Baurelevante Punkte im Regierungsprogramm
Ende Februar haben die Koalitionsparteien ihr Regierungsprogramm für die Jahre 2025-2029 präsentiert. Das Programm enthält zahlreiche baurelevante Absichtserklärungen. Einige wesentliche Themenbereiche werden im folgenden Beitrag beschrieben und bewertet.

Das 211 Seiten starke Regierungsübereinkommen enthält zahlreiche baurelevante Themen, welche zu einem weitaus überwiegenden Teil positiv zu bewerten sind und in einigen wesentlichen Punkten auch den Forderungen der Bundesinnung Bau im Vorfeld der Regierungsverhandlungen entsprechen (z.B. Zweckbindung der Wohnbauförderung, Durchforstung kostentreibender Baustandards, Entbürokratisierung etc.).
Diesen positiven Absichtserklärungen der neuen Bundesregierung stehen einige wenige Punkte gegenüber, welche nicht oder nicht zur Gänze mit den Positionen der Bundesinnung Bau übereinstimmen oder aber trotz immer wiederkehrender Forderungen nicht im Regierungsprogramm enthalten sind (z.B. Abschaffung der Mehrfachbelastung bei der ORF-Gebühr).
Folgend eine Auswahl wichtiger baurelevanter Textpassagen des Programms im Wortlaut sowie eine Bewertung aus Sicht der Bundesinnung Bau (kursiv dargestellt):
Baukonjunktur und Wohnbau
- Die Bundesregierung bekennt sich zur Stärkung der Baukonjunktur (Neubau und Sanierung) mit Fokus auf leistbarem Wohnraum sowie zur wirtschaftlichen Bedeutung eines funktionierenden Bau- und Immobiliensektors, auch zum Erhalt und zur Schaffung von Arbeitsplätzen.
- Um die schwächelnde (Bau-)Konjunktur zu stützen, werden halb-öffentliche und öffentliche Investitionen nach Möglichkeit in der bestehenden Budgetrahmenplanung (nicht strukturell budgetrelevant) vorgezogen bzw. beschleunigt – mit einem besonderen Fokus auf den Hochbau.
- Effizientes und nachhaltiges Bauen durch eine Evaluierung mit dem Ziel einer Reduktion von kostentreibenden Anforderungen ermöglichen, um Wohnkosten zu reduzieren.
- Baustandards durchforsten im Dialog mit Praktikerinnen und Praktikern, Technikerinnen und Technikern und den Ländern mit dem Ziel einer Vereinfachung unter gleichzeitiger Beibehaltung der Schutzstandards.
- Gesetzlich verankerte, praxisnahe und wirtschaftliche Klarstellung der Begriffe „Regeln der Technik” und „Stand der Technik” und ihrem Zusammenhang.
- Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung und damit gesicherte und dauerhafte Wohnbaufinanzierung.
- Laufende Evaluierung des aktuell laufenden Wohnbaupakets und darauf basierend Prüfung weiterer allfälliger Wohnbaumaßnahmen u.a. unter Berücksichtigung des kommunalen Wohnbaus.
- Prüfung der Schaffung neuer Finanzierungsinstrumente für Wohnbauinvestitionen, um gezielt langfristige Darlehen, niedrige Fixzinsen und damit stabile Wohnkosten zu ermöglichen.
- Eigentumserwerb: Wirkungsprüfung und Evaluierung der derzeit laufenden Finanzierungsprogramme (geförderte Darlehen) der Bundesländer auch im Zusammenhang mit dem Wohnbauprogramm 2024. Vor diesem Hintergrund soll bei Bedarf ein bundeseinheitliches Wohnbaukreditprogramm für junge Menschen geschaffen werden. Dieses soll gemeinsam mit Finanzierungsinstitutionen erarbeitet werden und durch Annuitätenzuschüsse eine günstige Finanzierung ermöglichen.
Bewertung: Das im Regierungsprogramm verankerte Bekenntnis zur Sicherung von leistbarem Wohnraum sowie die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung sind uneingeschränkt zu begrüßen. Die geplante Durchforstung kostentreibender Baustandards und eine Klarstellung der Begriffe „Regeln der Technik“ und „Stand der Technik“ zur Neubewertung der Verbindlichkeit von Normen sind Empfehlungen des vom österreichischen Baugewerbe initiierten Forschungsprojektes „Bauen außerhalb der Norm“ und wichtige Schritte, um der Bevölkerung leistbares Wohnen wieder zu ermöglichen.
Die Umsetzung des im letzten Jahr beschlossenen Wohnbaupakets lag zu einem großen Teil im Kompetenzbereich der Länder und hing stark davon ab, wie die Länder mit ihren Fördermodellen darauf reagierten. Die im Regierungsprogramm geplante Evaluierung des Wohnbaupakets und die Prüfung etwaiger zusätzlicher Finanzierungsinstrumente für Wohnbauinvestitionen bewirken hier hoffentlich einen neuen Schwung, damit die in Aussicht gestellten Finanzmittel auch tatsächlich auf den Baustellen ankommen.
