Fokus Trockenbau

Die Krise als Chance

25.03.2025

Die heimischen Trockenbauer haben wie der Rest der Bauwirtschaft mit der hartnäckigen Flaute m Wohnbau zu kämpfen. Eine echte Erholung ist auch für 2025 nicht in Sicht. Die Branche nutzt aber die fragwürdige Gunst der Stunde, um Hausaufgaben zu erledigen – und sich auf bessere Zeiten vorzubereiten.

„Jede Krise ist auch immer eine Chance.“ Robert Novak, Geschäftsführer Vertrieb beim heimischen Dämmstoffspezialist Austrotherm, macht das Beste aus der schwierigen Marksituation. Er nutzt die Flaute am Wohnbaumarkt, um Hausaufgaben zu erledigen – und sich auf bessere Zeiten vorzubereiten: „In den absatzstarken Jahren 2020 bis 2022“ sei man vor allem damit beschäftigt gewesen, den Output zu erhöhen. Das Thema Kosteneffizienz sei nicht im Vordergrund gestanden. Die Devise hieß: „Hauptsache, man kann liefern. In absatzwachen Zeiten geht es natürlich um Kostenreduktion. Aber auch das Thema Wachstum und Vorbereitung auf bessere Zeiten beschäftigt uns sehr“, so Novak. Austrotherm hat im August 2024 einen dritten Produktionsstandort in Österreich zwischen St. Pölten und Wien in Betrieb genommen. „Damit können wir Liefer- und Servicequalität für die Kunden weiter ausbauen und Lieferwege verkürzen.“

Wann geht es wieder aufwärts?

Wann es am Bau – und hier vor allem im Wohnbaumarkt – wieder aufwärts geht, weiß niemand so genau. Klar ist, dass die österreichischen Trockenbauer so wie der Rest der Bauwirtschaft derzeit mit der Flaute zu kämpfen haben. „Das Jahr 2024 war natürlich herausfordernd, wie für alle, die in der Baubranche arbeiten“, meint Michael Allesch, Geschäftsführer Marketing & Vertrieb bei Saint-Gobain Austria für die Marken Isover und Rigips. „Das Jahr 2024 war für uns von verschiedenen Herausforderungen geprägt, insbesondere durch die anhaltend schwache Nachfrage im Wohnbau. Dennoch konnten wir in bestimmten Bereichen stabil bleiben, vor allem im Bereich der Renovierung und im Non-Residential-Bereich“, sagt Ingrid Janker, Geschäftsführerin beim Trockenbau-Experten Knauf.

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Austrotherm Vertriebschef Novak hat im vergangenen Jahr einen „deutlichen Mengenrückgang“ am Markt wahrgenommen, „begleitet von einem intensiven Preiskampf. Die Kombination „aus sinkender Nachfrage und fallenden Preisen wirkte sich spürbar auf unsere Margen aus.“ Nicht erfüllt haben sich für die Branche die Hoffnungen, die die gut gefüllten Fördertöpfe für thermische Sanierungen geweckt hatten. „Trotz erhöhter Förderungen für die thermische Sanierung blieb der erhoffte Markteffekt aus“, so Novak. „Ein Großteil der Fördermittel floss in den Austausch von Heizsystemen – ein Ansatz, der aus unserer Sicht nicht zielführend ist.“ Eine nachhaltige Lösung beginne mit der thermischen: „Erst die Gebäudehülle optimieren, dann eine kleinere, effizientere Heizung einsetzen. So wird Energie nicht verschwendet, anstatt sie nur anders zu erzeugen. Das wäre der richtige Weg.“

Aus Sicht von Gunter Lichtenegger, dem amtierenden Präsidenten des Verbands Österreichischer Stuckateur- und Trockenbauunternehmen (VÖTB) lässt sich die Lage seiner Branche momentan in etwa so zusammenfassen: Es schaut nicht rosig aus, aber es hätte schlimmer kommen können. „In der Trockenbaubranche hat sich die Baukrise bemerkbar gemacht – jedoch nicht so stark wie erwartet. Speziell der Trockenbau im Wohnbau hat extrem nachgelassen“, so Lichtenegger gegenüber der Bauzeitung. Der Wohnbauflaute weitgehend entziehen können, hat man sich beim Baustoffhersteller Ardex: Das Geschäftsjahr 2024 habe sich trotz der Umstände gut entwickelt, meint Geschäftsführer Gunther Sames. „Trotz des schwierigen Jahres haben wir ein gebührliches Umsatzplus erzielt.“

