Bauwerksgegrünung

Sanierungsoffensive für klimaneutrale Gebäude

Bauwerksbegrünung
27.06.2022

Um das österreichische Ziel der Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen, sollen die Sanierungsrate und die Sanierungsqualität in den nächsten Jahren massiv angehoben werden. Bauwerksbegrünungen leisten dabei wichtige Beiträge – und werden vielfältig gefördert.
Intensive Dachgärten in urbanen Räumen sorgen für mehr Grünfläche und Rückzugs-orte für die Bewohner*innen.
Intensive Dachgärten in urbanen Räumen sorgen für mehr Grünfläche und Rückzugs-orte für die Bewohner*innen.

Klimaneutrale Gebäude der Zukunft sind energieoptimierte Gebäude, die eine intelligente Steuerung und Vernetzung sowie eine wirtschaftliche und klimafreundliche Energieversorgung aufweisen. Klimaneutral bedeutet, dass Gebäude und Quartiere nach einer Sanierung im Einklang mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens von 2015 (COP21) stehen, das besagt, die Erderwärmung auf möglichst 1,5 °C zu beschränken. Die Treibhausgasemissionen von Gebäuden sollen durch die Sanierung, den weiteren Betrieb und auch die "End of Life"-Phase auf ein Maß reduziert werden, das natürlich kompensiert werden kann.
Um das österreichische Ziel – die Klimaneutralität bis 2040 – zu erreichen, sollen in den nächsten Jahren die Sanierungsrate und die Sanierungsqualität massiv angehoben werden. Dazu wurde 2021 auch eine Sanierungsoffensive gestartet. Die Anwendung der EU-Gebäuderichtlinie, die von allen EU-Ländern harmonisiert wurde, verlangt zuerst eine energieeffiziente Sanierung und danach eine Umstellung von erneuerbaren Energien, um den Energieverbrauch zu senken. Unter anderem soll bis 2035 das Heizen in Österreich mit fossilen Brennstoffen aus heimischen Gebäuden gänzlich verschwinden.
Neben der Versorgung der Gebäude mit umweltfreundlichem Strom bzw. Energie zum Heizen, Kühlen und Lüften spielen aber auch Maßnahmen, die bei der Energieverbauchsenkung unterstützend wirken, eine zentrale Rolle. Große Bedeutung dabei haben Bauwerksbegrünungen. Daher sind Förderungen, die angehoben wurden bzw. mit einem Sanierungsoffensive-Förderangebot attraktiver und unkomplizierter gemacht wurden, nun Kombinationen mit Bauwerksbegrünungen. 

Energie einsparen, erneuerbare Energie beifügen

Innovationslabore wie Grünstattgrau, Act-4Energie, Digital findet Stadt und das neue Innovationslabor Renowave.at entwickeln Lösungen, um Sanierungen auf dem derzeit qualitativ höchstmöglichen thermisch-energetischen Niveau umzusetzen. Eine Teilsanierung oder eine Sanierung auf mäßigem Niveau führen zu einem langfristig negativen "Lock-in"-Effekt, da diese Gebäude mit hoher Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft nicht mehr auf den neuesten technologischen Stand gebracht werden, und sich damit die Treibhausgas-Bilanz für das österreichische Ziel Klimaneutralität bis 2040 verschlechtert. Das Ziel muss sein: Zuerst Energie einsparen, danach so wenig wie möglich erneuerbare Energie beifügen. 

Klimawandel pusht den Energieverbrauch

Besonders die Raumkühlung und Klimatisierung spielen in der Energieversorgung von Gebäuden eine immer größere Rolle. Mit höheren Außentemperaturen, dem erhöhten Komfortanspruch und fehlenden Speichermassen im Leichtbau sowie Südorientierung der Gebäude ohne ausreichende Verschattung steigt der Anteil der Klimaanlagen. Und obwohl laut Bauordnung der Kühlenergiebedarf durch ausreichende Speichermassen und passive Kühlstrategien (Verschattung, Nachtlüftung etc.) minimal sein muss, nimmt der Einbau von Klimageräten kontinuierlich zu. Das führt dazu, dass der Stromverbrauch pro Haushalt ebenfalls stark steigt. Der höhere Bedarf kann beispielsweise durch Solarenergie und weitere alternative Energiequellen optimiert werden, allerdings wird das nicht ausreichen, wenn man einen Blick in die Zukunft wirft: Der jüngste IP-CC-Bericht , bei dem über 200 Wissenschaftler*innen berechnet haben, wie CO₂-Emissionen und die Temperaturen erneut angestiegen sind, prognostiziert bei gleichbleibenden Anstrengungen der Staaten eine Erderwärmung von über 3 °C.