Sanierung und Dekarbonisierung
- Die Bundesregierung wird die thermisch-energetische Sanierung sowie den Heizungstausch weiter durch treffsichere steuerliche Anreize sowie Förderprogramme unterstützen. Hierzu sollen die bestehenden Maßnahmen und Fördertöpfe evaluiert und weiterentwickelt werden.
- Prüfung einer Sanierungsoffensive für mehr qualitativ hochwertigen Wohnraum: Sowohl steuerlich als auch rechtlich werden Maßnahmen geprüft, die eine Sanierung und Attraktivierung von Bestandsgebäuden bzw. Bestandswohnungen zum Ziel haben.
- Maßnahmen zur Umsetzung der Gebäudeeffizienzrichtlinie: Reduktion des Primärenergieverbrauchs bei Wohngebäuden gemäß EU-Gebäuderichtlinie.
Bewertung: Das Bekenntnis der Bundesregierung zur Weiterentwicklung der Förderprogramme für thermisch-energetische Sanierungsmaßnahmen ist grundsätzlich zu begrüßen. Auch die Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie birgt das Potenzial für eine erhebliche Ausweitung der Sanierungstätigkeit, wenngleich hierbei darauf zu achten sein wird, den EU-Vorgaben ohne Gold Plating gerecht zu werden.
Wirtschaft und Standort
- Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch Senkung der Lohnnebenkosten.
- Fokus in öffentlichen Bauprojekten auf Holzbauweise: Beim Neubau öffentlicher Gebäude soll die Nutzung von Holzbauweisen attraktiviert werden.
- Eine nachhaltige Finanzierung der Siedlungswasserwirtschaftsinfrastruktur ist im Finanzausgleich zu berücksichtigen.
Bewertung: Insbesondere die geplante Senkung der Lohnnebenkosten ist sehr zu begrüßen. Der Fokus auf Holzbauweise bei öffentlichen Bauprojekten widerspricht der Position der Bundesinnung Bau, wonach bei der Wahl der Baustoffe ausschließlich objektive Maßstäbe heranzuziehen sind anstatt einen bestimmten Baustoff politisch einseitig und undifferenziert zu forcieren.
Infrastruktur
Bahn & Bahninfrastruktur: Sicherung der kontinuierlichen Finanzierung des ÖBB-Rahmenplans.
Straße – Straßenbau: Zur Ankurbelung der heimischen Wirtschaft sowie zur dringend notwendigen Entlastung der Bevölkerung von Durchzugsverkehr und dessen negativen Begleiterscheinungen sollen Autobahnen und Schnellstraßen (im Bundesstraßengesetz angeführt), die bereits über eine Genehmigung verfügen (z.B. S1 Spange), schnellstmöglich realisiert werden und anhängige Verfahren und Planungen zügig weitergeführt werden.
Bewertung: Die Absichtserklärungen sind im Sinne einer Stabilisierung der Investitionstätigkeit der öffentlichen Hand vollinhaltlich zu begrüßen.
Gewerbe- und Arbeitsrecht
- Modernisierung Gewerberecht: Das Zugangsinstrument der „Individuellen Befähigung“ soll gestärkt werden. Dazu soll eine Evaluierung der Vollziehungssystematik der individuellen Befähigung erfolgen.
- Die Bundesregierung bekennt sich zur Gewährleistung der einheitlichen Vollziehung der Gewerbeordnung österreichweit bei allen Bezirkshauptmannschaften und Magistraten durch Richtlinien bzw. Erlässe des zuständigen Bundesministeriums.
- Eigene Schutzverordnung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die im Freien arbeiten (nicht hitzefrei).
- Bei Kündigungsfristen (§ 1159 ABGB) unstrittige KV-Ermächtigung schaffen.
Bewertung: Die Absichtserklärungen zur Modernisierung des Gewerberechts bieten die Chance, das Konzept „Berufszugang Baugewerbetreibende“ der Bundesinnung Bau österreichweit zu implementieren und den Befähigungsnachweis praktikabel zu gestalten. Im Zuge der Regierungsverhandlungen konnte die geforderte Reduktion der Zahl der reglementierten Gewerbe erfolgreich abgewehrt werden. Erfreulich ist in diesem Zusammenhang auch das Bekenntnis der neuen Regierung zur Objektivierung und Vereinheitlichung der individuellen Befähigung, um den unliebsamen „Bewilligungstourismus“ bei Gewerbeanmeldungen zu stoppen. Die geplante KV-Ermächtigung bei den Kündigungsfristen entspricht einer wichtigen Forderung der Bauwirtschaft. Die geplante Schutzverordnung für das Arbeiten im Freien ist grundsätzlich kritisch zu sehen, letztlich aber von der konkreten Ausgestaltung der entsprechenden Inhalte abhängig.
