Technik & Praxis

Smarte Verbindungstechniken im Fahrzeug-Leichtbau

16.11.2019

Von: Redaktion Metall
Aktualisiert am 12.08.2021
Beim Leichtbau von Fahrzeugen gilt es, funktionstragende Metallteile mit leichten, hochfesten kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen zu verbinden. Fraunhofer-Forscher haben verschiedene Möglichkeiten für eine solche Verbindung entwickelt.
Laminierhülse mit neuartiger Pinstruktur für formschlüssige Verbindungen.

Egal ob bei Bussen, Autos, Rollern oder Fahrrädern: Die Elektromobilität gilt als Antrieb der Zukunft. In der gegenwärtigen Praxis gibt es allerdings noch einige Herausforderungen, vor allem was die Reichweite der Gefährte betrifft. Um diese zu erweitern, müssen die Fahrzeuge möglichst leicht sein, denn je leichter das Fortbewegungsmittel, desto länger reicht die gespeicherte Energie. Kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe, kurz CFK, sind hier der Werkstoff der Wahl: Sie sind ähnlich stabil wie Stahl, aber rund achtmal leichter und sogar dreimal leichter als Aluminium.
Bislang fertigt man einzelne Komponenten aus CFK, etwa einen Fahrzeugrahmen, und verbindet diese dann über Schrauben und Klebstoffe mit den funktionstragenden Metallteilen. Vereinfacht gesagt: Die Teile, die lange Strecken verbinden und die Lasten übertragen, können aus CFK gefertigt werden, die Funktionsbauteile - etwa Anbindungspunkte für das Lenkrad - bestehen aus Metall.

Enorme Gewichtseinsparungen und geringerer Aufwand

Forscher der Fraunhofer-Einrichtung für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV am Technologiezentrum in Augsburg haben nun verschiedene neuartige Möglichkeiten entwickelt, herkömmliche Gießtechnik-Bauteile mit solchen aus CFK zu verbinden. Neben der tief verankerten Gießereitechnologie bieten moderne Fertigungsverfahren, wie die additive Fertigung bzw. der 3D-Druck, großes Potenzial. "In einem Elektro-Roller haben wir die verschiedenen Verbindungsansätze zusammengeführt. Das Ziel: Wir wollen die mechanischen Anbindungspunkte reduzieren und die Prozessschritte beim Anbinden minimieren", sagt Daniel Günther, zuständiger Projektleiter am Fraunhofer IGCV. "Denn das Potenzial durch eine Kombination von Metall und CFK ist erheblich: Je nach Bauteil lassen sich bis zu 50 Prozent Gewicht einsparen."

Verbindung durch leicht zerlegbare Klemmtechnik

Der Hinterradträger des E-Rollers ist ein Bauteil mit hoher Funktionsdichte und besteht somit aus Metall. Um auch diesen möglichst leicht zu gestalten, hat das Forscherteam ihn aus hochfestem Stahl hergestellt und die Topologie optimiert - es befindet sich also nur an den Stellen Material, wo es für die Funktion erforderlich ist. Zur Herstellung des Bauteils nutzten die Forscher eine additive Fertigungstechnik, bei der die Bauteile durch die Bestrahlung mit einem Laser aus Metallpulver hergestellt werden. Der Hinterradträger ist über eine Verschraubung mit dem Trittbrett aus CFK verbunden: So lässt er sich leicht zerlegen und warten.

Der E-Roller in Mischbauweise mit hybridisiertem Metall- und CFK-Bauteilen.

Geklebtes Hybridbauteil

Der Lenkkopf des Rollers ist ein Hybridbauteil: Das Grundgerippe besteht aus Aluminium-Sandguss, es übernimmt hinten das Trittbrett und vorne die Lenkstange. Dieser Bereich weist eine dichte Funktionalität auf, während dazwischen ein größerer Raum überbrückt werden muss. CFK-Elemente sorgen für die nötige Steifigkeit. Verbunden werden die beiden Materialarten über Klebtechnik. "Als Belastungsgrundlage sind wir von einer hundert Kilogramm schweren Person ausgegangen, die mit dem Roller springt. Mit einem reinen Aluminium-Gussteil würde man hier sehr viel mehr Material verbauen müssen, um die notwendige Steifigkeit hinzubekommen", sagt Günther. Für die Entwicklung des Bauteils analysierten der Ingenieur und sein Team zunächst, welcher Bauraum zur Verfügung steht. Denn je mehr Raum genutzt wird - also je größer der Querschnitt des Bauteils ist - desto besser ist die Biegesteifigkeit. Allerdings muss das Material dann sehr dünn sein, damit das Bauteil nicht zu schwer wird. Dies lässt sich über CFK in Kombination mit Guss lösen. In einem nächsten Schritt errechneten die Wissenschaftler, an welchen Stellen das Bauteil wie stark belastet wird. Die Klebestellen sind genau dort angebracht, wo wenig Belastung auftritt. Die Steifigkeit kommt aus der Formgebung des CFK-Bauteils.

Moderne Verbindungstechnik mit vielen Vorteilen

Die hohe Belastbarkeit und Festigkeit von CFK wird durch die darin enthaltenen Fasern erreicht. Die Herausforderung liegt vor allem darin, die Kraft, die auf das Bauteil einwirkt, in die Fasern zu übertragen. Dazu müssen die Teile aus Metall möglichst gut an die CFK-Bauteile angebunden sein, also ohne Spalten und Hohlräume. Die Forscherinnen und Forscher haben daher eine gänzlich neuartige Verbindungstechnik entwickelt. Um diese zu erklären, ist zunächst ein Schwenk zu den Bauteilen vonnöten. Das zylindrische Verbindungsstück zum Lenker ist über additive Fertigungstechnik aus Stahl hergestellt. Unten hat es eine Platte, quasi eine Art Fuß, an dessen Oberfläche kleine Pins herausstehen. Über diese Fuß-Platte legen die Wissenschaftler die Ausgangsplatten für die CFK, die aus mit Kunstharz ummantelten Fasern bestehen. Nun legen sie Vakuum an und erhöhen die Temperatur. Das Harz umfließt die Kohlenstofffasern, fließt nach unten, schließt die Lücke zur Metallplatte und härtet in dieser Konstellation wie ein Kleber aus. Zum einen klebt das Harz an der Platte, zum anderen werden die hochstehenden Pins von den Fasern umschlossen und festgehalten. Das Ergebnis: Die Bauteile sind formschlüssig und fest miteinander verbunden - gänzlich ohne Schrauben und zusätzliche Klebtechnik. "Das Verfahren lässt sich unkompliziert auf große Serien übertragen, ist schnell und industrietauglich", fasst Günther zusammen.

[Quelle: METALL 11/19]

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