Stefan Graf

„Jede Transformation kostet Geld – auch die grüne“

08.11.2022

Selbst Verantwortung übernehmen, Dinge ausprobieren und dabei auch Realist bleiben. Stefan Graf, CEO von Leyrer + Graf, über seine Einstellung zu Nachhaltigkeit.

Stefan Graf, CEO von Leyrer + Graf © Leyrer + Graf
Stefan Graf, CEO von Leyrer + Graf © Leyrer + Graf

Der Begriff Nachhaltigkeit geistert schon so lange durch Medien und Unternehmen, dass er zwischenzeitlich fast zum Unwort verkommen ist. Neue Vorgaben wie die EU-Taxonomieverordnung oder ESG-Kriterien haben dem Thema aber nun wieder neue Brisanz verliehen. Und gerade in der Baubranche gibt es hier noch einiges zu tun. Um selbst einen Beitrag gegen den Klimawandel zu leisten, hat der Baukonzern ­Leyrer + Graf 2020 eine Nachhaltigkeitsstrategie erarbeitet. Welche Maßnahmen man als ausführendes Unternehmen setzen kann und muss, darüber haben wir mit CEO Stefan Graf gesprochen.

Vor zwei Jahren wurde bei Leyrer + Graf eine Nachhaltigkeitsstrategie implementiert. Inklusive 2023 investieren Sie 5,8 Millionen Euro in klimafreundliche Maßnahmen. Wohin fließt das Geld?

Stefan Graf: Klarerweise versuchen wir zuerst einmal, die „low-hanging fruits“ zu ernten. Das sind die Klassiker Elektromobilität und Photovoltaik – die beiden Themen sind wie ein aufgelegter Elfmeter, den jedes Unternehmen ergreifen muss. Damit haben wir schon relativ früh angefangen – schon bevor Druck vom Strom- oder Energiemarkt kam. Aber wir waren nicht die Ersten, das muss man auch sagen. Seit diesem Sommer sind alle Bürohauptstandorte mit Photo­voltaikanlagen ausgestattet, damit produzieren wir rund 900.000 kWh pro Jahr – rein rechnerisch ist das der ganze Strom, den wir übers Jahr gesehen brauchen. Stromautark sind wir in der Praxis noch nicht, aber man kann davor noch ungenützte Fläche zur ­effizienten, unabhängigen Energieerzeugung nutzen – und in Spitzenzeiten Überschüsse gewinnbringend ins Netz einspeisen. Elektrofahrzeuge haben wir mittlerweile über 20 Stück im Einsatz, eine zweistellige Zahl soll auch kommendes Jahr dazukommen. Das Ziel ist, dass bis 2025 ein Viertel aller Firmen-Pkws auf Elektro­mobilität umgestellt wird.

Was ist denn das große Ziel Ihrer Strategie? Die Klimaneutralität 2040?

Graf: Im Einklang mit dem Green Deal schwebt es uns natürlich schon vor, 2040 klimaneutral zu sein. Aber ich würde es nicht als Ziel, sondern eher als ­Vision beschreiben, denn es gilt noch viele Frage­zeichen zu klären. Das soll kein Zeichen der Schwäche, sondern vielmehr des Realismus sein. Und eines darf man nicht vergessen. Noch jede Transformation auf dieser Welt hat Geld gekostet. Damit wird das Ganze auch weiter zu ­Finanzierungsfragen führen.

Ein zentrales Thema ist auch die CO2-Reduktion auf der Baustelle. Welche Ansätze verfolgen Sie?

Graf: Beim Bauen werden vertikal und horizontal große Massen bewegt, dafür benötigen wir sehr viel Energie – wenn wir hier umweltfreundlichere Technologien finden, ist der Hebel für Emissionsein­sparungen groß. Derzeit testen wir unter anderem mit Wasserstoff betriebene Generatoren für die Stromversorgung auf der Baustelle. Noch ist das vergleichsweise kostenintensiv, aber hier sehe ich großes Potenzial. Außerdem sind wir auch an einem Forschungsprojekt beteiligt, bei dem Lkws mit ­Wasserstoff angetrieben werden. Das ist noch Zukunfts­musik, aber ich bin froh, dass wir dabei sind. Man kann nicht immer auf Förderungen warten – man muss die Dinge einfach in die Hand nehmen und ausprobieren.