Bauwerksbegrünung wirkt mehrfach: Sie senkt CO2, federt Extremwetterereignisse ab, sorgt für Entsiegelung, fördert Biodiversität und ist eine passive Maßnahme zur Energieeinsparung.

Susanne Formanek
Begrünung in urbanen Räumen auf Dächern und an Fassaden fördert die Artenvielfalt.

Bauwerksbegrünung als passive Maßnahme bei Sanierungen

Im Bereich der Bauwerksbegrünung existiert bereits eine Vielzahl an Varianten und Einsatzmöglichkeiten. Bei Sanierungen der obersten Geschoßdecke kann die Begrünung des Daches – Steildach wie auch Flachdach – gleich mitgeplant und umgesetzt werden. Dachbegrünungen werden abhängig von der Aufbauhöhe sowie der erforderlichen Nutzungsintensität in extensive und intensive Begrünung unterteilt. Sie werden stets schichtweise aufgebaut, wobei jeder Schicht spezielle Funktionen zukommen.
Extensive Dachbegrünungen setzen eine Mindestgesamtaufbauhöhe von acht Zentimetern voraus und benötigen einen lagigen Aufbau: Schutz-, Drainage-, Speicher- und eine Filterschicht auf einer wurzelfesten Abdichtung, welche mit Vegetationssubstrat überdeckt und begrünt wird. Diese extensive Variante kann mit diversen Sukkulenten wie Sedum, Gräsern, Kräutern sowie Moosen und Kleingehölzen begrünt werden und bietet bereits vielfältige Habitate für Flora und Fauna. Das extensive Gründach überzeugt außerdem mit niedrigem Wartungs- und Pflegeaufwand sowie Systemen mit geringem Investitionsaufwand, die für etliche Dachkonstruktionen mit 0 bis 35 Grad Neigung geeignet sind.
Eine abgemagerte Form der extensiven Dachbegrünung ist die reduzierte extensive Dachbegrünung. Sie eignet sich aufgrund ihres geringen Gewichts und der reduzierten Performance-Kriterien durch eingeschränkte Vegetationsgesellschaften optimal, um bautechnischen und behördlichen Herausforderungen von Industriegebäuden zu entsprechen und ist daher auch als Industrieleichtdach bekannt. Diese eignen sich hervorragend bei einer Sanierung der obersten Geschossdecke bei Bestandgebäuden, auch bei Gründerzeithäusern.

Urbanes Gebäude mit Runddach und extensiver Dachbegrünung.

Intensive Dachbegrünungen beginnen bei einer Aufbauhöhe von mindestens 20 Zentimeter und können abhängig von der Gesamtaufbauhöhe mit Rasen, Stauden, Kleingehölzen, Sträuchern und sogar Bäumen begrünt werden. Sie bieten daher vielfältigere Nutzungs- und Gestaltungsmöglichkeiten – vom privaten Dachgarten bis hin zum öffentlichen Park. Intensive Bauformen zeigen dabei wesentlich höhere Performance hinsichtlich aller Wirkungen, beispielweise der Mikroklimaschaffung, Wasserspeicher- und Verdunstungsleistung und erzielen somit erheblich bessere Kühlungseffekte im und um das Gebäude.
Ebenso verfügt der Fassadenbegrünungsmarkt über zahlreiche Technologien für die Gestaltung der Gebäudehülle, welche abgestimmt auf die Wünsche und Begrünungsziele der Auftraggeber*innen und die Gegebenheiten der Fassade eingesetzt werden. Die Arten der Fassadenbegrünung unterscheiden sich grob in bodengebundene Begrünung durch Kletterpflanzen mit oder ohne Rankhilfen, Trogbegrünungen und fassadengebundene Begrünungen in vorgehängt-hinterlüfteter Bauweise. 

Die fassadengebundene Begrünung mit Trögen und Kletterpflanzen bedeckt rund 990 Quadratmeter Fassade der Zentrale der Abteilung MA31 Wiener Wasser. Die Bewässerung erfolgt über ein automatisches System mit Sensoren.

Die Oberflächentemperatur von Fassadenoberflächen können durch Verdunstung und Verschattung gekühlt werden und sich um ca. 30 °C im Vergleich zu einer Standardbauweise verringern.

