Brennpunkt

Schweigen ist Silber - Reden ist Gold

Kommunikation
29.11.2024

Eine neue Studie zur Kommunikation von großen Bauvorhaben zeigt ein klares Bild: Ohne professionelle Kommunikation ist ein Erfolg bei wichtigen Projekten nicht mehr möglich.
Studienleiter Frank Brettschneider (l.) und Kommunikationsberater Ulrich Müller.
Studienleiter Frank Brettschneider (l.) und Kommunikationsberater Ulrich Müller (r.). 

„Im stillen Kämmerlein mit dem Landeshauptmann etwas aushecken und dann die Katze aus dem Sack lassen: ‚So machen wir das!‘ Das geht nicht mehr.“ Ulrich Müller, Geschäftsführer der österreichischen Kommunikationsagentur Clavis, weiß, wovon er spricht. Müller hat sich auf die Betreuung von großen Investitionsvorhaben spezialisiert, und er ist seit vielen Jahren im Geschäft.

426 Milliarden Euro Bauvolumen

Zudem hat Clavis heuer gemeinsam mit der Universität Hohenheim in Stuttgart eine umfassende Studie zur Kommunikation von Bau- und Infrastrukturprojekten durchgeführt. Es handelt sich laut Studienleiter Frank Brettschneider von der Uni Hohenheim, „um die größte länderübergreifende Studie zum Thema Projektkommunikation im deutschsprachigen Raum“. Projektverantwortliche von 224 Bauvorhaben in Österreich, Deutschland und Südtirol wurden befragt – darunter 55 österreichische Projekte wie der Brennerbasistunnel, die Schnellstraße S7 oder der Festspielbezirk 2030 Salzburg. Das gesamte Investitionsvolumen der Bauvorhaben lag bei stattlichen 426 Milliarden Euro. 

Die Befragung der Projektverantwortlichen kam zu einem ziemlich eindeutigen Ergebnis: „Ohne professionelle Kommunikation lassen sich große Bau- und Infrastrukturprojekte nicht mehr erfolgreich umsetzen.“ Dieses Resultat ist für jeden, der sich etwas näher mit der Materie befasst, nicht wirklich überraschend. Die Details der Ergebnisse und ihre Eindeutigkeit lassen aber aufhorchen: 72 Prozent der Befragten geben an, dass die Kommunikation ihr Projekt positiv beeinflusst hat. Nur vier Prozent berichten von einem umgekehrten Effekt. Die übrigen sehen keinen Einfluss der Kommunikation auf ihr Projekt oder können das noch nicht sagen.

„Früher hat es oft geheißen, man kommuniziere nicht, um keine ungewollte Aufmerksamkeit zu erregen. Heute wissen die Projektwerber*innen, dass die Schweinwerfer oft schon sehr früh auf sie gerichtet sind, und gestalten ihre Kommunikation dementsprechend vorausschauend“, meint Clavis-Geschäftsführer Müller. Mit aktiver Kommunikation könne man die Wahrnehmung bei den Stakeholdern und in der Öffentlichkeit steuern. Während bei mangelnder eigener Kommunikation oft Projektgegner*innen, etwa aus Bürgerinitiativen, NGOs oder anderen Interessengruppen, den Deutungsrahmen vorgeben.

71 Prozent der Befragten geben an, dass der Einsatz von Kommunikation die Akzeptanz des Projekts in der Öffentlichkeit erhöht hat. Nur bei 9 Prozent hat sich die Akzeptanz verschlechtert. Laut der Befragung führt die aktive Kommunikation dazu, dass die Diskussion über das Bauvorhaben versachlicht wird. 62 Prozent der Befragten stimmen diesem Befund zu. 14 Prozent sehen das nicht so.

