Theater an der Wien

Die Sanierung eines Juwels

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10.01.2025

Nach zweieinhalb Jahren Bauzeit erstrahlt das generalsanierte „Theater an der Wien“ in neuem Glanz. Die Sanierung des über 200 Jahre alten, denkmalgeschützten Gebäudes stellte dabei alle Gewerke vor große Herausforderungen – und bot so manche Überraschungen.
Drohnenaufnahme vom Theater an der Wien während der Bauarbeiten
Drohnenaufnahme vom Theater an der Wien während der Bauarbeiten

"Die erfolgreiche Generalsanierung hat die Aura des im Geiste Mozarts 1801 errichteten Theaters am Wienfluss weder übertüncht noch verfälscht, sondern erst freigelegt", lobt Intendant Stefan Herheim die behutsame Neugestaltung seines geschichtsträchtigen Hauses. Dort erwartet die Besucher*innen am 18. Jänner 2025 mit der Operette „Das Spitzentuch der Königin“ von Jubilar Johann Strauss die Neuauflage des zuletzt vor 145 Jahren uraufgeführten Bühnenwerks, mit dem die neueste Ära des Musiktheaters an der Wien gemeinsam mit dem Wiener Kammerorchester und dem Arnold Schoenberg Chor eingeläutet wird. Bereits im Frühjahr 2022 fiel der Startschuss zur dringend notwendigen Generalsanierung und Modernisierung des ältesten Opernhauses der Stadt, um auch für die nächsten Generationen einen modernen Spielbetrieb dauerhaft garantieren zu können. „Unser wichtigstes Ziel war es, dieses historische Gebäude nicht nur baulich, sondern auch funktional und gestalterisch auf ein zeitgemäßes Niveau zu heben“, erzählt Architekt Daniel Bammer, der die größte Herausforderung darin sieht, „die denkmalgeschützte Bausubstanz mit den Anforderungen eines modernen Theaterbetriebs zu verbinden und gleichzeitig kreative und schnelle Lösungen zu finden, ohne den vorgegebenen Projektzeitplan zu gefährden.“

Innenraum Theater an der Wien
Nach der umfassenden Generalsanierung präsentiert sich auch die Bühne in neuer raumakustischer Perfektion

An bautechnischen Hürden mangelte es nicht

Architektin Franziska Graber, die seit 2019 im Bauprojektmanagement der WIP (Wiener Infrastruktur Projekt GmbH) tätig ist und ein Jahr später zur Leiterin dieses Mammutprojektes ernannt wurde, beschreibt die realen Bedingungen beim Projektstart so: „Es gab tatsächlich viele bautechnische Überraschungen, mit denen wir in diesen zweieinhalb Jahren intensiver Arbeit konfrontiert waren. Einmal haben wir sogar eine unbekannte Treppe hinter einer Wand entdeckt, da die historischen Gebäudepläne oft sehr dürftig oder gar nicht vorhanden waren.“ Dass hier über die Jahrhunderte sehr viele verschiedene Baumaterialien und Bautechniken zum Einsatz gekommen sind, machte das ganze Vorhaben nicht weniger komplex: „Wir haben zum Beispiel festgestellt, dass die untersten Teile der tragenden Pfeiler im Bühnenfundament aus Holz oder aus übereinander aufgeschichteten Steinen gefertigt waren. Starke und nicht definierbare Wassereinträge aus den Außen- bzw. Zwischenwänden stellten im Untergeschoß ebenfalls eine große Herausforderung dar.“ Auch die Neugestaltung der denkmalgeschützten Eingangs- und Foyerbereiche aus den 1960er-Jahren erwies sich laut Graber als durchaus heikle Mission. „Besonders bei den im Boden eingearbeiteten Mosaikflächen, den wunderschönen Deckenleuchten der Firma Bakalowits oder bei der Restaurierung des imposanten Deckenfreskos im historischen Theatersaal mussten wir uns laufend mit dem Bundesdenkmalamt abstimmen.“

Innenraum Theater an der Wien
Neugestaltung der denkmalgeschützten Foyerbereiche aus den 1960er-Jahren mit wunderschönen Boden-Mosaikflächen