Susanne Formanek

Begrünte Oberflächen führen zu Kühlung

Durch die Verringerung von klimatisch ungünstigen speichernden oder reflektierenden Oberflächen, welche in den Sommermonaten stark zur Aufheizung des Baukörpers beitragen (Glas, Beton, Bitumen, mineralische Oberflächen), sorgt ein Gründach für angenehmere Temperaturen im Umfeld. Vor allem für die notwendige Abkühlung in der Nacht ist ausschlaggebend, dass die Temperaturerhöhung im Stadtgebiet durch Wärmespeicherung an der Dachoberfläche gegenüber einem Kiesdach wesentlich reduziert werden kann. Die fühlbare Wärmebelastung in der nahen Umgebung wird deutlich reduziert, sogar überkompensiert. Dies bedeutet Kühlung im Sommer, Vermeidung der Überhitzung der Stadt und Reduktion des Urban Heat Island Effekts (UHI). 
Die Oberflächentemperatur von Fassadenoberflächen können durch Verdunstung und Verschattung gekühlt werden und sich um ca. 30 °C im Vergleich zu einer Standardbauweise verringern. Durch gut geplante Gerüstkletterpflanzen kann eine temporäre sommerliche Verschattung von 85 bis 95 Prozent erreicht werden. Dieser Minderungsfaktor entspricht dem technischer Verschattungssysteme. 
Jeder Liter Niederschlagswasser, den wir auf oder an unseren begrünten Gebäuden zurückhalten, entlastet nicht nur die Kanalisation, sondern kühlt unsere Umgebung. Dafür müssen wir keine zusätzliche Energie aufwenden – im Gegenteil: Wir verbrauchen mit Bepflanzungen die Sonnenenergie, die unsere Städte andernfalls zusätzlich aufheizt. Auch die Kombination mit erneuerbaren Energien, wie das Solargründach oder der PV-Dachgarten, ist seit Jahren eine gut akzeptierte und eingesetzte Technologie. Das bedeutet: Dächer multifunktionell nutzen, wohlüberlegte städtebauliche Struktur, Ausnutzen der Winde, Beschattungen sowie urbane grüne und blaue Infrastruktur, also Grünpflanzen und Wasser zur Abkühlung, spielen in der Zukunft einen entscheidenden Beitrag zur Reduktion von urbanen Hitzeinseln. Diese können bei Sanierungen gleich mitgeplant werden. 

Begrünung und Solar sind eine sinnvolle Kombination.

Energiegewinnunug durch Kombinationsbauweise

Die Begrünung von Dächern bringt Vorteile beim Betrieb von Photovoltaik-Anlagen. Durch die Kombination mit Gründächern steigt die Leistung der Energiegewinnungsanlage. Erklärt wird dies dadurch, dass Solarmodule elektrische Bauteile sind, bei denen die Leistung mit steigender Temperatur abnimmt, weil der elektrische Widerstand steigt. Dies ist besonders in den Sommermonaten von Bedeutung. Auf begrünten Flachdächern herrschen im Sommer geringere Temperaturen als auf herkömmlichen Kies- und Blechdächern. Dies bewirkt eine spürbare Ertragssteigerung von PV-Anlagen: Eine Leistungssteigerung kann zwischen vier und acht Prozent liegen.
Weitere Synergien ergeben sich aus den Konstruktionserfordernissen. Die Halterungen für die Solarmodule müssen auf Flachdächern fixiert werden. Im Normalfall geschieht dies mit Schrauben (Beschädigung der Dachhaut) oder durch sehr schwere Gewichte, die punktuell angeordnet werden.
Anders bei einer Begrünung: Hier erfüllt der Substrataufbau die Auflastfunktion für das Photovoltaiksystem. So wird die Solaranlage durch die Flächenlast der Begrünung am Dach gehalten, ohne Schwachstellen an der Abdichtungsebene. Der abwechslungsreiche Lebensraum am Gründach bietet durch die Beschattung der Photovoltaikanlage wertvolle Nischen für spezialisierte Pflanzen- und Tierarten, trägt demnach zum Artenschutz bei (z. B. Wildbienenförderung).

Der Grünstattgrau-Dachgarten in Wien-Favoriten mit Blick über Wien.

Kosten senken, Immobilienwert erhöhen

Eine nachträgliche Sanierung erfordert Planung, bei der eine Bauwerksbegrünung gleich von Anfang an mitgeplant werden kann. Die Begrünung erhöht die Lebenszeit eines Daches, da starke Temperaturunterschiede, Wind, UV-Licht, Starkregen und Hagel durch Bauwerksbegrünung abgepuffert werden, daher die Bausubstanz geschützt wird. Durch die Pufferfunktion werden thermische und mechanische Belastungen reduziert – so verlängert sich die Haltbarkeit. Kostenvorteile ergeben sich auch durch die Material-Ökonomie. Eine Sanierung des extensiven Gründaches wird erst frühestens nach etwa 35 Jahren notwendig, wobei das Kiesdach oft bereits nach 20 Jahren saniert werden muss. Die Kosten in der Instandhaltung bei einem Gründach laufen in den ersten 35 Jahren linear.
Bei einem intensiven Gründach ist in der Regel neben den höheren Herstellungskosten auch mit höheren Pflegekosten zu rechnen. Demgegenüber steht aber die intensive Nutzbarkeit als Garten am Dach. Die Kosten können durch unterschiedliche Maßnahmen reduziert werden. Neben einer Pflege der "Dachgärten" durch die Bewohner*innen ist es möglich, über Vermietungen sogar Einnahmen zu lukrieren und damit die Fixkosten zu reduzieren. Andererseits gestalten Begrünungen auch soziales Gefüge und Nachbarschaften mit. So werden Kriminalitätsraten gesenkt, der Zusammenhalt gestärkt und die Umgebung aktiv genutzt, die Zufriedenheit steigt, Identität wird gestiftet und Bewohner*innen verbleiben auch längerfristig an einem Ort. Und: Der Wiederverkaufswert einer Immobilie steigert sich nur durch grüne Umgebung bereits um bis zu fünf Prozent, sind sichtbare Wasserflächen in der Umgebung, gar um acht Prozent. 
(bt)