Derzeit testen wir unter anderem mit Wasserstoff ­betriebene Stromgeneratoren für den Fuhrpark auf der Baustelle. Man muss die Dinge einfach in die Hand nehmen und ausprobieren.

Stefan Graf, CEO Leyrer + Graf

Warum gerade Wasserstoff-Lkws? Immerhin gibt es bereits Anbieter von Elektro-Lkws.

Graf: Wir testen auch strombetriebene leichte Nutzfahrzeuge, hier gibt es aber derzeit noch zu wenig inter­essante Modelle am Markt. Ich persönlich setze für die Zukunft sehr stark auf Wasserstoff. Es wird ­natürlich ein Mix aus den verschiedenen Antriebstechnologien sein, aber der Vorteil an Wasserstoff ist, dass damit die Speicher- und Transportprobleme ­gelöst werden. Deshalb verspreche ich mir in diesem Bereich viel. Und auch von synthetischen ­Treibstoffen – hier steckt noch viel Potenzial drinnen.

Es geht aber nicht nur um die technologischen Weiterentwicklungen, man muss das Thema Nachhaltigkeit auch leben. Wie gehen Sie damit im Unternehmen um?

Graf: Ich sehe nicht die Notwendigkeit, große Vorgaben zu machen. Viel wird von unserer Belegschaft ­selber eingebracht – zum Beispiel ist die Nachfrage nach Elektro­autos enorm. Wir haben auch einen ­Ideenpool im Haus, über den immer wieder weitere Verbes­serungsvorschläge kommen. Es gibt allerdings schon eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertretern aller Abteilungen, die unsere ­Nachhaltigkeitsstrategie umsetzen soll. Früher oder später wird es sicher auch Auswertungen der Daten geben.

Nachhaltigkeit schreibt sich derzeit fast jedes Unternehmen auf die Fahnen. Wie ist Ihr Eindruck: Wie viel ist davon Greenwashing?

Graf: Greenwashing passiert – keine Frage. Aber das sind meiner Meinung nach hauptsächlich die berühmten schwarzen Schafe. Grundsätzlich spüre ich aber schon eine ehrliche Überzeugung, die in den vergangenen Jahren gewachsen ist. Was ich aber durchaus wahrnehme, ist eine enorme Verunsicherung durch die EU-Taxonomieverordnung. Es drohen ­horrende Strafen, aber niemand weiß, was genau zu tun ist. Von den sechs Klimazielen sind eigentlich nur zwei ausdekliniert – die dafür aber in einem extrem hohen Detaillierungsgrad. Ich bezweifle sehr, dass es der richtige Weg ist, maximale Durchflussmengen für Duschen und Wasserhähne zu definieren. Aber ich gebe zu, ich habe auch keine bessere ­Lösung. Hier sind wir wohl alle noch auf der Suche nach ­einem ­praxistauglichen Weg.

Derzeit hört man regelmäßig, nachhaltiges Bauen müsse nicht teurer sein. Deckt sich das mit Ihrer Erfahrung?

Graf: Jein. Gute Planung kann durchaus Mehr­kosten abfedern, aber jede neue Technologie benötigt ­Investitionen. Gerade am Anfang fehlen noch die Skalierungseffekte, die die neuen Bauprodukte ­später auch wieder billiger machen. Das ist eine einfache betriebswirtschaftliche Rechnung. Ich bin auch ein Gegner davon, sich immer die Rosinen herauszu­picken und so zu tun, als könnte man alles ohne Mehrkosten umsetzen. Wenn es so einfach wäre, ­wären wir schon längst einige Schritte weiter. Die steigenden Kosten – und auch wenn sie nur temporär sind – müssen eingeplant werden. Derzeit tragen die Mehrkosten großteils die Unternehmen. Diese Last muss verteilt werden – auf die Wirtschaft, auf die ­Politik und auch auf die Kunden. Ich sehe aber auch bei Auftraggebern immer mehr die Bereitschaft dazu, Geld in die Hand zu nehmen.

