Forschung & Entwicklung

Bauteilaktivierung in der Sanierung

Bauteilaktivierung
22.06.2024

Im Projekt SüdSan werden zwei Mehrfamilienhäuser der Südtiroler-Siedlung in Bludenz saniert und dabei die energetisch und wirtschaftlich sinnvollste Lösung bestimmt. Dabei wird eine Wandheizungsvariante mit einer Lösung mit Niedertemperaturheizkörpern verglichen.
Bauteilaktivierung in der Sanierung
Die Süddächer der Gebäude sind vollflächig mit PV belegt.

Die Südtiroler-Siedlung in Bludenz wurde in den Jahren 1943 bis 1956 errichtet. Die 397 Wohnungen beherbergen derzeit rund 700 Bewohner auf 77 Stiegen. Bisher wurden alle Gebäude mit dezentralen Einzelöfen beheizt, das Warmwasser mit Elektroboilern erzeugt.
Im Rahmen des FFG-Forschungsprojektes SüdSan wird derzeit die Sanierung von zwei repräsentativen Mustergebäuden aus den 40er und 50er Jahren in der Bludenzer Siedlung begleitet. Das Energieinstitut Vorarlberg ist der Projektinitiator zusammen mit der Alpenländischen Gemeinnützige Wohnbau GmbH. Towern 3000 kam im Zuge der Integration der Wandheizung mit ins Projektteam.  Im Rahmen des letzten Energy Talk präsentierte Tobias Hatt vom Energieinstitut Vorarlberg erste Ergebnisse und Erkenntnisse.
Beide Gebäude wurden in bewohntem Zustand energetisch und ökologisch hochwertig saniert. Zu Forschungszwecken wurden jeweils unterschiedliche Hüllkonstruktionen, Lüftungs- und Wärmeversorgungskonzepte sowie Photovoltaikanlagen eingesetzt. Beide Gebäude werden als klimaaktiv deklariert.

Gebäudesanierung
Im Projekt SüdSan werden zwei Mehrfamilienhäuser der Südtiroler-Siedlung Bludenz saniert und dabei die energetisch und wirtschaftlich beste Lösung bestimmt.

Besonderheiten der Gebäudesanierungen:

  • Wandheizung: Beheizung eines Gebäudes über die Bauteilaktivierung der Bestandswand von außen
  • Dämmung der Gebäudehülle mit ökologischen Konstruktionen
  • Zentrale Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung, Leitungsführung in der Dämmebene der Außenwände
  • Hochwertige Luft- und Erdreich-Wärmepumpen
  • Vollflächige PV-Anlagen auf den Satteldächern
  • Zusätzliche Wohnfläche in den Dachgeschoßen

Eine Besonderheit des Projektes ist die neuartige Wandheizung, die erstmals in der Sanierung im Wohnbau als alleiniges Wärmeabgabesystem eingesetzt wird. Das größere der beiden Gebäude zwölf Wohneinheiten wurde damit ausgestattet, während zu Vergleichszwecken im kleineren mit sechs Wohnungen Niedertemperaturheizkörper installiert wurden.
Ein Vorteil der Außenwandheizung ist die störungsarme Nachrüstung im Bestand ohne bauliche Maßnahmen oder Platzbedarf im Innenraum. Damit ist die Technik besonders für die Sanierung von Gebäuden geeignet, die bisher kein wassergeführtes Wärmeabgabesystem hatten. Für die thermische Bauteilaktivierung sprechen außerdem die geringen Vorlauftemperaturen, und die Möglichkeit zur Wärmespeicherung, bzw. Kühlung. Ein Nachteil ist die Trägheit des Systems, bei schnellen Änderungen ist es schwer regelbar.

Funktionsweise der Außenwandtemperierung

Zur thermischen Aktivierung werden die massiven Außenwände von außen mit hydraulischen Heizschlangen versehen und anschließend sehr gut gedämmt, um die Wärmeverluste des Flächenheizsystems nach außen zu minimieren.

