Innung Tirol

“Die Lehrlingsausbildung ist mein Steckenpferd”

04.02.2025

Der Tiroler Landesinnungsmeister Helmuth Hehenberger spricht über seine Leidenschaft für das Handwerk, über seine Ziele in der neuen Funktion und wagt einen – durchaus positiven – Ausblick in die Zukunft der Branche.

Seit über 25 Jahren lenkt Helmuth Hehenberger die Geschicke seiner Firma für Möbel und Innenausbau im Brixental. Leidenschaft und Zusammenhalt stehen für den 53jährigen Tiroler dabei klar im Vordergrund. Zudem sind für ihn Beharrlichkeit, Ausdauer und Flexibilität die wichtigsten Eigenschaften für einen nachhaltigen Unternehmenserfolg. Und wohl auch für seine Innungsarbeit: Denn seit Herbst 2024 steht der Tischlermeister an der Spitze der Tiroler Landesinnung – ein quasi logischer Schritt aufgrund seiner langjährigen Innungserfahrung. Im Interview mit dem Tischler Journal spricht er über seine Pläne, über seine ungebrochene Leidenschaft für die Lehrlingsausbildung, über die Notwendigkeit einer Entbürokratisierung und wagt zudem eine Prognose für die Zukunft der Branche.

Tischler Journal: Sie sind, wie Sie selbst sagen, „Tischler aus Leidenschaft“. Wie ist diese Liebe zum Handwerk entstanden? Und wie hat sich Ihr Betrieb im Laufe der Zeit entwickelt?

Helmuth Hehenberger: Meine Berufswahl hat sich schon in der Volksschulzeit abgezeichnet und bis heute erfüllt mich die abwechslungsreiche Arbeit mit großer Freude. Wir haben ein interessantes Spektrum an Arbeiten: Neben Bautischlerei und Fenstertüren sind Möbel und Innenausbau unser Hauptbetätigungsfeld. Am meisten motiviert mich die Freude meiner Kund*innen. Begonnen habe ich 1999 als Einzelunternehmer mit einer kleinen Werkstätte in meinem Heimatort Brixen im Thale. Damals hatte ich einen Mitarbeiter, der bis heute im Betrieb ist, heute sind wir übrigens 14. 2001 bin ich dann in den Nachbarort Kirchberg übersiedelt, 2009 aber mit dem Unternehmen zu meinem Wurzeln nach Brixen zurückgekehrt.

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Wie halten Sie es mit betrieblichen Investitionen?

Ich bin der Typ, der alle zehn Jahre etwas dazu baut oder umstrukturiert. So habe ich die Produktionsstätte sukzessive weiterentwickelt, neuen Grund dazugekauft und ein Materiallager für Holz errichtet. Vor 15 Jahren habe ich zudem eine Bauträgerfirma gegründet. Damit erreiche ich eine Grundauslastung und versorge meinen eigenen Betrieb mit Arbeit. Seit rund zwei Jahren wird mittlerweile auch fast alles selbst gemacht und kaum mehr zugekauft.

Seit 2001 leben Sie in Ihrem Betrieb die Vier-Tage-Woche. Sehen Sie sich als Vorreiter für etwas, das bald Standard sein wird bzw. sogar muss?

Wir haben im Zuge des Werkstattumzugs in den Nachbarort bei gleicher Wochenarbeitszeit auf die Vier-Tage-Woche umgestellt, um die Fahrzeiten für die Mitarbeitenden zu reduzieren. Das System hat sich wunderbar bewährt und heute will das auch keiner mehr anders haben. Ich habe auch nie Probleme, Mitarbeiter*innen und Lehrlinge zu finden – und das hat sehr viel mit dem Arbeitszeitmodell zu tun. Ausreichend Freizeit ist im Recruiting heute ein wichtiges Argument – so gesehen denke ich schon, dass es die Zukunft ist.

Sie sind seit 2010 im Innungsausschuss tätig und seit zehn Jahren als Landeslehrlingswart. War die Berufung zum Tiroler Landesinnungsmeister aufgrund dieser Erfahrungen der logische nächste Schritt?

Es war nicht mein dezidiertes Ziel, Landesinnungsmeister zu werden – aber sagen wir so, man musste mich nicht lange überreden. Ich bin interessiert an der Arbeit und mache sie sehr gerne. Zudem konnte auch nur ein Ausschussmitglied die Aufgabe übernehmen, da viele Dinge im Laufen sind und von jemandem mit der Materie Vertrautem fortgeführt werden müssen. Mein Vorgänger Klaus Buchauer ist sehr weitsichtig und hat seine Rücktrittspläne als LIM aufgrund seines Pensionsantritts und der Betriebsübergabe bereits vor einem Jahr angekündigt. Daher wussten wir, dass ein Wechsel ansteht und ich konnte mich gut darauf vorbereiten. Ein weiterer Vorteil: Ich habe meinen Betrieb so strukturiert, dass die Amtsführung möglich ist. Ist der Betrieb sehr klein oder sehr groß wird es schwieriger, den Chef doch sehr oft zu entbehren.

Sie sind aktuell Landesinnungsmeister und Landeslehrlingswart in Personalunion – werden Sie diese Doppelfunktion beibehalten?

Wir haben die Lehrlingsarbeit in Tirol seit rund zehn Jahren auf vier Betreuende aufgeteilt und dieses System funktioniert sehr gut. Es steht zwar ein Landeslehrlingswart – aktuell bin das noch ich – als Repräsentant im Vordergrund, aber wir teilen uns die Arbeit . Das Team aus Markus Decker, Mathias Trixl und Christian Pienz bleibt bestehen, für mich suchen wir auf längere Sicht einen Nachfolger.