Förderungen

Österreichs Stadtverwaltungen haben zum überwiegenden Teil die Zeichen der Zeit erkannt und versuchen die Resilienz ihrer Kommunen mit vorausschauenden Strategien und daraus abgeleiteten Maßnahmen gegenüber den klimawandelbedingten Herausforderungen (Hitzewellen, Trockenheit, Starkregen) zu stärken. 30 Prozent aller Stadtverwaltungen haben dazu bereits eine konkrete Strategie formuliert, in den Gemeindegremien beschlossen und mit der Umsetzung begonnen. Viele entwickeln eigene Klimawandelanpassungsstrategie und setzen eigene Förderungen dazu ein.

In Österreich stehen unterschiedliche Instrumente und Vorgaben zur Umsetzung begrünter Gebäude bereit. Landesgesetze bilden die gesetzliche Grundlage für die überörtliche und örtliche Raumordnung und Raumplanung. Die Vollziehung der örtlichen Raumplanung fällt nach dem Bundesverfassungsgesetz in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden. Es gelten die jeweiligen Vorgaben auf Ebene der Bebauungspläne, die durch Verordnungen festgelegt sind. Förderungen werden oft in Form von Zuschüssen auf Bundes-, Länder-, aber auch auf Gemeindeebene gewährt.
Manche Städte schreiben z. B. Dachbegrünungen im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan vor (Wien Aspern). Ebenfalls kann die Vorgabe gebietsweise bestehen, die Flächen nicht nur zu begrünen, sondern auch mit Energiegewinnungsanlagen auszustatten.
Durch städtebauliche Verträge können zwischen Gebietskörperschaften und Grundstückseigentümern privatrechtliche Vereinbarungen getroffen werden, die das Ziel von Begrünungen verwirklichen. Wichtig dabei ist es, den öffentlichen Charakter des Projekts zu wahren, welche auf straßenseitige Fassadenbegrünungen oder öffentlich zugängliche Dachbegrünungen zutrifft.

Auf nationaler Ebene gibt es aktuell zwei Programme für Bauwerksbegrünungen, die Beratungskosten bzw. Investitionskosten adressieren:

  • Eine unabhängige fachliche Beratung für Unternehmen zu Bauwerksbegrünungen wird seitens der Wirtschaftskammer Österreich im Rahmen der ökologischen Betriebsberatung zu 100 Prozent gefördert.
  • Investitionskosten zur Dach- und Fassadenbegrünung werden über die Bundesumweltförderstelle KPC im Rahmen des Förderprogramms Neubau aber auch bei Sanierungen in energieeffizienter Bauweise gefördert. 

Förderungen für Bauwerksbegrünungen, die auf Länderebene vergeben werden, sind entweder in Wohnbauförderungen in Form von Zuschlagspunkten integriert oder werden für unterschiedliche Maßnahmen und Zielgruppen direkt aus eigenen Förderprogrammen in Form von direkten Zuschüssen ausgeschüttet. Auch die Städte bieten Förderanreizen auf kommunaler Ebene, die unterschiedlich gestaltet sind. Oft sind es finanzielle Zuschläge auf einzelne Umsetzungsmaßnahmen, oder verbindliche Beratungsgespräche, die norm-gerechte Ausführung durch Fachfirmen, Orientierung am Abflussbeiwert und am Versiegelungsgrad, sowie in der Dachbegrünung eine Mindesthöhe der Substratschicht. 
In Förderungsrichtlinien für Fassadenbegrünungen sind zusätzlich noch das Vorliegen von Vereinbarungen zu Pflegemaßnahmen mit Hausbesitzern und eine Mindestgröße der zu begrünenden Fassade unumstritten.  

Eine laufend aktualisierte Übersicht zu Förderungen für Bauwerksbegrünung findet man auf gruenstattgrau.at.