Unternehmensinsolvenzen gestiegen
KSV 1870: In den ersten sechs Monaten 2016 wurden insgesamt 2.652 Unternehmen insolvent. Gegenüber dem Vergleichszeitraum 2015 ist das ein Zuwachs von 4,7 Prozent.
Mit 1.625 Fällen (Plus 6,9 Prozent) sind deutlich mehr Verfahren eröffnet als (mangels Vermögens) abgewiesen wurden. Die Zahl der Nicht-Eröffnungen beläuft sich auf „nur“ 1.027 Fälle (Plus 1,3 Prozent). Die zu regulierenden Schulden sind insgesamt auf 1.785 Millionen Euro hochgeschnellt – ein Plus von zirka 115 Prozent. Die Zahl der von eröffneten Insolvenzverfahren betroffener Dienstnehmern stagniert bei 9.500. „Die Verdopplung der Insolvenzverbindlichkeiten lässt sich im Wesentlichen auf drei Fälle zurückführen und ist somit kein Massenphänomen innerhalb der Insolvenzlandschaft. Auch der fünf prozentige Anstieg der Unternehmensinsolvenzen ist kein Alarmsignal, aber es bleibt der Befund, dass die Fälle nicht nur mehr, sondern tendenziell auch wieder größer geworden sind“, analysiert Hans-Georg Kantner, KSV1870 Leiter Insolvenz, und ergänzt: „Dieser Befund deckt sich weitgehend mit unserer Einschätzung, dass die Talsohle der rückläufigen Insolvenzentwicklung letztes Jahr durchschritten wurde und nun wieder mit steigenden Zahlen zu rechnen ist.“
Der Grund für die hohen Schulden kann unschwer in den ersten drei Fällen auf der Liste der Großinsolvenzen verortet werden: zwei der Unternehmen sind reine Holdinggesellschaften (Activ Solar und Slav) und den Brüdern Kliujev zuzurechnen. Der Fall CBA (vormals Concord Card Casino) ist im Wesentlichen durch steuerliche Forderungen von deutlich über 300 Millionen Euro bestimmt, die sich aus der strittigen Einordnung der in den Casinos veranstalteten Spiele nach dem österreichischen Glückspielgesetz herleiten.
Nicht besorgniserregend
Aus Sicht des KSV1870 ist der Komplex der mangels Vermögens nicht eröffneten Verfahren in den vergangenen Jahren deutlich entschärft worden und auch im Jahr 2016 alles andere als dramatisch oder besorgniserregend. Möchte man jedoch diese Abweisungen mangels Vermögens vollkommen abschaffen, bedarf es dazu eines größeren Konsenses zwischen Justiz und Wirtschaft, denn die Folgen einer solchen Entscheidung wären natürlich spürbar. Es gäbe mehr Verfahren und daraus resultierend eine zusätzliche Belastung der Gerichte. Allerdings kämen natürliche Personen sofort in Insolvenzverfahren, wodurch ihnen auch sofort die Weichen zu einer Restschuldbefreiung geöffnet würden. Juristische Personen würden rasch und sauber liquidiert werden, was für die Hygiene der Wirtschaft unseres Landes von Vorteil wäre.
Alle Insolvenzen eröffnen?
Der KSV1870 befürwortet das. Eine Langzeitstudie des KSV1870 hat ergeben, dass die Eröffnung ausnahmslos aller Verfahren, auch solcher, bei denen vermeintlich kein ausreichendes Vermögen vorhanden ist, zu achtbaren Ergebnissen der Gläubigerbefriedigung und sogar Unternehmenssanierungen führen würde. Leider haben bislang weder der Gesetzgeber, noch öffentliche Stellen als Gläubiger hier Handlungsbedarf erkannt. Denn schon heute wäre es mit entsprechenden Kostenvorschüssen möglich, alle Insolvenzverfahren über Unternehmen sofort zu eröffnen. Otto Zotter, Leiter KSV1870 Linz, rechnet für die Gläubiger und die Volkswirtschaft einen Nutzen von brutto 80 Millionen Euro pro Jahr heraus, der jederzeit und auch ohne Bemühung des Gesetzgebers gehoben werden könnte.
Weitere Vorteile bzw. Folgen:
- Sanierung nicht weniger Unternehmen (vor allem im kleingewerblichen Bereich)
- Aufklärung von Insolvenzursachen und möglichen Vermögensverschiebungen bzw. anfechtbaren Zahlungen
- Substanzielle Quotenzahlungen an die Gläubiger – zumeist die Öffentliche Hand
- Beschleunigung der Verfahren insgesamt
- Abschneiden der „Abweisungsketten“ – nicht selten erleben Unternehmen in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren Abweisungen mangels Vermögens bis endlich ein Verfahren tatsächlich eröffnet wird – nicht selten wird aber kein Verfahren eröffnet, obgleich ganz augenscheinlich „weitergewurstelt“ wurde
- Entlastung der Gewerbebehörden, die ja nach einer Nichteröffnung mangels Vermögens gem. § 13 GewO ein Entzugsverfahren einzuleiten haben; ein Vorgehen, das mitunter Monate, wenn nicht Jahre dauern kann
- Rascher Start der Entschuldung der natürlichen Person – gekoppelt mit besseren Befriedigungschancen der Lieferanten und des Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF), der nach Zahlung aufgrund eines Abweisungsbeschlusses in einem späteren Insolvenzverfahren gar kein Teilnahmerecht mehr hat.
Der Brexit und sein Einfluss
Bei jeder Veränderung gibt es Gewinner und Verlierer; ohne zu tief in diese laufende Debatte einsteigen zu können, lässt sich jetzt schon mit Gewissheit sagen, dass es beim Austritt Großbritanniens aus der EU mehr Verlierer als Gewinner geben wird. Und das bedeutet Umwälzungen, aber auch Wohlstandsverlust oder zumindest ein deutlich gemindertes Wachstum des Wohlstandes auf unserem Kontinent. Ein direkter Einfluss auf das Insolvenzgeschehen Österreichs kann noch nicht erkannt werden – auch wenn wohl in Zukunft in Insolvenzanträgen zu lesen sein wird, dass Probleme mit britischen Lieferanten oder Abnehmern die Insolvenzursache seien.
Ausblick auf Jahreszahlen 2016
Die Prognose eines mäßigen Anstiegs der Insolvenzen für 2016 wird derzeit von den Zahlen bestätigt und wird sich auch im zweiten Halbjahr 2016 fortsetzen. Insgesamt werden die Insolvenzzahlen mäßig über dem Wert des Jahres 2015 zu liegen kommen und auch das relative Absinken der Nicht-Eröffnungen mangels Vermögens („Abweisungen“) wird auch im zweiten Halbjahr 2016 zu beobachten sein.