Entbürokratisierung und Deregulierung
- Die Bundesregierung bekennt sich zu einer Bürokratiebremse sowie zur transparenten Darstellung von Bürokratiekosten.
- Deregulierungsbeauftragter als zentrale Anlaufstelle für Vorschläge zur Entbürokratisierung.
- Weitere Etablierung des Grundsatzes „Beraten statt Strafen“ im Bereich unternehmerischer Auflagen.
- Die Bundesregierung setzt sich auf EU-Ebene für ein Screening und für die Aufhebung unverhältnismäßiger Regulierung und unverhältnismäßiger Berichtspflichten ein.
- Reform des Vergaberechts durch Stärkung der Eignungskriterien und des Bestbieterprinzips sowie Entbürokratisierung.
- Überführung der SchwellenwerteVO ins Dauerrecht sowie Valorisierung der Schwellenwerte (EUR 200.000 für Direktvergabe im Baubereich, EUR 2 Mio. für nicht offene Verfahren im Baubereich sowie EUR 150.000 im Bereich Lieferungen und Dienstleistungen).
Der ORF muss weiter sparen und dafür darf der ORF-Beitrag bis 2029 nicht erhöht werden.
Bewertung: Sämtliche Maßnahmen zur Entbürokratisierung und Deregulierung sind vollumfänglich zu begrüßen. Dazu fällt insbesondere auch die Absichtserklärung der Bundesregierung, sich auf EU-Ebene für eine Aufhebung unverhältnismäßiger Berichtspflichten einzusetzen. Mit der dauerhaften Verankerung der SchwellenwerteVO wird ein wesentlicher Beitrag zur Entbürokratisierung öffentlicher Auftragsvergaben geleistet. Zur ORF-Reform ist kritisch anzumerken, dass die Mehrfachbelastung von Baubetrieben (bei Baustellen länger als 6 Monate) nicht explizit erwähnt ist, obwohl dazu im vergangenen Jahr eine entsprechende Gesetzesreparatur in Aussicht gestellt wurde.
Steuern
- Einführung einer verbesserten steuerfreien MA-Prämie (bis zu EUR 1.000 – freigestellt, nicht gesatzt), für 2025 & 2026.
- Befreiung N1/Klein-LKWs von der NoVA ab 01.07.2025.
- Heimfahrerregelung“: Klarstellung einer praktikablen Regelung für „Heimfahrer“ mit Klein-LKWs.
- Abschreibungen auf Ausrüstungsinvestitionen sowie Bauinvestitionen mit Fokus auf Sanierung prüfen.
Bewertung: Die angeführten steuerlichen Maßnahmen sind durchwegs zu begrüßen.
Bodeninanspruchnahme
- Die Bundesregierung bekennt sich zu einer ausgewogenen und nachhaltigen Bodenpolitik, um die Ziele eines sparsamen Bodenverbrauchs und einer nötigen Baulandmobilisierung sowie angemessene Bodenpreise zu erreichen.
- Die Bundesregierung bekennt sich dazu, den Bodenverbrauch effektiv auf 2,5 ha pro Tag zu reduzieren. Zu diesem Zweck sollen Planungs- und Widmungskompetenzen stärker auf Landesebene gebündelt und ein klarer Zielpfad bis Ende 2026 entwickelt werden.
Bewertung: Die geplante Zielvorgabe von 2,5 ha pro Tag widerspricht dem Bekenntnis zu einer ausgewogenen Bodenpolitik und ist daher kritisch zu hinterfragen. Positiv anzumerken ist, dass im aktuellen Regierungsprogramm kein verbindlicher Zeithorizont für das Erreichen des 2,5 ha Ziels vorgegeben wird, während im letzten Regierungsprogramm noch das Jahr 2030 festgeschrieben war.
Fazit
Zusammenfassend ist festzuhalten: Das Regierungsprogramm ist durchaus ambitioniert und enthält zahlreiche wichtige baurelevante Absichtserklärungen. Letztendlich wird es aber von der Finanzierbarkeit und der konsequenten Umsetzung der geplanten Maßnahmen abhängen, ob das Programm auch tatsächlich die erhofften positiven Wirkungen entfaltet. Die Bundesinnung Bau wird den Umsetzungsprozess intensiv mit fachlicher Expertise begleiten und sich darüber hinaus darum bemühen, bei den offenen bzw. negativ bewerteten Punkten des Programms praxisgerechte Lösungen für die Bauwirtschaft zu erreichen.
Text: Mag. Paul Grohmann M.A., Geschäftsstelle Bau