Heizung und Energie

Neue Speichertechnologien als ­Gamechanger?

Energiespeicher
12.08.2024

Hochleistungsfähige Energiespeicher sind unverzichtbar, um erneuerbare Energiequellen zu unterstützen, lokale Netze zu stabilisieren und die Energiekosten zu senken. Für das SHK Gewerbe bietet sich langfristig eine spannende Geschäftschance.
PV Anlage
Für den Umstieg auf eine nachhaltige Energiewirtschaft braucht Österreich eine wohldurchdachte Kombination aus PV-Gebäude- und Flächenanlagen.

Die Energiewirtschaft befindet sich weltweit im Umbruch. Eine ganz wesentliche Rolle kommt hier der Photovoltaik zu, die laut einer Prognose der International Energy Agency (IEA) bereits im Jahr 2026 Erdgas und Kohle als bislang größte Stromerzeuger ablösen wird. Aber auch Speicher, Elektromobilität und vernetzte Energielösungen sind entscheidend für das Gelingen des Umstiegs auf eine nachhaltige Energiewirtschaft. „Derzeit entfällt die 20-prozentige Mehrwertsteuer für Photovoltaik-Anlagen bis 35 Kilowattpeak (kWp) und die Branche verfügt über volle Lager sowie qualifiziertes Fachpersonal“, informiert Vera Immitzer, Geschäftsführerin von PV Austria. Zudem habe sich auch die Wartezeit für die Installation einer PV-Dachanlage gegenüber dem Vorjahr verkürzt und liege aktuell bei durchschnittlich drei Monaten.

Speicher als Rückgrat

Da der solare Ertrag aber je nach Wetterlage und Jahreszeit stark schwankt, haben sich Batteriespeichersysteme auf Lithium-Ionen-Basis höchst erfolgreich zum Rückgrat einer klimaneutralen Energieversorgung entwickelt. Den selbst produzierten Sonnenstrom jederzeit nutzen zu können, wann immer man ihn braucht, ermöglichen heute handelsübliche PV-Komplettanlagen inklusive stationären Kurzzeitspeichern. Diese bestehen meist aus Lithium-Ionen-Batterien, deren weltweite Popularität aus ihrer hohen Energiedichte, langen Lebensdauer und relativen Sicherheit resultiert. Darüber hinaus wachsen moderne Wechselrichter flexibel mit den Anforderungen und weisen eine höhere Skalierbarkeit auf – vom Laden von Batterien oder E-Fahrzeugen mit überschüssigem Solarstrom bis hin zum Betrieb von Wärmepumpen.

Batterieforschung 2.0

DI Vera Immitzer
Sieht mit der Umsatzsteuerbefreiung für Photovoltaikanlagen den Weg zum eigenen Sonnenstrom deutlich vereinfacht und verkürzt: PV Austria-Geschäftsführerin Vera Immitzer

Neben bekannten Marken wie Tesla mit seinem Produkt Powerwall, BYD oder Alpha ESS mit seiner Storion-Serie mischen deutsche Batteriehersteller wie Solarwatt oder Akasol ebenso mit am boomenden PV-Markt wie Fronius Solar Energy als heimischer Solarpionier mit seinen PV-Komplettlösungen. Doch inzwischen wird mit dem Ziel, die Abhängigkeit von Lithium zu reduzieren, intensiv an neuen Alternativen geforscht. So gilt die Entwicklung von Lithium-Festkörperbatterien (ASSB) als nächster großer Meilenstein in der Lithium-Ionen-Technologie. Im Vergleich zu konventionellen Lithium-Ionen-Batterien wird der flüssige Elektrolyt dabei durch einen ionenleitenden Feststoff ersetzt. Durch den Einsatz dieser Festelektrolyte in Kombination mit Lithium-Metall-Anoden ergeben sich Vorteile wie eine höhere Energiedichte und eine erhöhte Betriebssicherheit. Außerdem gewinnt die Natrium-Ionen-Technologie immer mehr an Bedeutung.
Die längere Speicherzeit, geringere Kosten sowie die aktuelle Lage der Lieferketten in anderen Bereichen machen diese Technologie immer attraktiver, da sie ohne Kobalt, Nickel und Lithium auskommt.

