon überzeugt, dass man trotz oder gerade wegen der derzeit tristen Lage am Markt – vor allem im Wohnbau – wichtige Zukunftshemen nicht auf die lange Bank schieben dürfe. Zu diesen Themen zählen sie vor allem Nachhaltigkeit, Digitalisierung – und die Steigerung der Produktivität.
Experte Hundertmark rät hier zu verstärkter Nutzung von industrieller Vorfertigung. Der Anteil von „Prefab“ mache derzeit in Europa nur vier Prozent des gesamten Bauvolumens aus. „Da ist also noch Luft nach oben“. Bemerkenswert ist die Sichtweise von Architekt Achammer. Er warnt davor, sich von der Digitalisierung Wunderdinge zu erhoffen: Erst wenn die Bauunternehmen ihre Arbeitsweise und Prozesse „verändert haben, bringt die Digitalisierung etwas. Ohne diese Umstellung führt sie nur zu höheren Kosten“. Achammer schließt mit einem wenig schmeichelhaften Vergleich: „Die veralteten Prozesse und Strukturen sind auch der Grund, warum die Bauindustrie sich bei der Digitalisierung bislang nur auf dem Niveau des Jagd- und Fischereiwesens befindet.“