Ausstellung: Wo die Dinge wohnen
Welche Dinge heben wir auf, und welche geben wir weg? Nicht nur der praktische oder emotionale Wert eines Gegenstands ist hier entscheidend, sondern auch der vorhandene Platz zur Aufbewahrung – vor allem in der Stadt, wo Stauraum im eigenen Wohnhaus zunehmend Mangelware wird. Das Wien Museum widmet sich in seinem neuen „Ausweichsquartier“ während des Umbaus, dem MUSA, dem Phänomen Selfstorage.

Wenn klassische Lagerräume wie Dachböden verschwinden und der Umzug in eine größere Wohnung durch steigende Mieten unerschwinglich wird, stellt sich die Frage: Wohin mit den Dingen, die immer mehr werden? Eine Option sind „Selfstorages“ — flexibel anmietbare Lagerabteile, die fast rund um die Uhr zugänglich sind. Das Geschäftsmodell der „Selbsteinlagerung“ („Self Service Storage“), in den 1960er Jahren in den USA entwickelt, erlebt seit den 2000er Jahren auch in Wien einen Boom. Die Ausstellung „Wo Dinge wohnen“ fragt nach den Gründen und Rahmenbedingungen dieses Trends – und danach, wer diese neu geschaffenen Räume in welcher Form nutzt. Was erzählt das Phänomen Selfstorage über gegenwärtige Stadtentwicklung? Welche Rolle spielen beschleunigte Lebensstile, wachsende Mobilität und Flexibilität? Und welche Lebensentwürfe und biografische Einschnitte spiegeln sich in der Nutzung von Selfstorages wider? Herzstück der Ausstellung bilden Porträts von Wiener Selfstorage-Nutzern, wobei neben Videointerviews auch Teile ihrer ausgelagerten „Schätze“ zu sehen sind. Diese reichen von privaten Fotoalben aus der Zwischenkriegszeit über Opernballkleider, Alltagsgegenständen und altem Kinderspielzeug bis hin zu Schnittmustern einer Wiener Modedesignerin und dem Tonbandarchiv eines Avantgarde-Komponisten. Begleitet werden diese Porträts durch zahlreiche Infografiken und eine umfangreiche Fotodokumentation von Klaus Pichler, der nicht nur das äußere Erscheinungsbild der neuen Selfstorage-Anlagen festgehalten hat.
Wer Stauraum außer Haus sucht, kann zwischen mehrgeschoßigen „Häusern für Dinge“, weiträumigen Containeranlagen in den Außenbezirken sowie kleinen innerstädtischen Selfstorages wählen, die in leerstehenden Geschäftslokalen in der Erdgeschoßzone errichtet werden. Dieses dritte Segment verzeichnet aktuell die stärksten Wachstumsraten im Hinblick auf die Zahl neuer Standorte. Das sorgt auch für Kritik: Stadtforscher befürchten eine Verödung des öffentlichen Raums durch mit Werbung verklebte und zugemauerte Fensteröffnungen.
Erstmals seit 50 Jahren kontinuierlichen Wachstums sinkt seit 2011 die durchschnittliche Wohnnutzfläche pro Person in Wien wieder leicht. Wie in anderen Städten sind auch hier die klassischen „Dingräume“ (Petra Beck) im Rückzug begriffen: Dachböden werden zu Wohnungen ausgebaut, Keller bei Neubauten oft genauso wenig eingeplant wie Abstellräume in den effizient geschnittenen „Smart-Wohnungen“. Fazit: Der Platz wird knapper und immer teurer. Bevor man sich eine größere Wohnung leistet, weicht man beim Verstauen kurz- oder langfristig lieber auf Selfstorage-Abteile aus, selbst wenn diese durchaus ihren Preis haben.
Begleitend zur Ausstellung erscheint ein Begleitbuch bei Park Books, das neben zahlreichen Fotografien von Klaus Pichler und sechs Porträts von Storage-Nutzern vertiefende Texte zu verschiedenen Aspekten des Themas enthält.
Während der Umbauphase des Wien Museums am Karlsplatz wird das MUSA, das seit Anfang 2018 ein neuer Standort des Wien Museum ist, als Ausweichquartier für kulturhistorische Themenausstellungen des Wien Museums fungieren.
Von 14. Februar bis 7. April
Wien Museum MUSA, Felderstraße 6-8, 1010 Wien
www.wienmuseum.at