Mobile CNC Origin von Shaper Tools: Oberfräse 2.0
Die Suche nach Lösungen ist eine Kraft, die viele Menschen antreibt. Im Werkstatt- und Baustellenalltag wird man als Tischler immer wieder mit Problemen konfrontiert, die zeitnah präzise gelöst werden müssen. Ist ein für alle Seiten zufriedenstellendes Ergebnis gefunden, lässt sich dies oft auf ähnliche Situationen übertragen. So wurde auch der Grundstein für die neue Oberfräse „Origin“ des US-amerikanischen Unternehmens Shaper Tools durch die Lösung eines Problems gelegt.
Präzise Ergebnisse gefragt
Im Juni 2011 suchte der leidenschaftliche Tüftler Alec Rivers nach einer Lösung, um die Ecken eines Bilderrahmens präzise zu verbinden. Sein Informatikhintergrund bewegte den späteren Shaper Tools-Mitbegründer zu der Idee, eine neue und präzise Führungstechnik für sein Hobby, die Holzbearbeitung, zu entwickeln. Die Maschinenführung durch die menschliche Hand sollte einfacher in der Handhabung und wesentlich genauer werden. Dabei lag der Fokus auf hochpräzisen Ergebnissen. Diese sollten möglichst während der Bearbeitung elektronisch überwacht und, falls erforderlich, automatisch korrigiert werden. Bereits bei dem ersten Prototyp verschob ein Motor das Werkzeug der Maschine so, dass Führungsfehler ausgeglichen wurden. Solche Führungsfehler können nicht nur durch Unachtsamkeit des Bedieners entstehen, sondern auch durch unterschiedliche Materialeigenschaften. Äste, Verwachsungen, ein schlechter Blick während des Fräsens auf das Fräswerkzeug, Verschiebungen auf dem Werkstück oder das Abstumpfen des Werkzeuges können ebenfalls ursächlich für spätere Toleranzen sein.
Gelöst wurde dies durch eine integrierte Kamera und starke Algorithmen, die die Position der Maschine auf dem Werkstück ständig messen. Nach vielen Tests und Verbesserungen wurde diese Technologie mit einem Rechner und einer Software mit intuitiver Bedienoberfläche verschmolzen, und so konnte im August 2016 in den USA die erste handgeführte CNC-Maschine bestellt werden. Seit Dezember 2018 ist Shaper Tools als eigenständiges Unternehmen in die TTS Gruppe eingegliedert und bereitet sich intensiv auf die Markteinführung der „Origin“ in Europa vor. Die Testmaschine erreichte die Tischler Journal-Redaktion kurz vor dem Jahreswechsel. Seitdem wird sie auf Herz und Nieren getestet.
Ein Tape zur Orientierung
Eine wichtige Grundlage für die CNC-Bearbeitung ist das Koordinatensystem. Die Achsen X, Y und Z sind für jeden ein Begriff, der sich schon einmal dem Thema CNC auseinandergesetzt hat. Auch bei der Origin spielen diese Achsen eine Rolle. Sie sind jedoch beim Fräsen nicht ganz so präsent wie bei einem stationären Bearbeitungszentrum, wo sich die Maschine häufig an den Anlegepunkten, dem sogenannten Werkstücknullpunkt, orientiert. Die Origin orientiert sich mithilfe ihrer Kamera. Diese benötigt jedoch ein präzises Hilfsmittel, um mit ihren Algorithmen exakt arbeiten zu können.
Dazu werden, je nach Werkstückgröße, zwei oder drei Streifen-„ShaperTape“, welches an abgedruckte Dominosteine erinnert, im Sichtbereich der Kamera auf das Werkstück geklebt. Erst dann kann das Werkstück gescannt und eine Fräsung platziert und ausgeführt werden. Zusätzlich kann man mit der Origin auch die Kantenpunkte abtasten. Dazu wird die Funktion „Raster“ aktiviert. Das Rastermaß kann ganz nach Wunsch des Anwenders gewählt werden. Der im Lieferumfang enthaltende Gravierfräser wird mit der Schneide nach oben montiert und dient somit als Taststift. Die Rasterfunktion ist beim späteren Platzieren einer Bearbeitung von Vorteil.
Intuitive Programmierung
Das Programmieren erfolgt sehr intuitiv und ist für jemanden, der schon einmal mit der CNC-Technik in Berührung gekommen ist, vom ersten Moment an nachvollziehbar. Die Icons sind selbsterklärend und überfordern den Anwender nicht. Da man mit der mobilen Origin nicht an Fahrweg und Maschinentischgrößen gebunden ist, können Programmierungen für Werkstücke jeder Größe und Form sehr einfach erstellt werden. Das Programmieren von innen, mittig oder außen liegenden Fräsungen oder das Ausräumen einer Beschlagstasche ist problemlos möglich.
