Interview

„Die Bürokratie frisst unsere Zukunft“

10.04.2025

IMA-Schelling-CEO Maximilian Lehner spricht im Interview über die zunehmende Regulierung in Europa, den wachsenden bürokratischen Aufwand und dessen Auswirkungen auf Investitionen, Innovation und internationale Wettbewerbsfähigkeit – und warum der Standort Österreich unter Druck steht.

Mit über 2.000 Mitarbeitenden und Standorten in Europa, Asien und den USA ist das Unternehmen IMA Schelling Group international aufgestellt – und kämpft dennoch besonders in Europa mit wachsender Regulierung. Im Interview spricht CEO Maximilian Lehner über die konkreten Auswirkungen von CSRD, Lieferkettengesetz & Co., über internationale Unterschiede und warum ein „Stop-the-clock“-Gesetz nicht reicht.

Handwerk und Bau: Wie beeinflussen Bürokratie und regulatorische Anforderungen den operativen Alltag bei IMA Schelling, insbesondere am Standort Österreich? Welche spezifischen Vorschriften stellen besondere Herausforderungen dar?

Advertorial
Maximilian Lehner
© IMA Schelling Group

Wir sind ein europazentrales Unternehmen mit einem hohen Exportanteil. Für uns ist es sehr entscheidend, welche grundsätzlichen Regularien und Wettbewerbsbedingungen in Europa bestehen. Das europäische Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (CSDDD) lehnt sich stark an das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) an. Das kostet Personal und Geld, auch wenn wir hier mit entsprechenden Softwareprogrammen arbeiten können. Zusätzlich belastet uns die Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD), hier hatten wir einmalige Kosten von 150.000 € und bei einer Umsetzung werden Kosten von mehr als 100.000 € im Jahr auf uns zukommen. Das Reporting wird von Wirtschaftsprüfern geprüft, was auch eine höhere Haftung für den Geschäftsführer bedeutet. Außerdem gehen die Berichte an Banken und beeinflussen dort die Bonität. Statt junge, motivierte Leute innovativ und effektiv arbeiten zu lassen, werden sie mit Dokumentationsaufgaben belastet. Dabei wäre es wichtig, die Lohnkostensteigerungen und erhöhten Energiekosten mit Produktivität auszugleichen.
Die Mehrkosten durch die Vorschriften werden den Gewinn mindern. Das Lieferkettengesetz und Nachhaltigkeits-Reporting lenken uns ab und beeinflussen unsere Investitionsentscheidungen. Es wird in Zukunft eine Rolle spielen, wo wir investieren. Die Auflagen, die durch die Gesetze entstehen, machen uns weniger wettbewerbsfähig im Vergleich zu USA, China oder Indien. Die Vorschriften greifen die Freiheiten an, ohne dass klare Benefits erkennbar sind. Die Mehrkosten zahlen letztlich die Endverbraucher.

Sie haben Standorte in Europa, den USA und Asien. Wo erleben Sie die größte regulatorische Belastung? Gibt es Länder, die als Vorbild für einen ausgewogenen Bürokratieabbau dienen könnten?
Die USA setzen verstärkt auf Deregulierung, also weniger Bürokratie und klare, unternehmensfreundliche Gesetze. Das vereinfacht Investitionen und Innovation. Auch in Asien sind die Investitionsvoraussetzungen besser. Zudem ist der Markt groß, ebenso wie das Engagement der Leute – die möchten immer besser werden. Andererseits sind wir hier in Europa auch stark in Innovation und Ausbildung. Unser Ausbildungsweise wurde in die USA, China und andere Länder weitergetragen. An dieser Stelle möchte ich auch Polen erwähnen, da haben wir ein Werk mit 150 Mitarbeitern. Dort herrschen eine hohe Zielorientierung und Lösungskompetenz.
Die größte regulatorische Belastung kommt aus der EU. Und es macht leider den Eindruck, als ob die EU nach wie vor der Ansicht ist, sie könne an der Regulierung festhalten, ohne dass dies negative Konsequenzen für uns hat. Ich habe den Eindruck, dass wir uns derzeit auf keinem guten Weg befinden, und es scheint, als sei dies in der EU nicht allen bewusst. Da nützt es auch nichts, wenn wir ein „Stop-the-clock“-Gesetz verabschieden. Dieses verzögert nur die Einführung von Regulatorik, schafft sie aber nicht ab. 

