Wohnraumentwicklung
Stadtentwicklung: Warum warten wir?
Strategien zur Beschleunigung im Wohnbau
Die Vortragenden Experten Roger Riewe, René Ziegler und Georg Eisenberger waren sich einig, es braucht Strategien für die Beschleunigung in den Abläufen. Riewe und Ziegler referierten über Beispiele aus München, Kiel und Wien, wo genau dies gelang. Gefordert wurde zudem mehr Seriosität und Faktenbezogenheit rund um das Thema Leistbares Wohnen. Um dieses Thema ging es auch in der anschließenden Podiumsdiskussion, an der die drei Referent*innen Birgit Leinich, Österreichisches Siedlungswerk, und Gustav Spener, Präsident der Ziviltechnikerkammer für Steiermark und Kärnten teilnahmen.
Expert*innen warnen vor steigenden Wohnkosten
Die Städte wachsen wieder, betonte Riewe und verwies darauf, dass es vor 15 Jahren noch anders aussah. Heute jedoch betrifft dieses Phänomen sämtliche große Städte. Laut der Erhebung des Österreichischen Städtebundes ist Graz eine der am schnellsten wachsenden Städte in Österreich. Die Schaffung neuen Wohnraums ist daher neben der Sanierung und Aktivierung des Bestandes unabdingbar. Die Stadtplanung steht nun vor der Herausforderung bei höheren Ansprüchen an eine qualitätsvolle Innenentwicklung vor allem auch schnell reagieren zu müssen. Und die Vortragenden waren sich einig, hierfür brauche es schnellere Verfahren und weniger Bürokratie.
Auch beim größten gemeinnützigen Wohnbauträger in der Steiermark, der ÖWG Wohnbau (Österreichische Wohnbaugenossenschaft) sieht man diese Herausforderung: „Die Projektentwicklungsphase dauert immer länger und ist zeitlich nicht mehr kalkulierbar. Städtebauliche Verfahren, Wettbewerbe, Umwidmungen und/oder Bebauungspläne erfordern sehr viele Ressourcen. Das alles schlägt sich zeitlich und kostenseitig auf die Wohnungen nieder. Das ist für einen gemeinnützigen Bauträger wie ÖWG Wohnbau kritisch, weil wir unserem gesetzlichen Auftrag der Herstellung von leistbaren Wohnraum so kaum mehr erfüllen können. Wie ein übermäßiger Nachfrageüberhang zu Mietsteigerungen führt, lässt sich an Märkten wie beispielsweise Salzburg oder Innsbruck gut beobachten. Es wäre höchst an der Zeit, diesen Entwicklungen durch Unterstützung des gemeinnützigen Sektors jetzt entgegenzusteuern“, so Hans Schaffer, Vorstandsdirektor von ÖWG Wohnbau.
Herausforderungen durch Verzögerungen bei Bebauungsplänen
„Schnellere Verfahren, weniger Bürokratie und mehr Planungssicherheit – das sind zusammengefasst die Wünsche von ÖWG Wohnbau“, ergänzt Christian Krainer, Vorstandsdirektor von ÖWG Wohnbau und Obmann des GBV Steiermark (Gemeinnützige Bauvereinigungen). Und ergänzt: „Dabei sind gerade die heiß diskutierten Bebauungspläne grundsätzlich positiv zu sehen, denn Sie geben Planungs- und Rechtssicherheit. Jedoch ist zu hinterfragen, welche öffentliche Interessen der Bebauungsplan überhaupt regeln soll. Bei objektiver Betrachtung lässt sich objektiv feststellen, dass gerade in Graz die Bebauungspläne zu lange dauern und aufgrund von Redundanzen zu anderen Materienrechten oder Planungsinstrumenten sowie aufgrund überbordender Regelungsabsichten ausufern. Nicht alles, was aufgrund des Raumordnungsgesetzes theoretisch geregelt werden kann, bedarf auch einer Regelung!“
Im Rahmen der Veranstaltung wurden vor allem die Verzögerungen, die z. B. bei der Erstellung von Bebauungsplänen entstehen, und deren Herausforderungen und Folgen thematisiert. Solche Verzögerungen können tiefgreifende Auswirkungen auf verschiedene Aspekte der Stadtentwicklung haben, darunter Wohnungspreise, Infrastrukturplanung, wirtschaftliche Entwicklung und letzten Endes auch auf die Lebensqualität der Bürger*innen.