Hybride Energiespeichersysteme

Für ein transformiertes Energiesystem der Zukunft ist die strategische Ausnutzung von Synergien zwischen individuellen Speichertechnologien unerlässlich. Das funktioniert beispielsweise perfekt mit Modulen, welche Photovoltaik- und Solarthermie-Technologien kombinieren. Weil hybride PVT-Kollektoren sowohl elektrische als auch thermische Energie liefern, würden diese auch in Kombination mit einer Wärmepumpe zur CO2-armen Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser effizient beitragen, erklärt Korbinian Kramer, Projektleiter beim Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme: „Bislang kamen fast ausschließlich Erdwärme oder Außenluft als Wärmequelle für Wärmepumpen im Gebäudesektor in Frage. Weil im Sanierungsbereich diese beiden herkömmlichen Wärmequellen oft nicht erschlossen werden können, bietet der Einsatz von PVT-Kollektoren die Chance, diese Gebäude dennoch mit einer Wärmepumpen-Heizungsanlage ausstatten zu können.“ Unbestritten ist, dass auf die Erzeugung und Speicherung von Wärme heute knapp die Hälfte des Gesamt-Energieverbrauchs entfällt. Einen laut Fachleuten nicht zu unterschätzenden Puffer zwischen Erzeugern und Verbrauchern bilden deshalb thermische Energiespeicher. Die sogenannte „sensible“ Wärmespeicherung, zu der auch die Speicherung im Gebäude, in der Erdoberfläche oder im Untergrund gehört, wird im Gebäudebereich häufig als Warmwasserspeicher eingesetzt – etwa als „Design-Add-on“ zur Reduktion der Spitzenleistung und zur Unterstützung von Wärmepumpen. Auch bei Fern- oder Nahwärme seien thermische Netze, Wärmepumpen und Speicher „in welcher Form auch immer“ gut kombinierbar, bestätigt Thomas Fleckl, Leiter der Abteilung Sustainable Thermal Energy Systems am Austrian Institute of Technology (AIT).

Gebäude
Das Unternehmen Josef Küpper Söhne GmbH aus Meckenheim bei Bonn ist die bundesweit erste Gewerbeimmobilie, die mit dem kaskadierten HPS-Wasserstoffspeicher versorgt wird.

Forschung und Praxis zusammenbringen

Zeitgleich wird seit Anfang 2024 und dank großzügiger EU-Förderungen in Höhe von rund zehn Millionen Euro im Projekt „Treasure“ an der Entwicklung und Demonstration von großen unterirdischen Wärmespeichern geforscht, die die Nutzung erneuerbarer Energien zur Beheizung von Wohnvierteln und Industrien vorantreiben sollen. Im Mittelpunkt von „Treasure“ stehen Aufbau und Demonstration von sieben Erdbeckenwärmespeichern in fünf Ländern – Österreich, Frankreich, Deutschland, Polen und Serbien. In Wien ist dazu die Wien Energie als größter Energieversorger Österreichs mit der Errichtung einen solchen Speichers betraut, der als Tankspeicher mit einem Volumen von rund 40.000 Kubikmeter im 22. Wiener Gemeindebezirk ausgeführt werden soll.

E-Autos für mehr Netzstabilität?

Bei der zentralen Frage, wie sich erneuerbare Energien speichern lassen, sehen viele Experten in Elektroautos einen weiteren potenziellen Speicher für Überschussstrom. „Innerhalb des Batteriespeichermarkts liegt die Elektromobilität klar vorne. Deswegen ergibt sich gerade durch die vielen Elektrofahrzeuge ein gewaltiges Potenzial an Batteriekapazitäten, um das Energiesystem im sogenannten bidirektionalen Vehicle-to-Grid-Betrieb zu stützen“, sagt Batterie-Experte Jan Figgener von der RWTH Aachen und meint damit die Möglichkeit, Strom aus den Akkus von Elektrofahrzeugen bedarfsweise wieder zurück ins öffentliche Netz zu speisen. „Das Besondere an dieser Form der Systemstabilisierung ist, dass die Investitionen von einer großen dezentralen Kundschaft ohnehin getätigt werden. Gleichzeitig kann eine Doppelnutzung der Fahrzeuge die Gesamtenergiesystemkosten erheblich senken – und das quasi ohne die Lebensdauer der Fahrzeugbatterien zu verkürzen. Technisch ist dies bereits möglich und nun gilt es, die passende Regulatorik zu schaffen.“