Auch mit dem CAD-Programm gezeichnete Formen lassen sich mit der Origin abarbeiten. Hier muss jedoch darauf geachtet werden, dass die CAD-Software möglichst über einen SVG-Export verfügt. Ist dies mit dem eingesetzten Programm nicht möglich, kann man sich die CAD-Daten auch über ein zusätzliches Softwaretool umrechnen lassen. Im Test stellte sich heraus, dass dabei jedoch die Gefahr besteht, dass abhängig von der eingesetzten Software Maße nicht korrekt übernommen werden und sich kleinere Fehler einschleichen. Hier empfiehlt sich jedenfalls ein Testlauf vor der erstmaligen Ausführung.
Werkzeugwechsel von Hand
Egal, ob über das Origin-Menü oder via CAD mögliche Bearbeitungen und Konturen erstellt werden, die Motordrehzahl und das Ein- und Ausschalten der Frässpindel werden von Hand ganz klassisch vorgenommen. So kann man auch während der Bearbeitung die Drehzahl anpassen, ohne umständlich über das Menü in der Software Einstellungen vorzunehmen. Das Übertragen der SVG-Daten vom Rechner auf die Maschine kann via USB oder mittels Wlan-Verbindung vorgenommen werden.
Der Werkzeugwechsel erfolgt ganz klassisch von Hand. Hierfür entfernt man den Motornetzstecker und löst die Spannschraube der Spindelhalterung. Dann kann der Fräsmotor entnommen und ein Fräser bis zu einem Maximaldurchmesser von 25 mm (Schaft 8 mm) eingesetzt werden. Hier sollte auf stirnschneidende Fräser geachtet werden, da Eintauchfräsen nur mit stirnschneidenden Fräsern möglich ist. Die Werkstückoberfläche bzw. die Frästiefe wird über den Menüpunkt Z-Touch eingemessen. Dazu fährt die Spindel mit dem montierten Fräser bis auf die Werkstückoberfläche und speichert den Kontaktpunkt als Nullpunkt ab.
Fräsen mit Autokorrektur
Das Fräsen entspricht im Prinzip dem Arbeiten mit der Oberfräse. Nach dem Einschalten des Fräsmotors wird die Fräse entsprechend der Monitoranzeige positioniert. Auf Knopfdruck fährt der Fräser auf die gewünschte Frästiefe. Nun fräst man der Anzeige auf dem Display folgend. Egal ob gradlinig, Frästasche oder rund – die Position des Fräsers wird mittels Software überwacht und durch die motorisch drehbar gelagerte Fräseinheit, die die Fräslinie der gewünschten Kontur anpasst, automatisch berichtigt. Weicht der Abstand zwischen Kontur und Fräslinie über den Korrekturradius hinaus ab, wird der Fräsvorgang durch automatisches Zurückziehen der Spindel abgebrochen.
Der maximale Korrekturradius der Origin beträgt 12,7 mm. In diesem Bereich kann auch mit der Funktion „Auto-Vervollständigen“ gearbeitet werden. Sie schließt Fräskonturen auf Knopfdruck und erlaubt sogar das automatische Abfahren von Konturen, die im Bereich des Korrekturradius liegen. Dies kann bei Ecken und kleineren Fräsungen ein großer Vorteil sein.
Wichtiges Zubehör für das Arbeiten mit der Origin ist das sogenannte ShaperTape. Hier werden Rollen mit 45 Laufmetern angeboten. Weiterhin sollte beachtet werden, dass die Einschaltautomatik des Staubsaugers beim Betrieb der Origin nicht genutzt werden kann. Der Fräsmotor arbeitet nur während des Fräsens, während der Rechner jedoch auch beim Vorbereiten der Fräsung benötigt wird. Da Fräsmotor und Rechner über ein Netzkabel versorgt werden, ist das manuelle Einschalten des Staubsaugers erforderlich.
Die ständige Weiterentwicklung gerade im Bereich der Anwendungssoftware der Origin erfordert regelmäßige Updates. Diese werden nach bisherigem Stand etwa ein- bis zweimal im Jahr automatisch installiert. Entweder direkt über Wlan oder per USB-Stick.
Erhältlich ab Frühjahr 2020
Interessenten sollten die Seite www.shapertools.com besuchen. Ausschließlich hier wird man die Origin ab 17. März 2020 ordern können. Unter shapertools.com/europe kann man sich für den Newsletter registrieren, um ein Infomail zum Verkaufsstart der Origin zu erhalten.
Der Verkaufspreis wird bei 2890 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer liegen. Auch das Zubehör, wie etwa das ShaperTape, ist dort zu bekommen.
Fazit
Mit der Origin von Shaper wird das Fräsen mit der Oberfräse digital. Oft als mobile CNC bezeichnet bietet sie mit ihrer Autokorrekturfunktion weit mehr als nur die CNC-Technik im Kleinformat. Vielmehr findet mit dieser neuen Funktion sogar eine Verschmelzung von Handvorschub, CNC-Technik und Robotik in einer Handmaschine statt. Mobil, flexibel und transportabel lassen sich mit der Origin selbst komplexe Fräsaufgaben in der Werkstatt oder auf der Baustelle umsetzen. Wer wissen möchte, wie sich die Origin im Tischleralltag bewährt, der sollte nicht den zweiten Teil der Vorstellungs-Serie in der nächsten Ausgabe verpassen, in dem die Maschine im Werkstatteinsatz vorgestellt wird.