Theater an der Wien

Ein Blick hinter die Kulissen der Sanierung

Sanierung
10.01.2025

Das Theater an der Wien zählt zu den bedeutendsten Kulturstätten Wiens. Nach Jahrzehnten des Betriebs war eine umfassende Sanierung unumgänglich. Architekt Daniel Bammer gibt im Interview Einblicke in die Herausforderungen, Überraschungen und Erfolge dieses einzigartigen Projekts.
Eingangsbereich des Theater an der Wien und neue Besucherterrasse
Eingangsbereich und neue Besucherterrasse mit direkter Sichtachse zum Naschmarkt  

Architektur und Bau FORUM: Herr Bammer, Sie haben das Theater an der Wien, eines der ältesten und renommiertesten Theatergebäude Wiens, umfassend saniert. Mit wie viel Ehrfurcht und Respekt sind Sie an diese anspruchsvolle Aufgabe herangegangen?

Daniel Bammer: Wie bei jedem unserer Projekte war der Respekt vor der Bauaufgabe zentral. Insbesondere bei einem so ehrwürdigen Gebäude wie dem Theater an der Wien war es uns wichtig, die historische Substanz und Bedeutung zu verstehen. Wir haben uns intensiv eingelesen und gemeinsam mit einem erfahrenen Team eine umfassende Analyse des Gebäudes durchgeführt. Ziel war es nicht nur, technische Standards zu modernisieren, sondern auch Potenziale für die Architektur und die Nutzung auszuloten.

Daniel Bammer
Legte mit großem Respekt Hand an das traditionelle Theater an der Wien: Architekt Daniel Bammer

Was waren die konkreten Vorgaben bei diesem Projekt? Gab es Gestaltungsspielräume für Sie?
Der Fokus lag zunächst auf der technischen und sicherheitstechnischen Sanierung: Brandschutz, Haustechnik und Sicherheitsstandards mussten auf den neuesten Stand gebracht werden. Darüber hinaus war es unser Ziel, das Theater für die Zukunft zu rüsten, etwa durch zusätzliche Flächen und eine verbesserte Besucherführung. Schon beim ersten Besuch fiel uns auf, dass es an Bewegungsflächen mangelte, vor allem im Eingangsbereich und bei den Garderoben. Diese Erkenntnisse flossen in unseren Entwurf ein.

Wie war der Zustand des Theaters vor der Sanierung? Gab es gravierende Mängel?
Ja, das kann man durchaus so sagen. Seit den 1960er-Jahren war das Gebäude nicht mehr grundlegend saniert worden. Zwar gab es vereinzelt kleinere Eingriffe, doch der Gesamtzustand war stark sanierungsbedürftig. Die Baubehörde hatte bereits angedeutet, dass der Betrieb des Hauses ohne umfassende Maßnahmen nicht länger genehmigt würde. Unser Ziel war es daher, das Gebäude nicht nur baulich, sondern auch funktional und gestalterisch auf ein zeitgemäßes Niveau zu heben.

Wo sehen Sie die bedeutendsten gestalterischen Veränderungen?
Besonders sichtbar sind die Veränderungen im Eingangsbereich und im Foyer. Ein zentrales Element ist die neue Publikumsterrasse, die nicht nur ein markantes äußeres Zeichen setzt, sondern auch einen witterungsgeschützten Zugang bietet. Im ersten Obergeschoss haben wir zudem ein neues Foyer – den „Himmel“ – geschaffen, das sowohl funktional als auch gestalterisch das Herzstück der Sanierung bildet. Hierbei haben wir eine bestehende Bürofläche und den ehemaligen Innenhof integriert, um einen großzügigen Pausenbereich mit direktem Bezug zum Naschmarkt zu schaffen.

Warum haben Sie sich im „Himmel“ für ein eher schlichtes Design entschieden?
Unser Ansatz war es, eine klare Trennung zwischen Alt und Neu zu schaffen, ohne jedoch einen harten Bruch zu erzeugen. Die schlichte Gestaltung bietet Raum für die Besucherinnen und Besucher, um diesen Bereich aktiv zu nutzen und zu beleben. Zugleich wollten wir einen harmonischen Übergang zur denkmalgeschützten 60er-Jahre-Gestaltung im Erdgeschoss schaffen, die ebenfalls eine besondere Qualität besitzt.

Der Theatersaal selbst wirkt nahezu unverändert. Was waren Ihre Ansätze in diesem Bereich?
Der Theatersaal steht unter strengem Denkmalschutz, sodass Veränderungen nur in sehr eingeschränktem Maße möglich waren. Unsere Maßnahmen konzentrierten sich auf die Restaurierung der Oberflächen und die Erneuerung der Lüftungstechnik. Historische Elemente wie die Sitzmöbel wurden sorgfältig zerlegt, restauriert und wieder eingebaut. Gleichzeitig haben wir ein modernes Lüftungssystem integriert, das uns jedoch vor unerwartete Herausforderungen stellte – etwa, als wir feststellten, dass der Unterboden eine zusätzliche Stabilisierung benötigte.

