Neustarke Sache
Der Holcim-Konzern hat ambitionierte Ziele bei der Dekarbonisierung. Um diese zu erreichen, setzt man auch auf CO₂-Speicherung. Eine erste Anlage hat jetzt im Betonwerk Albern die Arbeit aufgenommen. Sie wird vom Start-up Neustark betrieben.

Die Anlage macht optisch nicht viel her. Sie ist nur einige Meter lang und breit. Betonwasser wird in einen offenen Behälter geschüttet. Das verschwindet dann in einem kleinen Container. Das war es auch schon. Aufregende Technologie sieht anders aus. Aber sie ist aufregend: Denn die Anlage, um die es hier geht, setzt eine völlig neuartige Technologie ein, mit deren Hilfe CO₂ in Betonwasser gebunden wird und somit der Atmosphäre entzogen wird. Experten sprechen von Karbonatisierung.
2023 plus als Ziel
Die unscheinbare Anlage wird vom Schweizer Start-up Neustark betrieben und steht am Betonwerk Alberner Hafen des Holcim-Konzerns in Wien. Sie wurde im März 2025 in Betrieb genommen und ist die erste CO₂-Speicheranlage in Österreich. Für Haimo Primas, dem CEO von Holcim in Österreich, ist ihr Einsatz eine von vielen Maßnahmen, mit dem das Unternehmen ein durchaus ambitioniertes Ziel erreichen will: Holcim hat sich auf Konzernebene vorgenommen, bis 2050 das Net-Zero Ziel zu erreichen – also die CO₂-Emissionen bei der Produktion von Zement und Beton auf null zu senken. In Österreich legt man ein schnelleres Tempo an den Tag. Hier will man 2032 oder etwas später so weit sein: „2032 plus“, formuliert es Primas.
„Die Bauwirtschaft steht in der dringenden Verantwortung, zu dekarbonisieren. Seitens Holcim setzten wir entlang unserer gesamten Wertschöpfungskette entsprechende Schritte und optimieren unsere Produktionsprozesse, investieren in moderne Anlagen, eigene Energieerzeugung und speichern letztlich auch CO₂“, so der Holcim Österreich-Chef weiter. Mit Neustark habe man „einen strategischen Partner, um über einen Zwischenschritt in unserem Produktionsprozess auch CO₂ einzubringen und dauerhaft zu speichern“.
Der angesprochene Partner zeigt sich über die Kooperation mit dem finanzkräftigen Zementkonzern wenig überraschend ebenfalls sehr erfreut: „Schwer vermeidbares CO₂ dauerhaft zu speichern, das ist unsere Vision“, meint Johannes Tiefenthaler, Mitgründer und Co-CEO von Neustark. Der gebürtige Österreicher weiter: „Dank Partnerschaften wie mit Holcim skalieren wir unsere Lösungen und leisten einen greifbaren Beitrag zur Erreichung der Klimaziele.“
Das junge Unternehmen, das seit 2023 mit Holcim zusammenarbeitet, betreibt bereits 31 Abscheidungs- und Speicheranlagen in der Schweiz, Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien – und nun auch in Österreich. Die neue Anlage in Wien Albern ist ein Serienprodukt. Sie funktioniert folgendermaßen: Für den Karbonatisierungsprozess wird im Betonwerk Misch- oder Waschwasser aus den Betonmischwagen gesammelt und in der Anlage mit biogenem CO₂ in Kontakt gebracht. Dieses CO₂ stammt aus der Biogasanlage der EVM Energieversorgung Margarethen am Moos, wo es abgeschieden wird. In der Neustark-Anlage reagiert das CO₂ mit den Zementphasen im Wasser und wird zu Kalkstein.
Durch diese Transformation bleibt das CO₂ permanent gespeichert. Der Prozess neutralisiert darüber hinaus das stark alkalische Wasser. Das Mischwasser ist nach der Anreicherung erneut einsatzbereit für die Herstellung von Beton. „Die Produkt- und Verarbeitungsqualität des Betons bleibt durch diese Anreicherung unverändert erhalten“, betonen die beiden Partner.
Die Anlage hat eine Jahreskapazität von 142 Tonnen CO₂, die im Beton gespeichert werden können. Das ist umgerechnet so viel CO₂, wie durch 14.000 ausgewachsene Bäume aus der Atmosphäre entnommen werden könnten. Die dauerhafte Speicherung dieses biogenen CO₂ wird als Negativemission gewertet. Daraus kann Neustark Zertifikate berechnen lassen, die man am freien Zertifikatemarkt handeln kann. So kann aus der guten Tat ein durchaus lukratives Geschäft entstehen. Aus Sicht von Holcim-Manager Primas ist das nicht nur legitim, sondern sehr relevant: „Nachhaltigkeit muss sich rechnen und ein Geschäftsmodell sein. Das ist wichtig. Sonst wird die Transformation nicht gelingen.“
Überprüft wird die Entfernungsleistung von „Gold Standard”, einer unabhängigen Vereinigung für die CO₂-Zertifizierung, die 2003 vom WWF und anderen internationalen NGOs ins Leben gerufen wurde. Dieser Standard soll sicherstellen, dass Projekte zur Reduktion oder Entfernung von CO₂-Emissionen ein Höchstmaß an Umweltverträglichkeit aufweisen und gleichzeitig zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen. Die Daten werden laut Holcim und Neustark regelmäßig mit Durchflussmessung gemessen und halbjährlich mit weiteren Daten, die von Holcim zur Verfügung gestellt werden, eingereicht. Regelmäßige Audits von Gold Standard erfolgen online oder vor Ort.
Markus Schenkl, Geschäftsführer von Holcim Beton in Österreich, zeigt sich ebenfalls mehr als zufrieden mit der neuen Anlage: “Die Investition in die CO₂-Speicheranlage ist Teil unseres Nachhaltigkeits-Programms in unseren Holcim Betonwerken, um die Ostregion Österreichs mit innovativen und vor allem auch voll funktionsfähigen, CO₂-reduzierten Betonprodukten zu versorgen“, erläutert er. Seit Sommer 2024 setze Holcim im Werk in Albern „ausschließlich elektrisch gewonnenen Sand und Kies aus unserem grenznahen Kieswerk in Hegyeshalom ein, der zudem noch elektrisch per Zug nach Wien transportiert wird“. Zudem verwende man im Großraum Wien weitgehend den hauseigenen CO₂-reduzierten Eco Planet Zement, der schon heute den EU-Taxonomy Climate Mitigation Standards entspreche. Schenkl: „Mit der neuen CO₂-Speicheranlage gehen wir hier noch einen Schritt weiter und nutzen unsere Potenziale zur Dekarbonisierung.“