Modulare Steuereinheit

Basis für fahrerlose Baumaschinen

Entwicklung
23.10.2024

Von: Redaktion Handwerk + Bau
Nicht nur PKW, Busse oder Lieferwagen werden künftig autonom agieren, sondern auch mobile Arbeitsmaschinen. Basis ist ein aufgabenoptimiertes System-on-Module aus eigener Entwicklung von MicroSys. Die Autonomous Control Unit (ACU) eignet sich für den Einsatz unter rauen Arbeitsbedingungen.
Dumper

Beim Thema „autonomes Fahren“ sind meist Personenkraftwagen (PKW) gemeint, seltener Busse oder Lieferwagen, die sich fahrerlos im öffentlichen Straßenraum bewegen. Diese sind jedoch keineswegs die einzige Anwendung für diese komplexen Navigationsverfahren. Auch selbstfahrende Arbeitsmaschinen wie z. B. landwirtschaftliche Maschinen, Baumaschinen und Flurfördergeräte haben ein erhebliches Automatisierungspotenzial.

Ziel: Hochautomatisierte Arbeitsmaschinen

Die Herausforderungen in der Entwicklung von hochautomatisierten Arbeitsmaschinen unterscheiden sich deutlich von denen autonomer Fahrzeuge im Straßenverkehr. Landwirtschafts- und Baumaschinen operieren in der Regel nicht im öffentlichen Straßenraum, sondern in abgegrenzten Baustellenbereichen, die für Unbeteiligte unzugänglich sind. Dabei ist nicht davon auszugehen, dass sie sich auf weitgehend ebenen Flächen bewegen, sondern vielmehr im Gelände fahren. Diese Gegebenheiten und damit die Grundlage für die Überprüfung der Fahrstrecke ändern sich durch den Baufortschritt kontinuierlich und müssen ständig neu erkannt werden. Darüber hinaus sollen die autonomen Handlungen nicht nur die Fahrbewegungen umfassen, sondern auch die Aufnahme und Übergabe von Lasten.
Im Rahmen des Verbundprojekts POV.OS – Professional Vehicle Operating System wird eine innovative Automatisierungsplattform als offene Architektur aus Hardware und Software entwickelt, die für den Einsatz und die Funktionalisierung mobiler Arbeitsmaschinen konzipiert ist. Ziel ist die Schaffung einer anwendungsübergreifenden Plattform mit modularen Systemkomponenten, die als Grundlage für die Spezifizierung und Umsetzung anwendungsbezogener Automatisierungs-, Assistenz- und autonomer Fahrfunktionen genutzt werden kann.

Elektronikbauteil
Das auf dem NXP LX2160A Prozessor basierende SoM miriac MPX-LX2160A von MicroSys Electronics bietet 16 Arm Cortex-A72 Cores und robust verlöteten Arbeitsspeicher und bildet eine Grundlage für die Fahrzeugautomatisierung.

Wirtschaftlich durch Modularität

Mobile Arbeitsmaschinen werden in deutlich geringeren Stückzahlen produziert als gewöhnliche Automobile. Eine vollständige Neuentwicklung der zentralen Steuerungselektronik wäre für die Hersteller daher wirtschaftlich schwierig umzusetzen. Aus diesem Grund bevorzugen sie kommerziell verfügbare COTS-Plattformen (Commercial off-the-shelf). Diese ermöglichen den Entwicklern, individuelle Lösungen zu erstellen, ohne sich bei der Geräteentwicklung mit den einzelnen Komponenten auseinandersetzen zu müssen.
Als probates Mittel dazu entwickelt MicroSys Electronics (MicroSys) als Partner des Prozessorherstellers NXP System-on-Module (SoM). Diese in kleinen Formfaktoren hergestellten Baugruppen enthalten neben dem Mikroprozessor und dem Speicher sowie zahlreichen Kommunikationsschnittstellen alle Komponenten, die für die Applikationsentwicklung und Zertifizierung benötigt wird. So ermöglichen SoMs als zentrale Recheneinheiten mit standardisierten Schnittstellen Herstellern professioneller Arbeitsmaschinen die rasche Entwicklung ihrer Produkte. Die anwendungsspezifische Spezialisierung erhalten SoMs hardwareseitig durch zielgerichtete Trägerplatinen, sogenannte Carrierboards. Diese dienen unter anderem der Stromversorgung der Module und der Übersetzung der Ein- und Ausgangssignale in branchenspezifische Formate.

Blockschaltbild
Das aufgaben-, aber nicht kundenspezifisch entwickelte Carrierboard kann neben dem miriac MPX-LX2160A ein zusätzliches FPGA-Beschleunigermodul, bis zu drei SSD-Speichermodule und ein bis zwei Hailo-8 KI-Prozessormodule aufnehmen. Als Safety Insel wird eine Erweiterung basierend auf dem miriac MPX-S32G274A oder miriac MPX-S32G399A angeboten.