Welche Themen gehen liegen Ihnen in Ihrer Innungsarbeit besonders am Herzen?

Die Lehrlingsausbildung ist und bleibt mein Steckenpferd. Ich habe selbst bisher gut 20 Lehrlinge ausgebildet – aktuell haben wir vier bei uns – und bin stolz darauf, dass viele im Betrieb geblieben sind. Zudem bin ich der festen Überzeugung, dass wir uns nur durch eine kontinuierliche Lehrlingsausbildung gute Fachkräfte für die Zukunft sichern können. Und dafür sind sowohl die Innung als auch die Betriebe in guter Abstimmung untereinander und mit den Schulen verantwortlich. Mein Fazit: Wenn wir für Nachwuchs sorgen, ist für unsere Branche schon viel gerichtet.

Weil Sie es ansprechen… Gibt es in Tirol genügend Betriebe, die ausbilden?

Helmuth Hehenberger BLW
Im Rahmen seines Berufslebens hat der Tischlermeister gut 20 Lehrlinge ausgebildet. Aktuell sind es vier, in Zeiten wie diesen eine Art Luxus. „Fast alle meiner Mitarbeitenden sind ehemalige Lehrlinge von mir. Das macht mich ein bisschen stolz, denn die Ausbildung ist mein Steckenpferd“, freut sich Hehenberger. Im Bild diskutiert der Landeslehrlingswart mit seinen Schützlingen beim Bundeslehrlingswettbewerb 2024 in Salzburg.
Foto: Chris Hofer

Es könnten durchaus mehr sein. Von den rund tausend angemeldeten Gewerbebetrieben im Bereich der Tischlerei sind circa die Hälfte produzierende, davon bilden nur 130 Lehrlinge aus. Das ist im Verhältnis eine sehr geringe Zahl. Aber wenn Jugendliche in Tirol den Tischlerberuf lernen möchten, finden sie auf jeden Fall einen Ausbildungsplatz in der Nähe. Das liegt u.a. daran, dass diejenigen, die ausbilden, meist mehrere Lehrlinge haben – damit sich der Aufwand auch auszahlt.

Welche weiteren Themen sehe Sie als LIM auf sich zukommen?

Man wird aufpassen müssen, dass sich Gehaltsverhandlungen im Rahmen halten und dass die Politik bei Gesetzen und Vorschriften mit Augenmaß handelt. Es soll in Sachen Bürokratie und administrativer Aufwand auf jeden Fall nicht schlimmer werden als jetzt. Das ganze fällt unter das Schlagwort Endbürokratisierung. Das klingt jetzt sehr groß, man kann da aber auch im Kleinen vieles machen. Als Beispiel ist z. B. die EU-Entwaldungsverordnung zu nennen – hier gibt es noch viele Unklarheiten und wir Tischler setzten uns dafür ein, diese und ähnliche Verordnungen zu kippen oder zumindest so zu gestalten, dass ein gutes Arbeiten auch für kleine Betriebe möglich bleibt.

Die Tiroler Innung hat in den letzten Jahren zahlreiche Initiativen in Sachen Lehrlingswerbung und -förderung gesetzt? Wie geht es weiter?

Wir bauen auf unsere bestehende Werbelinie auf. Aus dem Slogan „Auf was bist du stolz?“ wird 2025 „Was macht dir Freude?“. All diese Aktionen ebenso wie die Lehrlingswettbewerbe und die Tischler Trophy verschaffen uns eine kontinuierliche Medienpräsenzen. Die unmittelbare Auswirkung auf die Lehrlingszahlen ist zwar schwer messbar, aber auf lange Sicht ist es wichtig, sich als interessante und moderne Berufsgruppen in den Köpfen zu etablieren.

 Wie schätzen Sie die wirtschaftliche Lage für die Tiroler Tischlerinnen und Tischler ein?

Tirol ist ein guter Wirtschaftsstandort, weil die Tiroler*innen unser handwerkliches Können schätzen und Wert auf Qualität legen. Nicht zuletzt hilft uns auch die Nähe zum süddeutschen Raum, wo der Bedarf an hochwertigen Tischlerarbeiten sehr groß ist. Dort gibt es natürlich auch sehr gute Schreiner, aber viel zu wenige. Denn in Deutschland ist das Nachwuchsthema aufgrund des Ausbildungssystems dort ein viel dramatischeres als bei uns. In jedem Fall wird der Fokus noch stärker auf Privatkund*innen liegen. Hier geht es im Gegensatz zu öffentlichen Aufträgen weniger um den Preis. Im Mittelpunkt stehen eine gute, individuelle Arbeit und eine starke Vertrauensbasis – da punkten wir Tischler*innen überall.

Also fällt ihr Blick in die Zukunft durchaus positiv aus?

Ja, ich sehe wenig Grund zum Jammern. Die Auslastung ist gut, das Preisniveau ebenso, und dass der gewaltige Auftragsdruck der letzten Jahre nachgelassen hat, empfinden viele Kolleg*innen als erleichternd. Natürlich schwächelt der Neubau, dafür hilft uns die Sanierung. Wir hatten noch nie eine so hohe Sparquote und die Menschen wollen dieses Geld nach wie vor sukzessive in die Verschönerung ihres Zuhauses, in neue Möbel, Fenster, Türen, Böden etc. investieren.

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