H2-Pipelines
Wasserstoff braucht Rohre
Für Speicherung und Transport von Wasserstoff wird ein hoher Investitionsbedarf notwendig. Hier ist vor allem die Rohrbranche gefordert, die bereits geeignete Technologien und Materialien anbietet. Es ist also – wie man so sagt – schon "eine Menge in der Pipeline".
Europa plant, bis 2050 CO₂-neutral zu sein. Zur Erreichung der Klimaneutralität wird Wasserstoff mitentscheidend sein – und das in mehrfacher Hinsicht. Als Speichermedium könnten mit H2 die bei der Nutzung erneuerbarer Energien üblicherweise auftretenden Schwankungen zwischen Energieproduktion und –Verbrauch ausgeglichen werden. Außerdem könnte die Industrie – beispielsweise die Stahlproduktion – durch die Verwendung von grünem Wasserstoff CO₂-neutral werden. Notwendig ist dahinter allerdings immer eine Infrastruktur aus Rohrleitungen und Anlagentechnik.
Rohrbranche ist H2-bereit
Der sichere Wasserstofftransport wird bei einem regenerativen Energiemix eine zentrale Rolle einnehmen – und die Rohrbranche ist bereits H2-ready. So liefert MannesmannStahlrohre, die für den Transport und die Speicherung ausgelegt sind. Für die H2-Weiterleitung – etwa in Pipelines – wird die Innenoberfläche frei von Oberflächenabsätzen gefertigt. Innere Angriffspunkte für den Wasserstoff werden durch eine Unterschreitung des Phosphor- und Schwefelgehaltes auf ein Minimum beschränkt. Ein weiter abgesenktes Kohlenstoffäquivalent gewährleiste zudem eine hervorragende Schweißbarkeit des Rohrwerkstoffes, betont Mannesmann. Das sichere eine lange Lebensdauer.
Gemeinsam mit Partnern aus der Stahldistribution liefert Benteler Steel/Tube die Benteler Hyresist-Produktfamilie, zu der nahtlose, warmgewalzte Rohre gehören, die die Anforderungen der European Industrial Gases Association (EIGA) an Rohre für Verteilnetze erfüllen. Die Kriterien lauten: wasserstoffkonforme Stahlanalyse, Druckresistenz sowie homogene Struktur. Der Abmessungsbereich der Benteler-Rohrlösung entspricht mit einem Außendurchmesser von 21,3 bis 141,3 mm den aktuellen Vorgaben für Wasserstoffleitungen. Darüber hinaus würden optimierte mechanische Werte und die hohe Reinheit der verwendeten Stahlwerkstoffe einer Wasserstoffversprödung vorbeugen, erklärt das Unternehmen.
Auch der deutsche Spezialrohrhersteller Butting ist bereit für den H2-Rohrmarkt. Mit vakuumisolierten Transferleitungen könnten laut Unternehmen im Vergleich zu konventionell mit Schaum isolierten Rohren Zeit und Ressourcen gespart werden. Der kosteneffiziente Transfer von flüssigem Erdgas und flüssigem Wasserstoff LH2 (LNG) erfordere Leitungssysteme in wesentlich größeren Dimensionen, als dies für andere kryogene Flüssigkeiten der Fall sei. So können kleinere Rohrdurchmesser gewählt werden, wodurch der Materialaufwand reduziert wird. Neben Standardleitungen gehören zur Firmen-Expertise unter anderem Transfersysteme für Trailer (Helium und Wasserstoff), Wasserstoff-Systeme für die Automobilbranche sowie Betankungssysteme für die Luft- und Raumfahrt (Wasserstoff und Sauerstoff).
Wichtige H2-Infrastrukturprojekte in der Pipeline
Wichtig ist es aktuell, mit vorausschauendem Blick zu agieren. So werden in Wolfsburg/D zwei hochmoderne Gaskraftwerke die Energieversorgung des VW-Werks und der Stadt Wolfsburg sichern. Damit sie später auch mit Wasserstoff betrieben werden können, seien beim Bau der Versorgungsleitung schon jetzt H2ready Rohre von Mannesmann Line Pipe zum Einsatz gekommen, heißt es vonseiten der Lieferfirma. Entsprechend dimensioniert seien die knapp 1.900 Rohre mit Einzellängen von bis zu 18 Metern in der Güte L360NE und einen überwiegenden Durchmesser von 406,4 mm. Die Trasse verläuft parallel zu einer bereits bestehenden Leitung und wurde auf einer Länge von neun Kilometern grabenlos und damit schonend verlegt. Hierfür wurden die Rohre zusätzlich mit GFK umwickelt.