Ein starkes Herz

Nicht nur für mobile Arbeitsmaschinen, sondern für ein breites Spektrum an Anwendungen mit ähnlichen Performance- und Sicherheitsansprüchen entwickelte MicroSys das SoM miriac MPX-LX2160A. Basierend auf dem LX2160A als derzeit schnellstem Embedded Multi-Core-Prozessor aus dem Hause NXP mit 16 Arm Cortex-A72 Prozessorkernen, bietet das Modul im Standard 32 GB aufgelötetes DDR4 RAM, das auf bis zu 128 GB erweiterbar ist. Die prozessorintegrierten Ethernet-Controller ermöglichen eine höchst performante High-End Kommunikation mit bis zu 100 Gbit/s Ethernet und integriertem 122-Gbit/s Layer 2 Ethernet Switching. Damit lassen sich alle Vernetzungsaufgaben im Fahrzeug integrieren, bis hin zu GigEVision Kamerasystemen. Vier PCIe 3.0 Schnittstellen ermöglichen die Ausstattung des SoM mit dem dafür erforderlichen, großen SSD-Massenspeicher. Die integrierte Security Engine des NXP-Prozessors LX2160A ermöglicht bis zu der maximalen Übertragungsbandbreite eine Daten-Verschlüsselung. Sie stellt mittels Secure Boot sicher, dass – etwa bei Software-Updates – nur Software aus zertifizierter Quelle geladen wird. Mit mindestens 15 Jahren Verfügbarkeit bietet das für einen Temperaturbereich von mindestens -40° C bis +85° C spezifizierte miriac MPX-LX2160A Herstellern mobiler Arbeitsmaschinen eine hohe Versorgungssicherheit der Kernkomponente.

Elektronikbauteil
Ein neu entwickeltes Gehäuse macht die modulare Elektronik zum einbaufertigen Gesamtsystem, das dank nur 60 W Leistungsaufnahme im Vollausbau ohne aktive Lüftung oder Kühlung auskommt.

Aufgabenoptimiertes Carrierboard

Das zentrale Prozessormodul allein ist nicht alles. Viele Hersteller mobiler Arbeitsmaschinen verfügen nicht über die erforderlichen Kompetenzen oder Kapazitäten zum Aufbau eines von diesem angetriebenen Gesamtsystems. Für die Entwicklung einer aufgaben-, aber nicht kundenspezifischen Steuerungsplattform für mobile Arbeitsmaschinen nutzte MicroSys einerseits Erkenntnisse, die das Unternehmen in POV.OS (Professional Operating Vehicles Operating System POVOS) gewinnt. Ebenso lässt der bayerische Hersteller seine jahrelange Branchenerfahrung und weitere Kundenanforderungen, beispielsweise aus dem Baumaschinen-Segment, mit einfließen.
Das im POV.OS Kontext angedachte COTS-Carrierboard von MicroSys bietet 3 M.2 Slots und kann mit folgenden Modulen bestückt werden: ein miriac MPX-LX2160A, ein FPGA-Beschleunigermodul, bis zu drei SSD-Speichermodule oder ein bis zwei Hailo-8 KI-Prozessormodule. Für den Fall, dass im Projektkontext eine separate Safety Insel benötigt wird, bietet MicroSys basierend auf dem miriac MPX-S32G274A oder miriac MPX-S32G399A eine Lösung zur Erweiterung an. Das schafft zusätzliche Rechenleistung für komplexe Aufgaben und eine unabhängige Kontrollinstanz.

Einbaufertiges Gesamtsystem

Zu einem einbaufertigen ruggedized Gesamtsystem wird die Elektronik durch das neu entwickelte Gehäuse. Staub- und wasserfest nach Schutzart IP 68, führt es in der Basisversion zehn GB Ethernet-Schnittstellen über M12-Stecker sowie serielle Datenbusse über einen Fischer-Steckverbinder aus. Über einen Deutsch-Steckverbinder erfolgt die Stromversorgung und die Ausführung von drei CANbus-Strängen.  Eine wesentliche Aufgabe des Gehäuses ist neben dem Schutz der verbauten Elektronik die Wärmeableitung. Die dabei entstehende Abwärme wird in erster Linie über die Grundplatte an das Fahrzeugchassis abgegeben, an die das Gerät geschraubt ist. Ein kleinerer Teil der Abwärme gelangt über Kühlrippen an der Gehäuseoberseite direkt in die Umgebungsluft.

Jörg Stollfuß
„Mit der neuen Autonomous Control Unit auf Basis des SoM-Moduls miriac MPX-LX2160A können wir Herstellern mobiler Arbeitsmaschinen ein einbaufertiges Gesamtsystem für die Automatisierung ihrer Produkte anbieten.“

MicroSys ist es gelungen, die Leistungsaufnahme der voll bestückten Einheit trotz der extrem hohen Verarbeitungsleistung und der Vielfalt an Schnittstellen auf 60 W zu begrenzen. So kommt die Einheit nicht nur ohne bewegliche Teile, sondern auch ohne aktive Kühlung aus. „Die bisherigen Tests bestätigen die hinreichende Kühlwirkung bis zu einer Umgebungstemperatur von mindestens 55 °Celsius“, bestätigt Jörg Stollfuß, Applikationsingenieur  bei MicroSys Electronics. „Mit der neuen Autonomous Control Unit auf Basis des SoM-Moduls miriac MPX-LX2160A können wir Herstellern mobiler Arbeitsmaschinen ein einbaufertiges Gesamtsystem für die Automatisierung ihrer Produkte anbieten.“

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