Tiefbau trotzt Tiefflug
Auch die heimischen Tiefbauer und Spezialtiefbauer sind von der Flaute in der Bauwirtschaft betroffen. Doch zahlreiche Infrastrukturprojekte helfen ihnen, einigermaßen über die Runden zu kommen – von Straßen- und Bankprojekten bis zu Energieinfrastruktur und Bauvorhaben im Bereich Gewerbe und Industrie.
![Brücke auf der S31 bei Sieggraben.](https://www.handwerkundbau.at/wp-content/uploads/2025/02/Swietelsky_Sieggraben-KLEIN_1_C_Swietelsky.jpg)
Die Zahlen sprechen für sich: Die vier neuen Brücken benötigen insgesamt 34 Brückenpfeiler, die je nach Talübergang zwischen 32 und 56 Meter in die Höhe ragen. Gewaltige 11.500 Laufmeter Bohrpfähle werden für die Tiefgründung hergestellt, 37.000 Kubikmeter Beton verbaut – man darf also durchaus von einem „Bauprojekt der Superlative“ sprechen, wie es der heimische Baukonzern Swietelsky macht.
Allianz für vier Brücken
Swietelsky errichtet die vier Talübergänge derzeit gemeinsam mit Habau im Auftrag der staatlichen Asfinag auf der Burgenland-Schnellstraße S 31 bei Sieggraben. Neben den Dimensionen stellen auch die hohen Anforderungen der Asfinag an einen nachhaltigen, ressourcenschonenden Bauverlauf im waldreichen Bauareal die ausführenden Unternehmen vor stattliche Herausforderungen. Das ist aber nicht alles, was das Projekt von anderen dieser Art unterscheidet. Das wirklich Besondere an dem Vorhaben ist das Vergabemodell: Denn das Projekt Sieggraben wurde im Rahmen eines neuartigen Allianzmodells konzipiert: „Bei diesem beispielgebenden Pilotprojekt bewegen sich sowohl die Asfinag als Auftraggeberin als auch Swietelsky als Teil der Auftragnehmergemeinschaft in einer gemeinsamen Risikosphäre und verfolgen nach dem Best-for-Projekt-Grundsatz die bestmögliche gemeinsame Fertigstellung des Bauprojekts“, so Swietelsky-Bereichsleiter Arnold Ritter.
Der entscheidende Unterschied zu bisher üblichen Projektvergabemodellen: „Der gemeinsame Projekterfolg steht im Vordergrund und nicht die individuellen Interessen der Allianzpartner“, so Swietelsky-Manager Ritter. Risiken und Verantwortungen werden zwischen den Beteiligten geteilt und gemeinsam gemanagt. Zudem können bei Unter- oder Überschreitungen der Zielkosten die Vertragspartner nach einem Bonus-Malus-System von einem erfolgreichen Projektverlauf gemeinsam profitieren oder – wenn es nicht so gut läuft – gemeinsam die finanziellen Einbußen tragen. Ritter: „Die tatsächlichen Kosten des Auftragnehmers werden im Sinne der Fairness allerdings immer bezahlt.“
Das spektakuläre Sieggraben-Vorhaben ist eines von vielen Infrastrukturprojekten, die den heimischen Tiefbau- und Spezialtiefbauunternehmen derzeit durch die Krise am Bau helfen. „Wir haben schon einmal bessere Zeiten gesehen“, meint der Geschäftsführer eines Tiefbau-Spezialisten. „Aber die Aufträge im Bereich der Infrastruktur helfen uns – vor allem im Bereich der Verkehrsinfrastruktur.“
Ein weiteres beeindruckendes Beispiel dafür ist die Sanierung der Autobahn A4 im Bereich des Knoten Schwechats. Die A4 ist hier mehr als 40 Jahre alt – und steht unter höchster Beanspruchung. An manchen Tagen wird sie von mehr als 100.000 Fahrzeugen befahren. Damit zählt sie zu den am stärksten befahrenen Routen Österreichs. Den Auftrag zur Sanierung vergab die Asfinag an eine Arge aus Leyrer + Graf, Gebr. Haider und Haider & Co. Im Zuge des Projekts werden die Fahrbahnen der A4 sowie der Wiener Außenring-Schnellstraße S1 auf eine Länge von 1,4 Kilometern saniert. Dazu zählen auch alle Auf- und Abfahrten und drei Brücken. Zudem werden die Straßenentwässerungssysteme auf den neuesten Stand der Technik gebracht und die Fahrzeugrückhaltesysteme erneuert. Ein großer Fokus liegt darauf, den Verkehrsfluss während der Bauarbeiten so wenig wie möglich zu behindern. Die Arbeiten sollen bis Ende 2026 abgeschlossen werden.