Für die Anbindung des LNG-Gasterminals in Brunsbüttel nach Hetlingen liefert die Salzgitter AG-Tochter Mannesmann Grossrohr GmbH (MGR) im Auftrag der Gasunie Deutschland Rohre mit einem Durchmesser von DN 800 für eine Länge von insgesamt etwa 54 Kilometern. Die rund 3.200 Rohre sind so spezifiziert, dass durch die Leitung in Zukunft auch Wasserstoff transportiert werden könne, erklärt MGR. Die Inbetriebnahme ist bis Ende 2023 vorgesehen.
Ein aktuell aufsehenerregendes Bauprojekt ist die Anbindung des LNG-Terminals Wilhelmshaven mit H2-ready Stahlrohren von Mannesmann Line Pipe im Auftrag des Energienetzbetreibers Ewe Netz. Mit rund 16.000 t H2-ready Rohren trägt Mannesmann zum Ausbau der LNG-Infrastruktur im Nordwesten Deutschlands bei. Insgesamt liefert das Unternehmen etwa 4.100 Rohre im Abmessungsbereich DN 600 in den Längen 18 bis 12 Meter. Die Inbetriebnahme der Leitung soll Ende 2023 erfolgen.
Optimierte "Green Steel" Rohre
Für die Herstellung von Rohren für den Wasserstofftransport werden H2-optimierte Stähle für sichere und langlebige Rohrleitungstransportsysteme benötigt, die auch Thyssenkrupp liefert. Der Konzern verfügt neben den niedriglegierten Stahlsorten X42 und X52, die zum Transport von gasförmigem Wasserstoff und Wasserstoffgemischen geeignet sind, über optimierte Werkstoffkonzepte für den Festigkeitsbereich bis X70. Diese Stähle seien laut Thyssenkrupp im Hinblick auf die zu erwartenden Normanforderungen von Längs- und Spiralnahtrohren zum Wasserstofftransport, insbesondere in Bezug auf eingeschränkte Gehalte an Kohlenstoff, Phosphor und Schwefel, optimiert.
Auch die Produktion von Stahl soll – unter Zuhilfenahme von Wasserstoff – klimafreundlicher werden. Thyssenkrupp Steel investiert daher in die Dekarbonisierung seiner Stahlproduktion, womit auch die ökologische Bilanz von Stahlrohren wiederum verbessert wird. Daher beauftragte der Konzern SMS mit dem Engineering, der Lieferung und dem Bau einer wasserstoffbetriebenen Direktreduktionsanlage, zweier Einschmelzer und zugehöriger Nebenaggregate am Standort Duisburg. Es handelt sich um eines der weltweit größten industriellen Dekarbonisierungsprojekte mit einem Auftragsvolumen allein für SMS von über 1,8 Milliarden Euro, die Inbetriebnahme ist für Ende 2026 vorgesehen.
Mit "Salcos" (Salzgitter Low CO2 Steelmaking) strebt Salzgitter gemeinsam mit Partnern aus Wirtschaft und Forschung die Grundlagen für eine nahezu CO2-freie Stahlproduktion an. Zentrale Elemente des Programms sind Strom aus erneuerbaren Quellen und dessen Einsatz in der Produktion von Wasserstoff mittels Elektrolyse. Grüner Wasserstoff solle die Kohle ersetzen, die derzeit im konventionellen Hochofenprozess verwendet werde, erläutert der Konzern. Möglich werde dies mithilfe sogenannter Direktreduktionsanlagen, in denen Eisenerz durch Wasserstoff direkt im festen Zustand zu Eisen reduziert wird. Bei dieser Technologie werde an Stelle von CO₂ Wasserdampf ausgestoßen.
Fazit: Es gibt aber noch viel zu tun: So ist auch Deutschland noch nicht ausreichend auf den Hochlauf einer "Wasserstoff-Wirtschaft" vorbereitet. So lautet das Ergebnis der H2-Bilanz, einer Analyse des Energiekonzerns E.ON zufolge reiche im Hinblick auf das Jahr 2030 weder die deutsche Erzeugungskapazität von grünem Wasserstoff aus, noch könne der deutsche Importbedarf gedeckt werden. Außerdem mangele es – noch - an der Infrastruktur. Die Rohrbranche ist gefordert. [gr]
INFO
Innovationen aus der Rohrbranche werden auf der internationalen Leitmesse "Tube" vom 15. bis 19. April 2024 auf dem Düsseldorfer Messegelände gezeigt.