Höchste Standards an Sicherheit und Komfort umgesetzt

Das Theater an der Wien ist eine von drei großen Spielstätten der Vereinigten Bühnen Wien (VBW), die zur Wien Holding gehören. Schon seit den 1960er-Jahren war dieses Gebäude – einstige Wirkungsstätte von Geistesgrößen wie Schikaneder, Beethoven, Offenbach, Nestroy, Strauss und Lehár – nicht mehr grundlegend saniert worden. Zu den wichtigsten Maßnahmen der Modernisierung des historischen Theaters zählten daher vor allem die Sanierung der Fassadenflächen, Trockenlegungsarbeiten, eine dringend notwendige sicherheits- und brandschutztechnische Sanierung, eine komplette Erneuerung der Elektrotechnik, der Heizungs- und Lüftungsanlage sowie der Kalt- und Warmwasserinstallationen, die Modernisierung der gesamten Bühnen- und Veranstaltungstechnik, die Verstärkung der Statik des Schnürbodens, die Errichtung einer Aufzugsanlage zur Barrierefreiheit, eine Attraktivierung des Publikumserlebnisses in den Foyers und Pausenräumen inklusive Errichtung einer neuen Besucherterrasse sowie die Sanierung des Theatersaals unter Berücksichtigung denkmalpflegerischer Aspekte. Im ersten Obergeschoss wurde zudem ein neues Foyer – der sog. „Himmel“ – geschaffen, das sowohl funktional als auch gestalterisch einen echten Mehrwert für das Publikum bildet. Dazu wurde eine bestehende Bürofläche und der ehemalige Innenhof des Gebäudes integriert, um einen großzügigen Außenbereich mit direkter Sichtachse zum Naschmarkt realisieren zu können.

Eingangsbereich des Theater an der Wien und neue Besucherterrasse
Eingangsbereich und neue Besucherterrasse mit direkter Sichtachse zum Naschmarkt  

Akustische Optimierung für ein perfektes Hörerlebnis

Eine gute Akustik stellt gerade bei Kulturbauten sicher, dass sich der Klang möglichst gleichmäßig im Raum verteilt. „Deshalb haben wir auch die alten Stühle neu gepolstert und behalten, weil sie raumakustisch einfach perfekt sind“, sagt Franziska Graber. Gemeinsam mit dem Akustikexperten Karlheinz Müller wurden im Zuge der Sanierung umfangreiche Messungen und Simulationen durchgeführt, um die vorhandenen Eigenschaften genau zu analysieren. „Kleine Änderungen wurden nur dann vorgenommen, wenn sie nachweislich einen raumakustischen Vorteil brachten. Beispielsweise haben wir im direkt vor der Bühne gelegenen Teil des Zuschauerraums den ursprünglichen Teppich durch Parkettböden ersetzt, um die Schallreflexion zu verbessern.“ Hingegen musste der gesamte Hinterbühnenbereich einschließlich Bühnentechnik, Personalräume und logistische Abläufe umfassend erneuert werden. Graber: „Ich bin wirklich stolz darauf, dass wir es geschafft haben, historische Elemente wie die originale Zylinderdrehbühne zu erhalten und gleichzeitig den aktuellen Sicherheits- und Funktionsstandards anzupassen.“
Die offizielle Wiedereröffnung des Theaters mit vorerst konzertantem Betrieb erfolgte am 12. Oktober 2024 mit einem feierlichen Festakt, gefolgt von einer (konzertanten) Aufführung von Mozarts „Idomeneo“ unter der Leitung von David Bates und weiterer Opern – u.a. Schumanns „Das Paradies und die Peri“ und zwei Werke von Händel – „Rodelinda“ und „Alcina“. Im neuen Jahr startet der uneingeschränkte, szenische Betrieb: „Ab jetzt ist es wieder möglich, dieses geschichtsträchtige Haus mit aktuellen Musiktheaterproduktionen auf höchstem Niveau nach dem Stagione-Prinzip bespielen zu dürfen, freut sich Franz Patay, Geschäftsführer der Vereinigten Bühnen Wien, über die erfolgreiche Generalsanierung eines wesentlichen Kulturdenkmals der Stadt Wien.

​​​​​​​Generalsanierung „Theater an der Wien (TAW)"

Standort: Linke Wienzeile 6, 1060 Wien

Bauherr: Wien Holding / Vereinigte Bühnen Wien (VBW)

Zeitraum: Frühjahr 2022 – Herbst 2024

Kosten: Ca. 81 Mio. Euro

Bauprojektmanagement: WIP Wiener Infrastruktur Projekt GmbH

Generalplanung: ARGE L-Bau-Engineering / Riepl Kaufmann Bammer Architektur

Sanierungsmaßnahmen:

  • Erneuerung der gesamten technischen Gebäudeausstattung
  • Erneuerung der Elektrotechnik, Heizungs- und Lüftungsanlagen sowie der Kalt- und Warmwasserinstallationen
  • Erneuerung der Sicherheits- und Brandschutztechnik
  • Erneuerung der gesamten Bühnen- und Veranstaltungstechnik (Theatersaal)
  • Verstärkung der Statik des Schnürbodens (Bühnenbereich)
  • Fundamentierungs- und Trockenlegungsarbeiten (Orchestergraben)
  • Neuaufteilung und Erweiterung des Foyers und der Pausenräume
  • Errichtung einer barrierefreien Aufzugsanlage
  • Errichtung einer neuen Besucherterrasse zum Naschmarkt
  • Sanierung der Fassaden-, Fenster- und Dachflächen
  • Optimierung der Flächennutzung (Kantinenbetrieb)
  • Einrichtung einer verkehrsberuhigten Zone in der Millöckergasse