Welche internen Strategien haben Sie entwickelt, um regulatorische Anforderungen effizient zu managen, ohne dabei an unternehmerischer Verantwortung einzubüßen?
Unser Ziel ist es, mit so wenig Aufwand wie möglich die Anforderungen abzudecken. Dafür sind sicher Softwarelösungen essentiell. Für das Lieferkettengesetz zum Beispiel braucht man keine expliziten Mitarbeiter, sondern die Kollegen pflegen einzelne Aufwände mit, damit die Software automatisch die Berichterstattung generieren kann. Nachhaltigkeit praktizieren wir, indem wir langlebige Maschinen bauen und einen guten Service bieten. Wir stellen teilweise den bei unseren Kunden eigene Mitarbeiter hin, die die Kunden schulen, dass die Effizienz unserer Anlagen auf 94 Prozent, 95 Prozent und höher liegt. Das sind schon Dinge, die wir als Unternehmen gut können. 

Unterm Strich muss man sagen, dass das Omnibus-Paket nicht als echter Bürokratie-Abbau gesehen werden kann.

Maximilian Lehnner

Die Europäische Kommission hat kürzlich das “Omnibus-Paket” vorgestellt, das darauf abzielt, Nachhaltigkeitsvorgaben zu vereinfachen und Bürokratie abzubauen. Wie bewerten Sie diese Initiativen im Hinblick auf ihre Wirksamkeit und die tatsächliche Entlastung für Unternehmen?
Mit der Omnibus-Initiative sollen 25 Prozent aller Unternehmen und mindestens 35 Prozent kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) von Bürokratie entlastet werden, vor allem bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Allerdings bleibt beispielsweise das Prinzip der doppelten Wesentlichkeit nach der CSRD weiterhin enthalten. Das Lieferkettengesetz soll auf 2028 verschoben werden. Dabei sollen sich Unternehmen bei der Due-Diligence-Prüfung primär auf ihre unmittelbaren Lieferanten konzentrieren müssen. Unterm Strich muss man sagen, dass das Omnibus-Paket nicht als echter Bürokratie-Abbau gesehen werden kann. Es verzögert das eine oder andere, letztlich bleibt aber das wesentliche Problem bestehen. Unternehmen werden mit unnötigen Berichtserstattungen belastet. Ein echter Bürokratieabbau muss diese Gesetze komplett entfernen.

Bürokratieabbau wird oft positiv dargestellt. Doch in manchen Ländern wird er auch genutzt, um soziale und staatliche Strukturen zu schwächen (z. B. durch drastische Kürzungen staatlicher Leistungen). Wo sehen Sie die Grenzen zwischen sinnvoller Entbürokratisierung und dem Abbau essentieller staatlicher Leistungen?
Ich kann nur aus dem Blickwinkel eines Unternehmers sprechen. Für mich ist ganz klar, dass die Bürokratie zu Mehraufwand führt und dadurch auch zu höheren Kosten. Letztlich zahlen die Mehrkosten die Verbraucher – durch steigende Preise.  

Welche konkreten Maßnahmen im Bereich Bürokratieabbau und Wirtschaftsförderung erwarten Sie von der zukünftigen deutschen Bundesregierung, um die Wettbewerbsfähigkeit des Maschinenbaus zu stärken?
Weniger Bürokratie, niedrigere Energiepreise und eine positive Vision für die Zukunft. Weniger Ideologie, sondern vernünftige, sinnvolle Ziele. In London hat mir ein deutscher Think Tank erzählt, dass in Deutschland seit dem Beginn der Energiewende geschätzt etwa zwischen 500 und 1.000 Milliarden für dieses Thema ausgegeben worden sind. Und das Ergebnis sind dreimal höhere Preise. Da braucht es vernünftige Lösungen. Aktuell zeichnen sich diese noch nicht ab.

Inwiefern beeinflusst der zunehmende regulatorische Aufwand die Wettbewerbsfähigkeit des Maschinenbaus in Österreich? Sehen Sie hier ähnliche Herausforderungen wie in Deutschland oder gibt es spezifische Unterschiede?
Der Standort in Österreich ist durch die letzten Jahre noch stärker unter Druck geraten wie der deutsche Standort. Die regulatorischen Bedingungen sind zwar dieselben, aber die Steigerungen bei den Personalkosten in den letzten Jahren belasten den Standort schwer.

Vielen Dank für das Gespräch!


Zur Person

Maximilian Lehner ist CEO der IMA Schelling Group, einer deutsch-österreichischen Unternehmensgruppe, die Maschinen und Anlagen für die Holz-, Metall- und Kunststoff-Industrie entwickelt und produziert. Unter seiner Führung hat sich das Unternehmen als innovativer Anbieter von hochautomatisierten Lösungen für die holz-, kunststoff- und metallverarbeitende Industrie etabliert. Mit über 2.000 Mitarbeitenden und globalen Standorten hat Lehner einen umfassenden Blick auf die Herausforderungen und Chancen, die mit bürokratischen Regulierungen in verschiedenen Wirtschaftsräumen einhergehen.