Vereinfachungen für mehr Leistbarkeit
„Kostensteigerungen resultieren nicht nur aus den längeren Verfahren, sondern auch aus einer stetigen Verschärfung der Reglementarien. Beispiele dafür sind die Themen Barrierefreiheit oder aber auch energetische Standards im geförderten Wohnbau“, so Krainer. Und meint weiter: „Hier sollte man über eine Entrümpelung nachdenken – gerade dann, wenn die Leistbarkeit wieder in den Vordergrund gestellt werden soll, was ja allgemein das erklärte Ziel ist. In den letzten zehn bis 15 Jahren war dieses Thema nicht so evident, da die Bau- und Finanzierungskosten niedrig waren. Daraus hat sich aber eine regelrechte Spirale des Höherlizitierens der Vorgaben entwickelt. Jetzt beginnen diese hohen Anforderungen zu schmerzen, weil es im Zusammenhang mit den höheren Bau- und Finanzierungskosten für uns als gemeinnütziger Wohnbauträger immer schwieriger wird, dass der Wohnraum, den wir bauen, auch leistbar bleibt.“
Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ist eine der drängendsten sozialen Fragen. Deutschland hat beispielsweise schon unterschiedliche Maßnahmen wie unter anderem den Gebäudetyp „E“ wie „einfach“ umgesetzt, um das Bauen einfacher, schneller und günstiger zu machen. „Wenn wir vom Bestand, Nachverdichten und Sanieren sprechen, dann haben wir aktuell das Problem, dass auch sanierte Gebäude den gleichen Standards entsprechen müssen wie Neubauten. Und das ist gerade in den Bereichen Barrierefreiheit und Energie nicht mit vertretbaren Kosten zu realisieren, was dann dazu führt, dass die Gebäude doch eher abgerissen als saniert werden. Wenn wir mehr mit dem Bestand arbeiten wollen – also weniger Bodenversiegelung, mehr Nachverdichtung, mehr Sanierung – dann müssen gewisse Standards in der Wohnbauförderung und in bautechnischer Hinsicht zurückgefahren werden. Und gemeinnützige Wohnbauträger haben noch mehr Vorgaben als gewerbliche Bauträger“, so Schaffer.
Dichte und Qualität als Schlüssel zur nachhaltigen Stadtentwicklung
„Wenn wir gefördert bauen, dann müssen wir alle Vorgaben der Förderung einhalten. Je mehr Auflagen wir bekommen desto teurer werden die Wohnungen, weil wir aufgrund der Gemeinnützigkeit und des Kostendeckungsprinzips alles, was wir an Projektkosten haben, den Mieter*innen weitergeben müssen“, so Krainer abschließend.
Ein weiterer Apell von ÖWG Wohnbau: Wenn Innenentwicklung mit hoher Qualität und weniger Bodenverbrauch stattfinden soll, muss man offen über Dichte sprechen. Und Dichte ist nicht nur zu verstehen als Bruttogeschossfläche in Relation zu Bauland. Vielmehr ist es zu verstehen als die Anzahl von Menschen, die es braucht, damit z.B. urbanes Flair entsteht oder Infrastrukturen wie Parks oder Straßenbahnen wirtschaftlich unterhalten werden können.
In der Seifenfabrik wurde besprochen, wie all das gelingen kann. Tenor: Es braucht einen konstruktiven Dialog und mehr Kommunikation auf Augenhöhe. Vor allem zwischen jenen, die öffentliche Interessen in Planungsvorgaben gießen, und jenen, die das wirtschaftliche Risiko eingehen, den dringend benötigten Wohnraum tatsächlich herzustellen. Denn es geht um ein gemeinsames Ziel. Um eine lebenswerte Stadt.
Und in einem Punkt waren sich alle einig: „Stadtentwicklung – warum warten wir?“