Aber auch bei Ardex dürfte man nichts dagegen haben, wenn die Konjunktur wieder anzieht. Bei Knauf hat man, so wie Austrotherm, die gedämpfte Nachfrage dafür verwendet, um sich für bessere Zeiten zu wappnen. Knauf hat 2024 ebenfalls die Produktion erweitert und eine vierte Produktionslinie eröffnet, die den österreichischen Markt und Nachbarländer mit pastösen Spachtelmassen versorgt. Und auch der Saint-Gobain-Konzern hat die zweifelhafte Gunst der Stunde genutzt, um Dinge zu erledigen, für die man in Zeiten großer Nachfrage eher weniger Zeit hat. „Wir haben 2024 das schwierige Umfeld genutzt und das Thema Systemanwendung im Dialog mit unseren Kund*innen ganz besonders gestärkt.“ Konkret bedeutete dies: Man hat den sogenannten Rigips Rooom gelauncht. Dahinter verbirgt sich eine Plattform, auf der alles zusammengefasst ist, was für die Systemanwendung benötigt wird.

„Wir haben zudem unsere Zielgruppen dafür sensibilisiert, dass Trockenbausystem nicht gleich Trockenbausystem ist und die Anwendung von nicht vollumfänglich geprüften Teilsystemen zu Nachteilen und Haftungsfragen führen kann“, meint Saint-Gobain-Manager Allesch weiter. Das betreffe vor allem Sonderlösungen wie Brandschutzwände mit Überhöhen, höhere Lasten bei abgehängten Decken und Wänden, Schwertanschlüsse und gleitende Deckenanschlüsse. Diese intensive Kommunikation habe „erfreulicherweise zu einem Nachdenkprozess“ bei dem oder der ein oder anderen Anwender*in geführt.

Wann sich die diversen Bemühungen wieder deutlich steigende Absätze niederschlagen, weiß natürlich so recht niemand. Immerhin – für 2025 wird eine gewisse Stabilisierung des Marktes erwartet. „Eine vollständige Erholung im Wohnbau wird jedoch noch etwas auf sich warten lassen“, meint Knauf-Geschäftsführerin Janker. Diese sei „abhängig von allgemeinen Rahmenbedingungen und politischen Entscheidungen und Initiativen.“

Aus Sicht von Austrotherm-Manager „bleibt das Marktumfeld herausfordernd, da der Preisdruck weiterhin hoch ist. Mengenmäßig rechnen wir mit einer besseren Entwicklung im zweiten Halbjahr im Vergleich zum ersten.“ Positiv bewertet er die „verbesserten Rahmenbedingungen, wie die sinkenden Zinsen und die Streichung der KIM-Verordnung“. Durch sie erwartet er sich neue „Impulse für den Hochbau“. Ganz ähnlich sieht das Saint-Gobain-Manager Allesch. „Zwei Faktoren dürften für eine leichte Erholung am Bausektor sorgen: Das ist einerseits das Auslaufen der KIM-Verordnung, die im Juni dieses Jahres Geschichte sein dürfte, und andererseits die Senkung der EZB-Leitzinssätze im März von 2,90 Prozent auf 2,65 Prozent.“ Diese beiden Faktoren, so Allesch weiter, „sollten dazu führen, dass sich die Kreditvergabe für Wohnbauprojekte wieder etwas einfacher und leistbarer gestalten sollte.“

Ardex-Geschäftsführer Sames sieht für die heimische Bauwirtschaft im laufenden Jahr noch eine Reihe von Unsicherheiten, sieht aber auch Chancen. „Während Herausforderungen wie Wohnraummangel, steigende Anforderungen an Nachhaltigkeit und der Fachkräftemangel bestehen, bieten Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung und politische Initiativen Chancen für eine positive Entwicklung“, meint er. Dennoch: Mit einer effektiven Erholung der Situation rechnet auch Sames erst ab 2026.