Das bedeutet, Nachhaltigkeit ist mittlerweile auch bei den Bestbieterkriterien in den Ausschreibungen verankert?

Graf: Wir nehmen durchaus wahr, dass Kriterien wie Transportkilometer, Elektromobilität und umweltfreundliche Technologien in den Ausschreibungen verstärkt eine Rolle spielen. Die Taxonomieverordnung hat dem Ganzen noch einen weiteren Schub gegeben, egal ob bei Auftraggebern, Lieferanten oder Banken. Schließlich geht es da um Bonitäten.

Aber sind die Auftraggeber auch experimentierfreudig, wenn es um den Einsatz neuer Technologien und Baustoffe geht?

Graf: Das kommt natürlich immer sehr auf die Auftraggeber an. Aber gerade bei den großen, wie Asfinag oder ÖBB, gibt es ein klares Bekenntnis zu nachhaltigen Baustoffen und ­umweltfreundlicheren Technologien. Die Österreichische Bautechnikvereinigung, in der Planer, Auftraggeber, Ausführende und Projektentwickler vereint sind, hat auch einen Sachstands­bericht zum Thema Nachhaltigkeit herausgebracht – das ist ein positives ­Signal in die richtige Richtung. Wir, als ausführendes Bau­unternehmen, sind oft nicht früh genug im Planungs­prozess involviert, um hier Ideen und Erfahrungen einzubringen. Aber wenn es möglich ist, versuchen wir sehr flexibel zu sein und sind auch bereit, vieles auszuprobieren. Wo wir als Baufirma selbst ansetzen können, ist beim Thema Baurestmassenaufbereitung und Kreislaufwirtschaft. Gerade bei den mineralischen Baustoffen tut sich in diesem Bereich schon sehr viel – hier wird die Bauwirtschaft häufig unterschätzt. Eine große Heraus­forderung der Zukunft ist aber die Trennung und Aufbereitung von Materialien im Verbund. Hier müssen sich nicht nur die Aufbereitungsmethoden, sondern auch die Bautechnik selbst weiterentwickeln. Ein Beispiel: Stromkabel müssen nicht zwingend ins Mauer­werk eingestemmt und verputzt werden, sondern können auch mit einem Stecksystem an der Deckenunterkante entlanglaufen. Dadurch wird hinterher die Trennung deutlich einfacher.

Haben die Einsparungen zur CO2-Reduktion auch Auswirkungen auf den Bauablauf?

Graf: Dadurch allein gibt es eigentlich kaum ­Anpassungsbedarf. Einen viel größeren Hebel birgt aber grundsätzlich das Thema Lean-Construction-Manage­ment. Deshalb haben wir unsere ­Aktivitäten hier massiv verstärkt. Bei Lean geht es schließlich um die Reduktion von Verschwendung. Das fängt bei Energie an und geht natürlich bis hin zur Einsparung von Rohstoffen. Ich bin überzeugt, die Kombination von Lean mit den Nachhaltigkeitslogiken und auch BIM wird in den nächsten Jahren noch die volle Kraft entfalten und die Baubranche in ihrer Transformation wesentlich weiterbringen.

Weil Sie es gerade ansprechen: Ist Nachhaltigkeit und BIM, sprich 6D, bei Ihnen schon konkret ein Thema?

Graf: Wir sind gerade dabei, es auszuprobieren, und versuchen, Ökobilanzen aus BIM herauszuziehen. Mehr als eine Spielerei ist es derzeit aber noch nicht. Derzeit sind wir in der Vorplanungsphase für ein Praxis­projekt – einen eigenen Büroneubau in Horn –, bei dem wir alle Regeln der BIM-, Lean- und Nachhaltigkeitskunst ausprobieren wollen. Ich denke, bei ­diesem Projekt können wir viel lernen.

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