Der Denkmalschutz stellt oft besondere Anforderungen. Wie haben Sie diese gemeistert?
Es war eine anspruchsvolle Aufgabe, insbesondere aufgrund der Vielzahl an Detailarbeiten. Von der Restaurierung der Stuckarbeiten über die Wiederherstellung historischer Stoffe bis hin zur Restaurierung der 60er-Jahre-Leuchten der Firma Bakalowits – es war eine enge Zusammenarbeit mit hochspezialisierten Handwerksbetrieben erforderlich. Eine besondere Herausforderung war, dass viele Dinge erst während der Arbeiten vor Ort sichtbar wurden und flexibel gelöst werden mussten.

Bei historischen Gebäuden stößt man häufig auf Überraschungen. Gab es bei diesem Projekt unvorhergesehene Herausforderungen?Absolut, Überraschungen sind bei einem Gebäude mit einer so langen Geschichte fast unvermeidlich. Ein Beispiel ist die Belüftung im Theatersaal: Als wir den Boden freilegten, stellten wir fest, dass die vorhandene Struktur nicht tragfähig genug war. Das erforderte zusätzliche Eingriffe, um eine stabile Grundlage zu schaffen. Auch äußere Einflüsse wie Wassereinbrüche während starker Regenfälle sorgten für kurzfristige Anpassungen. Solche Herausforderungen sind Teil der Arbeit an einem denkmalgeschützten Gebäude und erfordern schnelles Handeln und kreative Lösungen.

Für das Publikum unsichtbar bleibt die Technik hinter den Kulissen. Was wurde in diesem Bereich modernisiert?
Der gesamte Hinterbühnenbereich, einschließlich der Bühnentechnik, der Personalräume und der logistischen Abläufe, wurde umfassend erneuert. Besonders stolz sind wir darauf, dass wir es geschafft haben, historische Elemente, wie die originale Drehbühne, zu erhalten und gleichzeitig den aktuellen Sicherheits- und Funktionsstandards anzupassen. Auch die Zusammenarbeit mit spezialisierten Firmen, wie der ursprünglichen Herstellerfirma Wagner, war hier von großer Bedeutung.

Innenraum Theater an der Wien
Nach der umfassenden Generalsanierung präsentiert sich auch die Bühne in neuer raumakustischer Perfektion

Die Akustik des Theaters ist berühmt. Wie stellt man sicher, dass diese Qualität erhalten bleibt?
Die Akustik hatte bei diesem Projekt oberste Priorität. Gemeinsam mit dem Akustikexperten Prof. Karlheinz Müller führten wir umfangreiche Messungen und Simulationen durch, um die vorhandenen Eigenschaften genau zu analysieren. Änderungen wurden nur vorgenommen, wenn sie nachweislich eine Verbesserung brachten. Beispielsweise haben wir im Parkettbereich den ursprünglichen Teppich durch Parkett ersetzt, um die Schallreflexion zu verbessern. Solche Eingriffe erfordern ein hohes Maß an Präzision, doch wir konnten die Akustik des Raumes nicht nur erhalten, sondern stellenweise sogar leicht optimieren.

Hat die Fachwelt, etwa Dirigenten oder Orchester, dies bereits bestätigt?
Ja, bei der feierlichen Eröffnung waren positive Rückmeldungen spürbar, sowohl von den Künstlern als auch vom Publikum. Natürlich benötigt es noch weitere Veranstaltungen, um ein vollständiges Fazit zu ziehen, doch die bisherigen Resonanzen und Messungen bestätigen, dass die Akustik auf dem gewohnt hohen Niveau geblieben ist – oder sogar leicht verbessert wurde.

Die Koordination einer Vielzahl von Gewerken ist bei einem Projekt dieser Größenordnung sicherlich eine Herausforderung. Wie haben Sie das gemeistert?
Das Theaterprojekt war in der Tat äußerst komplex, da es eine Vielzahl an hochspezialisierten Gewerken umfasste – von der Bühnentechnik über die Restaurierungsarbeiten bis hin zur Veranstaltungstechnik. Unsere Aufgabe als Generalplaner bestand darin, alle Prozesse engmaschig zu koordinieren und sicherzustellen, dass die Arbeiten ineinandergreifen.

Gab es für Sie einen besonderen Moment, als das Projekt abgeschlossen war?
Der Moment, wenn das Theater nach all den Arbeiten wieder mit Leben gefüllt wird, ist immer etwas ganz Besonderes. Es war großartig zu sehen, wie Besucherinnen und Besucher den neu gestalteten Raum nutzen und genießen. Auch die Zusammenarbeit mit den beteiligten Partnern und Gewerken über Jahre hinweg machte es umso erfüllender, das Projekt erfolgreich abzuschließen.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

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