Bauteilaktivierung Detail
Bauteilaktivierung Außenwand: Belegung mit System CEPA mit 12,5 cm Verlegeabstand und Wärmeleitblechen auf Putz.

Die einzelnen Heizkreise werden auf der Außenwand raumbezogen montiert. Die Regelung erfolgt über Einzelraumregler, welche ähnlich wie bei einer Fußbodenheizung den Heizkreis für den jeweiligen Raum individuell öffnen oder schließen. Der Durchfluss wird pro Kreis mit hydraulischem Ableich getrennt eingestellt. Anders als bei einer Fußbodenheizung, bei der die Wärmeabgabefläche (Fußboden) linear zur Raumgröße zunimmt, hängt das Verhältnis Wärmeabgabefläche (Außenwand) zur Raumgröße von verschiedenen Faktoren wie Anzahl der Außenwände, Raumgeometrie, Raumhöhe und Fensterflächen ab. Die Vorlauftemperatur variiert in Abhängigkeit zur Außenlufttemperatur. Sie hängt zudem von der Regelung, der zulässigen Trägheit des Systems und des akzeptierten Komfortbereichs ab.
Leistungsmindernd wirken sich bei einer Wandheizung verbaute Innenwände, z.B. in Bädern, Leitungen in Vorsatzschale, in Küchen installierte Küchenzeilen und Kühlschränke aus.
In fast allen Räumen wurde die Wandheizung als alleiniges Heizelement eingesetzt. In den Bädern und im Erdgeschoss wurden zusätzliche Infrarotpaneele geplant, aber nicht ausgeführt.

Bauteilaktivierung
Holzkonstruktion und Dämmung.

Die ersten Ergebnisse des neuen Systems sind vielversprechend. Durch die Einzelraumregelung pendeln sich die Temperaturen zwischen 21,5 °C und 22,5 °C ein, wobei vor allem in den Südräumen ein leichtes Überschwingen bis über 23 °C zu erkennen ist. Die Temperaturen sind allerdings nicht so konstant wie bei einem sehr flinken Heizsystem (Heizkörper).

Gegenüberstellung Wandheizung/Heizkörper

Tobias Hatt bringt die Vorteile des innovativen Wandheizungssystem, mit dem auch die Raumkühlung ermöglicht werden könnte, auf den Punkt:

  • kein Eingriff in den Wohnungen notwendig
  • Einspeichern von Überschussstrom mit WP
  • Mit vorgefertigter Fassade schneller Bauablauf
  • Kein Platzbedarf in den Wohnungen

Als Nachteile führt er an:

  • Schlechtere Regelbarkeit durch Trägheit (auch bei Einzelraumregler)
  • Höherer Wärmebedarf und dadurch höherer Strombedarf
  • Bauliche Umsetzung komplex, da noch kein Standardprodukt
  • Großflächige Möblierung von Außenwänden ist eingeschränkt

Zu welchem Fazit kommt Tobias Hatt bei der Bewertung der Niedertemperaturheizkörper, die zu Vergleichszwecken im kleineren der beiden Gebäude im Projekt SüdSan installiert wurden? Es handelt sich dabei um ein einfaches und bewährtes System in der Bauausführung. Dank der Einzelraumregelungen ist die Temperatur in den Räumen individuell anpassbar. Ein Nachteil ist, dass ein Eingriff in den Wohnungen nötig ist und für die Heizkörper entsprechender Platz vorhanden sein muss. Kühlung ist nicht signifikant möglich.
Zu den Kosten der Außenwandheizung konnte Tobias Hatt bei seinem Vortrag noch keine abschließende Aussage tätigen. Er empfahl allen Interessierten im Vorfeld eines Projektes eine Simulation erstellen zu lassen, solange die Technik noch kein Standard ist. Und: da bei der Ausführung die verschiedensten Gewerke zusammenspielen, daher entsprechend viele Schnittstellen entstehen, ist die Zusammenstellung eines perfekten Teams essentiell.

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Haustechnik