Interview

“Die Einschätzungen haben sich nicht weiter eingetrübt”

28.03.2025

Die aktuelle Wifo-Prognose macht der Bauwirtschaft Hoffnung, dass die Krise endet und es wieder bergauf geht. Wir haben bei Wifo-Ökonom Michael Klien nachgefragt, wie weit und wie rasch die Erholung gehen wird.

Handwerk und Bau: Herr Klien, die aktuelle Wifo-Prognose zeigt, dass die Bauwirtschaft die Talsohle durchschreitet. Können Sie das etwas näher erläutern? Auf welche Indikatoren stützt sich diese Annahme
Michael Klien:
Die von uns angekündigte Stabilisierung ergibt sich einerseits aus den Produktionszahlen von Statistik Austria, wo die Rückgänge im Jahresverlauf 2024 sukzessive zurückgegangen sind. Und hinzu kommen die Befragungsergebnisse des Wifo-Konjunkturtests, welche seit Sommer/Herbst 2024 eigentlich recht stabil sind. Nicht optimistisch, aber die Einschätzungen haben sich nicht weiter eingetrübt.

Im Jahr 2026 soll laut Prognose die Bauwirtschaft sogar die Gesamtwirtschaft anschieben. Wie weit und wie rasch wird die Erholung der Bauwirtschaft gehen? Gibt es konkrete Zahlen für das erhoffte Wachstum in diesem Sektor?
Mit einem prognostizierten Wachstum zwischen 1 und 2 Prozent wird der Wachstumsbeitrag zur Gesamtwirtschaft positiv sein, anschieben ist aber vielleicht etwas überzeichnend. Auch liegen die Wachstumsraten immer noch deutlich unter den Boomjahren 2018–2022 zurück – dort gab es Jahre mit Wachstum über 4 Prozent.

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Die Bauwirtschaft ist stark segmentiert. Gibt es einen genaueren Blick auf Teilbereiche, wie etwa Hochbau, Tiefbau aber auch Baunebengewerbe?
In der Prognose weisen wir keine separaten Zahlen für die Segmente aus. Das machen wir nur im Rahmen unserer Aktivitäten im Netzwerk Euroconstruct. Ganz grundsätzlich wird der Wohnbau wohl auch im Jahr 2025 noch (leicht) negativ sein, und erst 2026 keine weiteren Verluste mehr ausweisen. Relativ stark präsentierte sich im ganzen Jahr 2024 der Tiefbau, der in Produktion und auch Beschäftigung zulegen konnte. Das Baunebengewerbe war nie so stark von der Wohnbaukrise betroffen wie der Hochbau, da in der Sanierung (Energie/Heizsysteme) zum Teil sogar deutliche Steigerungen zu verzeichnen waren. Da der Neubau dennoch bedeutender ist als die Sanierung, wird das Baunebengewerbe im Jahr 2025 keine große Dynamik ausweisen – erst mit einer Erholung des Wohnbaus ab 2026 ist wieder mehr zu erwarten.

Wurden die massiven Konjunkturmaßnahmen in Deutschland bereits einberechnet, oder könnte dadurch ein zusätzlicher positiver Effekt für die heimische Bauwirtschaft entstehen?
Für die Bautätigkeit in Österreich hat das Konjunkturpaket wohl keinen großen Einfluss – profitieren wird vielleicht die österreichische Baustoffindustrie, und bei hohen Gewinnen der österreichischen Baukonzerne (die ja in Deutschland sehr aktiv sind) vielleicht auch über ausgeschüttete Gewinne etwas. Aber in der Einschätzung für die österreichische Bauwirtschaft (die primär misst, was in Österreich gebaut wird) ändert sich wenig.

Wie anfällig ist die Erholung der Bauwirtschaft in Bezug auf die mögliche Verschärfung internationaler Entwicklungen (Handeskrieg, Zölle, Konflikt mit Russland etc…)
Durch die hohe Lokalität der Bauwirtschaft sind diese Themen weniger relevant als in anderen Bereichen. Eine Rezession oder schlechte Entwicklung der Einkommen kann aber auch über eine Nachfrageschwächung die Bauwirtschaft treffen.


Zur Person

Michael Klien; Copyright: WIFO/Alexander Müller
Michael Klien; Copyright: WIFO/Alexander Müller

Michael Klien ist Ökonom (Senior Economist) und seit 2014 am Wifo tätig. Er gehört den Forschungsgruppen “Makroökonomie und öffentliche Finanzen” und “Regionalökonomie und räumliche Analyse” an. Er absolvierte sein Magister- und Doktoratsstudium an der Wirtschaftsuniversität Wien und arbeitete danach als Postdoc an der IAE de Paris, Sorbonne Graduate Business School. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf der Organisation des öffentlichen Sektors und der Effizienz der öffentlichen Leistungserbringung. Die Arbeitsgebiete reichen dabei von Finanzwissenschaft, politischer Ökonomie, organisations- und institutionenökonomischen Ansätzen bis hin zur Industrieökonomie.