Recycling hat Priorität
Bereits fertig wurde man im Oktober 2024 mit der umfassenden Modernisierung der Jaunitzbachbrücke an der B38 Böhmerwald Straße bei Waldburg im Bezirk Freistadt. Leyrer + Graf erhielt den Auftrag für das Projekt. Die Bauarbeiten beinhalteten den Abbruch der bestehenden Brücke und den Neubau eines modernen, sechs-feldrigen, integralisierten Rahmentragwerks. Das alte Tragwerk samt Pfeilern wurde abgetragen, während die Fundierung sowie die Widerlager größtenteils bestehen blieben und verstärkt wurden. Im Zuge der Arbeiten verbreitete das Leyrer + Graf-Team, zudem die Fahrbahn und die Randbalken auf den aktuellen technischen Standard. Während der Bauarbeiten wurde der Verkehr der B38 über eine Notumfahrung geführt. Für den Bau dieser Umfahrungsstraße verwendete man Betonbruch als Schüttmaterial für den Dammkörper. Dieser Baustoff wurde nach Abschluss des Projekts als Recyclingbaustoff weiterverwendet.
Sparsamer Umgang mit den Ressourcen stand bei der Sanierung des Arlbergtunnels ebenfalls ganz oben auf der Prioritätenliste. Die Asfinag nahm 75 Millionen Euro in die Hand, um in den vergangenen zwei Jahren die knapp fünf Jahrzehnte alte Fahrbahn des Tunnels zu sanieren. Bei der kompletten Erneuerung der Fahrbahn wurden 105.000 Quadratmeter Asphaltschicht und 23.500 Kubikmeter Beton verlegt. Die neue Fahrbahn besteht aus einer 16 Zentimeter dicken Tragschicht und einer sechs Zentimeter dicken Deckschicht aus Beton. Rund 60 Prozent des Betons der alten Fahrbahn wurden vor Ort wieder verwendet, nachdem das Material in einer Mischanlage aufbereitet wurde. Weil keine Deponieflächen notwendig waren und das Recycling weitgehend vor Ort stattfand, konnte man so die Belastungen durch Abfälle und Lkw-Fahrten deutlich reduzieren.
Und auch bei der Sanierung der Westautobahn A1 beim Knoten Steinhäusl, die Ende 2024 abgeschlossen wurde, wurde Recycling großgeschrieben. Für die Erneuerung eines acht Kilometer langen Autobahnstücks verwendete die Strabag in der Tragschicht eine Asphaltmischung, die zu 40 Prozent aus recycelten Fräsgut besteht – üblich sind auf Autobahnen normalerweise bis zu 20 Prozent. Das Projekt zeigt aus Sicht der Strabag, „dass eine Sanierung mit der Zugabe von Recyclingasphalt ohne Qualitätseinbußen möglich ist“.
Das recycelte Mischgut für die Straße kommt aus den Asphaltmischanlagen in St. Pölten und Hausleiten. Der Asphaltabbruch der alten Straße wird ebenfalls weiterverarbeitet und kommt in einem anderen Projekt zum Einsatz. „Um eine noch höhere Recyclingquote zu erreichen, müssen alle an einem Strang ziehen – sowohl die Planer*innen als auch die Ausschreibenden“, meint Strabag-Vorstandsmitglied Axel Thomaschütz. „Zudem müssen die Normen, Gesetze und Anforderungen entsprechend angepasst werden.“
Über einen attraktiven Auftrag der ÖBB freut man sich bei Hochtief Infrastructure Austria. Die Tochter des globalen Hochtief-Konzerns baut derzeit gemeinsam mit Arge-Partner Hasenöhrl Bau GmbH einen 3,6 Kilometer langen Abschnitt der Westbahnstrecke zwischen Linz und Wels viergleisig aus. Der Auftragswert für die Arge liegt bei 50 Millionen Euro. Das Projekt beinhaltet unter anderem den Abbruch und Neubau von mehreren Ingenieurbauwerken – dazu zählen etwa ein Personentunnel, mehrere Durchlässe sowie Unter- und Überführungen. Darüber hinaus sind umfangreiche Erd- und Straßenbauarbeiten, die Verlegung der Linzer Lokalbahn Lilo und der Bau von Lärmschutzwänden Teil des Auftrags. Das Baulos soll 2029 abgeschlossen werden.