Getragen werden dürfte der Aufschwung aus Sicht der Experten weniger durch den Neubau, sondern durch die Sanierung. „Das Hauptaugenmerk wird in Zukunft immer stärker im Revitalisierungsbereich liegen“, ist VÖTB-Präsident Lichtenegger überzeugt. Bei der Revitalisierung – „bestehende Bauten werden komplett entkernt und neu aufgebaut“ – habe es auch 2024 für den Trockenbau schon hohe Zuwachsraten gegeben. Die Ursache dafür ortet er in einer „zurecht restriktive Widmungspolitik bei Grünflächen“, die in Zukunft dazu führen werde, dass es immer weniger Neubauten auf Grünflächen gibt.

Lichtenegger glaubt, dass dieser Trend bereits 2025 zu einer spürbaren Erholung der Branche führen wird, da sich die Zahl „der renovierungsbedürftigen Bauten stark nach oben bewegen wird“ – sowohl in Gewerbe und Industrie, als auch im öffentlichen Sektor. Am frei finanzierten Wohnungsmarkt rechnet er „ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau“ für heuer mit einer gewissen Erholung. „Somit sind in diesem Bereich leichte Steigerungen zu erwarten.“ Mit mehr Auftrieb rechnet er im öffentlich-finanzierten Wohnbau, „da die Anzahl der zurzeit errichteten Wohnungen viel zu gering ist und ein enormer Nachfragedruck zu erwarten ist“.

So wie Lichtenegger setzt auch Austrotherm-Vertriebs-Mann Novak auf einen Anstieg der Sanierungen. Dabei erhofft er sich weiterhin Unterstützung durch die Politik: „Wir wünschen uns, dass die Förderung für die thermische Sanierung nicht nur wieder aufgegriffen, sondern erhöht und in der Abwicklung vereinfacht wird.“ Ansonsten wünschen sich die Vertreter der Branche von der neuen Regierung vor allem strukturelle Maßnahmen, „um die Bauwirtschaft mittel- und langfristig auf ein stabiles Fundament zu stellen“, wie Novak meint. Ganz oben auf der Wunschliste: Maßnahmen, die „Planungssicherheit und Effizienz gewährleisten“.

Das sieht Knauf-Geschäftsführerin Janker ähnlich. Sie fordert eine „langfristige Planbarkeit im Bereich der Baupolitik sowie eine kontinuierliche Förderung von Investitionen bezüglich des sozialen Wohnbaus“ und weist auf einen weiteren Punkt hin, der nicht vergessen werden dürfe: die „Reduktion der Auflagen- und Normenflut.“ Positiv bewertet sie, so wie ihre Kollegen, das Vorhaben der Regierung, die Zweckbindung bei der Wohnbauförderung wieder einzuführen. Das „sorgt für eine stabile und langfristige Finanzierung im Wohnbau und stärkt die Bautätigkeit“. Auch das „geplante Wohnbaukreditprogramm für junge Menschen“ hält sie für einen „wichtigen Schritt“.

Ardex-Geschäftsführer Sames weist auf die Herausforderungen hin, vor der die österreichische Bauwirtschaft steht: steigende Baukosten, Fachkräftemangel, hohe Zinsen und regulatorische Anforderungen. „Um die Branche mittel- und langfristig stabil zu halten“, sei die Politik gefordert, eine Reihe von strukturellen Maßnahmen zu setzen. Dazu zählt er den leistbaren Wohnbau zu fördern, den Fachkräftemangel zu bekämpfen oder finanzielle Rahmenbedingungen zu stabilisieren.

Aus Sicht von Saint-Gobain-Manager Allesch sollte die Regierung sich vor allem um drei Themen kümmern: Für niedrige Energiekosten sorgen, Zinsen und Inflation möglichst niedrig halten und die „überbordende Bürokratie“ eindämmen. Was das kurzfristige Ankurbeln des Baumotors anbelangt, macht sich Allesch allerdings keine übertriebenen Hoffnungen: „Budgetär gesehen dürften die Maßnahmen eher begrenzt ausfallen. Aber das 2024 von der Bundesregierung mit über zwei Milliarden Euro geschnürte Wohnbaupaket sollte zumindest etwas spürbar sein.“