Grüner Wasserstoff als ­Energiespeicher

Viel Hoffnung setzen Forscher derzeit in Wasserstoff als probates Langzeitspeicher-Medium für Energie, auch wenn es bei seiner Erzeugung aus elektrischem Strom zu nicht unbedeutenden Verlusten kommt.
Er kann im Gegensatz zu Batterien über Jahre hinweg gespeichert, bei Bedarf verstromt oder in einer Vielzahl von industriellen Anwendungen genutzt werden. Um der fossilen Welt den Rücken kehren zu können, muss Wasserstoff jedoch „grün“ werden, was derzeit vor allem durch Elektrolyse (elektrische Aufspaltung) von Wasser mit Strom aus erneuerbaren Quellen wie Wind- oder Sonnenenergie passiert. Noch sind diese und ähnliche Technologien aber nicht ausgereift, was die wirtschaftliche Produktion von Wasserstoff zur Herausforderung macht. Doch inzwischen existieren reale Vorzeigeprojekte, welche die derzeitigen technischen Möglichkeiten einem großen Kundenkreis in der Praxis nahebringen. 

Erstes Solar-Wasserstoff- System in Bonn

Jan Figgener
Beim bidirektionalen Laden soll der Strom sowohl ins E-Auto als auch ins öffentliche Netz fließen: Batterieexperte Jan Figgener von der RWTH Aachen.

Kombiniert mit einem von der Berliner HPS Home Power Solutions AG hergestellten Wasserstoff-Stromspeicher versorgt seit 2023 eine Photovoltaikanlage eine Gewerbeimmobilie in Meckenheim bei Bonn ganzjährig und komplett CO2-frei mit Strom und Wärme. „Unser Speicher wird mit den Überschüssen einer 98 Kilowatt-Peak (kWp) großen Photovoltaikanlage, die sich sowohl auf dem Dach als auch an der Fassade des Gebäudes befindet, aufgeladen. Damit ist das Gebäude dank erneuerbarer Energie vollständig autark“, erzählt CEO Matthias Holder und geht gleich noch mehr ins Detail: „Die bei der Umwandlung von Wasserstoff entstehende Wärme wird von zwei Wärmepumpen genutzt. Angetrieben werden diese mit der rückverstromten Energie, die im Laufe des Sommers in Form von Wasserstoff in Flaschenpaketen zwischengespeichert wird.“ 
Um ein möglichst nachhaltiges Energiesystem aufzubauen, bedarf es neben der Interaktion zwischen den einzelnen Komponenten vor allem einer reibungslosen Zusammenarbeit zwischen E-Handwerksbetrieben, Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik (SHK) sowie weiteren Gewerken. Gleichzeitig eröffnen sich durch die zunehmende Sektorkopplung zwischen PV-Anlagen, Speichern, E-Ladeinfrastruktur und Wärmepumpen neue Geschäftsmöglichkeiten, die es zu bedienen gilt.

Energiespeichersysteme im Überblick 

Unabhängig vom Anteil der erneuerbaren Energien kommt heute kein Energiesystem mehr ohne Speicher aus. Wenn die wetterabhängigen volatilen Quellen Sonne und Wind einen Großteil der Versorgung übernehmen, braucht es daher möglichst flexible Energiespeicher, um die notwendige Brücke zwischen erneuerbarer Stromerzeugung, Wärmeversorgung und Mobilität zu bauen.
Die wichtigsten Technologien, um Energie aus volatilen erneuerbaren Quellen zu speichern, sind 

  • Mechanische Speicher (z.B. Pumpspeicher und Co.)
  • Chemische Speicher (z.B. Wasserstoff)
  • Elektrochemische Speicher (z.B. Batterien) 
  • Thermische Speicher (z.B. Warmwasserspeicher). 

Da jeder Bereich seine Stärken und Schwächen hat, sind – je nach Anwendung – unterschiedliche Kombinationen sinnvoll.

Branchen
Haustechnik