Kommunikationsberater Müller schildert an einem Beispiel, was das in der Praxis bedeuten kann. „Wir haben ein Projekt für eine Umfahrungsstraße betreut, über das zuvor viele Jahre lang gestritten worden war. Durch professionelle Kommunikation haben wir dann folgendes Erreicht: Wir haben das Vorhaben für die Menschen nachvollziehbar gemacht“, beschreibt Müller. „Es gibt in der Regel immer eine große schweigende Mehrheit bei einer öffentlichen Debatte. Und die solidarisiert sich mit den Proteststimmen, wenn sie den Eindruck hat, dass dieser Protest berechtigt ist. Uns ist es in diesem Fall gelungen, darzulegen, dass das Projekt für das Gemeinwohl die gescheiteste Variante ist.“ Das Ergebnis: „Die Solidarisierung fand nicht statt. Die Gegner waren immer noch dagegen, aber sie hatten nicht die Mehrheit hinter sich.“

Dieser Effekt wird durch einen weiteren Befund der Studie bestätigt: Aktive Kommunikation ist nur bedingt in der Lage, Proteste gegen ein Vorhaben zu reduzieren oder gar zu verhindern. 45 Prozent der Befragten meinen, dass das möglich ist. 27 Prozent antworten, dass es nicht möglich ist. Satte 80 Prozent geben allerdings an, dass der Einsatz von Kommunikation „ein kooperatives Miteinander mit unseren Stakeholdern gefördert“ habe. Nur 5 Prozent berichten vom Gegenteil.

Hochinteressant und durchaus überraschend ist auch der Blick auf die Tools und Maßnahmen, die zu einem Erfolg der Kommunikation führen. Die Hälfte der Teilnehmer*innen bejaht die Frage, ob eine spezielle Kommunikationsmaßnahme „von besonderem Nutzen für den Erfolg Ihres Projekts war“. Genannt werden hier vor allem folgende Maßnahmen: frühzeitiger Dialog mit der Politik und den betroffenen Bürgern vor Ort, Bürgerforen, Info-Märkte, Info-Mobile, Baustellenbesichtigungen sowie 3D-Visualisierungen. „Man kann das Ergebnis sehr einfach zusammenfassen: Dialogformate bringen den höchsten Nutzen“, meint Clavis-Geschäftsführer Müller.

Die klassischen Tools der Einbahnstraßenkommunikation von oben nach unten funktionieren dagegen deutlich schlechter – egal ob klassische Pressearbeit, Newsletter oder Frontalveranstaltungen, die nur wenig Möglichkeiten zum Dialog bieten. „Der Frontalvortrag nach dem Prinzip ‚Oben die Experten und unten das Volk‘ führt oft zur Revolte“, erläutert Müller. „Wir setzen auf andere Settings – wie zum Beispiel eine Ausstellung, bei der Experten für Fragen zur Verfügung stehen.“

 Als durchaus kontraproduktiv erweist sich oftmals auch der Einsatz von Social-Media. Müller: "Social Media ist ein Medium, das stark emotionalisiert.“ Vor allem in der Genehmigungsphase sei es seiner Erfahrung nach wenig sinnvoll, Social-Media-Kanäle zu bespielen. „Das führt oftmals zu einer Polarisierung: Einer postet etwas, der andere postet zurück – das Ganze unter Umständen noch mit einem Fake Account. Dagegen kommen sie als Projektbetreiber nicht an.“

Sehr positiv sehen die Projektbeteiligten ein Instrument, das bislang noch eher selten zum Einsatz kommt: den Bürgerrat. Dabei handelt es sich um Dialogveranstaltungen mit Bürgerinnen und Bürgern, die nach dem Zufallsprinzip ausgewählt werden. Man kontaktiert diese Bürger*innen und bietet ihnen an, sich an der Gestaltung eines Projekts zu beteiligen. „Mit diesem Format machen wir sehr gute Erfahrungen“, schildert Müller. Dialogveranstaltungen dieser Art erfüllen seiner Erfahrung nach ganz besonders den Zweck von professioneller Kommunikation, den Studienleiter Brettschneider so beschreibt: „Kommunikation ermöglicht gesellschaftlich tragfähige Lösungen auch bei strittigen Projekten.“

 Die Studie finden Sie unter: https://clavis.at/download-studie-projektkommunikation/

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