Etwas früher soll ein neues Pumpenspeicherkraftwerk im deutschen Forbach in Betrieb gehen – und zwar 2027. Die Porr Tunnelbau, eine Tochter des heimischen Porr-Konzerns, hat von der EnBW Energie Baden-Württemberg AG den Auftrag bekommen, das Rudolf-Fettweis-Werk umzubauen. Ziel ist es, das bestehende Speicher- und Laufwasserkraftwerk in ein modernes Pumpenspeicherkraftwerk zu verwandeln. Pumpenspeicherkraftwerke sind eine Technologie, die bereits seit mehr als 100 Jahren zur Energiespeicherung genutzt wird. Angesichts der Energiewende rückt sie wieder verstärkt in den Fokus.
Das Umbauprojekt kommt gut voran: Nachdem im September 2024 der Zufahrtsstollen die Kraftwerkskaverne erreicht hatte, wurde im Jänner 2025 der Energieleitungsstollen mit der Kaverne verbunden. Der Vortrieb dieses Stollens begann im August 2024 an der Verzweigung mit dem Zufahrtsstollen. Seit Anfang 2025 wurde zusätzlich im Gegenvortrieb von der Kaverne aus gearbeitet, um die Verbindung herzustellen. Die letzten zwei Meter Gestein wurden durch eine gezielte Sprengung entfernt.
Weniger explosiv, aber deshalb nicht minder beeindruckend gestalten sich die Spezialtiefbau-Arbeiten für das Landesdienstleistungszentrum Salzburg, das im Auftrag des Landes Salzburg gebaut wird. Das Gebäude soll bis Ende 2026 auf einer Grundfläche von 10.000 Quadratmetern fertiggestellt werden und Arbeitsplätze für mehr als 1.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bieten. Bauer Spezialtiefbau wurde von der Arge aus Habau und Swietelsky betraut, die Umschließungs- und Gründungsarbeiten für das anspruchsvolle Bauvorhaben zu realisieren. Diese Arbeiten beinhalten die Herstellung von tiefen Bohrpfählen, einer verankerten Schlitzwandumschließung und die dazugehörige geothermische Aktivierung der Spezialtiefbauelemente.
Die sehr anspruchsvollen Bodenverhältnisse in Salzburg stellten eine besondere Herausforderung für die geotechnischen Maßnahmen dar. Zudem hatte man bei beengten Platzverhältnissen auf der Baustelle hohe logistische Anforderungen zu bewältigen, die vor allem durch den massierten Großgerätebedarf entstanden: So waren eine Schlitzwandeinheit mit Mischanlage und Suspensionsaufbereitung plus drei Großdrehbohranlagen mit Nebengeräten gleichzeitig am Baufeld tätig.
Mit herausfordernd lässt sich auch die Beschaffenheit des Baugrunds bei einem weiteren Projekt treffen beschreiben: Der Baumaschinenhersteller Liebherr erweitert in Bischofshofen sein Werk um eine neue Lackieranlage. Die Bodenbeschaffenheit vor Ort ist sehr heterogen. Sie reicht von wenig tragfähigen Anschüttungen über schluffige Feinsande bis hin zu tragfähigen Kiesen. Um die Stabilität der Lackieranlage zu gewährleisten, war eine Gründungslösung erforderlich, die in der Lage ist, die Lasten zuverlässig in die tiefer liegenden, tragfähigen Bodenschichten abzuleiten.
Liebherr entschied sich für TRM Pfahlsysteme, die eine passende Lösung für die komplexen Bodenverhältnisse bieten: Dabei wurden rund 500 Duktilrammpfähle installiert. Diese Pfähle, die auf eine maximale Bemessungslast von 1000 Kilonewton ausgelegt sind, gewährleisten eine sichere Lastabtragung. Die Bauarbeiten werden in Zusammenarbeit mit Keller Grundbau und Mitterndorfer Dornetshuber ZT durchgeführt. Sie laufen zwei Jahre lang und sollen bis Herbst 2025 abgeschlossen werden.