Brennpunkt
Auf der sicheren Seite
Und plötzlich ist alles anders: Die vergangene Hochwasserkatastrophe in Österreich hat einmal mehr gezeigt, wie wesentlich rasche Hilfe im Ernstfall ist. Wenn einzelne Betriebsbereiche komplett ausfallen oder sogar der komplette Betrieb still steht, ist guter Rat oft teuer. Aber wie kann und soll man sich für solche Extremereignisse überhaupt vorbereiten? Und wer steht mit Rat und Tat zur Seite? „Zahlreiche Betriebe sind durch die vergangene Hochwasserkatastrophe zum Teil existenziell betroffen“, skizziert Mathias Past. Als Obmann der Fachgruppe Ubit NÖ (Unternehmensberatung, Buchhaltung und Informationstechnologie) hat er gemeinsam mit dem Förderservice der Wirtschaftskammer Niederösterreich eine Beratungsaktion für Mitgliedsbetriebe der Wirtschaftskammer NÖ nach der Hochwasserkatastrophe initiiert. Das Ziel: rasche und unbürokratische Hilfe im Rahmen von gezielter Beratung für betroffene Betriebe.
„Wir wollen in dieser schwierigen Situation helfen und als Fachgruppe gemeinsam mit der WKNÖ mit Beratungsleistungen zur Seite stehen“, so Past. Viele Niederösterreichische Betriebe waren und sind nicht nur mit massiven Aufräumarbeiten konfrontiert, sondern müssen auch strategisch neue Entscheidungen treffen, damit das Geschäft weiterlaufen kann. Hier wolle man aus der Not eine Tugend machen: Wenn vieles neu gemacht werden muss, kann man sich im Zuge dessen auch gleich überlegen, welche Adaptionen oder gar Neuausrichtungen Sinn machen. Die Abwicklung läuft direkt über das Förderservice. Was es dazu braucht, ist eine Schadensmeldung sowie eine aktive Gewerbeberechtigung in Niederösterreich. Betriebe können dann von insgesamt zehn Beratungsstunden profitieren, die zu hundert Prozent gefördert werden – Berater*innen kommen direkt ins Haus, ermitteln gemeinsam die Ist-Situation und mögliche sinnvolle Schritte – und das unabhängig von der Betriebsgröße.
Zukunft im Fokus
„Auch wenn die Situation herausfordernd ist, schafft sie die Möglichkeit, das große Ganze im Blick zu behalten und sich generell Gedanken zum Geschäftsmodell zu machen“, führt Past weiter aus. Dabei werden nicht nur konkrete Handlungsempfehlungen erarbeitet, sondern auch zusätzliche Fördermöglichkeiten ermittelt. Viele Betriebe nutzen das Angebot, aktuell ist der Fördertopf voll – und Past stellt klar: „Wenn ein niederösterreichischer Betrieb betroffen ist und Hilfe benötigt, wird er sie auch bekommen.“ Aber wie kann man sich als Betrieb überhaupt auf einen Ernstfall wie diesen vorbereiten? „So banal es klingt: Man muss sich mit dem Thema beschäftigen und Bewusstsein für das Risiko schaffen. In einem zweiten Schritt ist eine Risikoanalyse sinnvoll: Wo liegt mein Betriebsstandort und ist er potenziell gefährdet? Wo ist meine kritische und schützenswerte Infrastruktur, wie IT, Werkstatt und Maschinen positioniert? Und inwiefern könnten auch meine Kunden und Lieferanten betroffen sein? All diese Fragen helfen, um eine geeignete Strategie für den Ernstfall auf die Beine zu stellen“, führt der Experte aus.
Informationsfluss sicherstellen
Ein gelungenes Notfall- und Krisenmanagement gelingt dann, wenn alle handelnden Personen wissen, was zu tun ist. „Wenn nur ich als Eigentümer des Betriebs weiß, wo die Handlungsoptionen liegen, wird auch das beste Risikomanagement nichts helfen“, warnt Mathias Past. Ein designiertes Notfallteam kann im Ernstfall alle Personen informieren und Orientierung geben. Auch der Blick auf mögliche bauliche Maßnahmen ist sinnvoll – im Rahmen eines Neubaus ist das freilich leichter umzusetzen als bei Gebäuden im Bestand. Aber auch hier hat Past klare Empfehlungen: „Als Betrieb muss ich mir überlegen, ob meine kritischen Anlagen und die Infrastruktur sicher sind.“ Konkret sind hier beispielsweise die IT-Infrastruktur oder der Maschinenpark wesentlich. Bei ersterem lohnt es sich oft schon, Server oder Anlagen so zu positionieren, dass sie bei Hochwassergefahr nicht betroffen sind und auf regelmäßige Back-ups zu achten – im Falle des Maschinenparks wird das bei Tischlereibetrieben schon herausfordernder. So oder so gilt: Je klarer die Vorbereitung und je transparenter der Notfallplan, desto größer die Handlungsoptionen im Ernstfall. In vielen Fällen hilft dabei der Blick von außen – Betriebe können hier auch von den zahlreichen Förderungen der WKO profitieren, beispielsweise in den Bereichen Betriebsanlagenservice, Digitalisierung oder Nachhaltigkeit. Auch ein regelmäßiger kritischer Blick auf den aktuellen Versicherungsschutz sei enorm wichtig: Hier lohne es sich, in regelmäßigen Abständen zu überprüfen, gegebenenfalls anzupassen oder zu erweitern.
Risikofaktoren analysieren
„Nach vorne schauen, Maßnahmen ergreifen und sich auf das Wesentliche konzentrieren – all das ist in einer Krise unerlässlich“, so Tobias Hochgerner von der Hochgerner Möbelwerkstätte im niederösterreichischen Böheimkirchen. Aus aktuellem Anlass weiß er leider nur zu gut, wovon er spricht, wenn es um Krisenmanagement geht – schließlich war durch das jüngste Hochwasser im September das gesamte Untergeschoss des Bürohauses, das Betriebsareal mit Lagerflächen und Teilbereiche der Produktion des 50 Frau- und Mann-starken Familienbetriebs betroffen. Und obwohl das natürlich logistisch und organisatorisch eine veritable Herkulesaufgabe ist, sind die Projekte im Betrieb aktuell wieder am Laufen. „Was das Thema Risikomanagement betrifft, lernt man leider nie aus- Wir hatten und haben unsere Kernelemente im Blick – und trotzdem mit großen Schäden zu kämpfen“, so Hochgerner weiter. In der Tischlerei war die IT stark betroffen, die gesamte Hardwareinfrastruktur wurde vom Wasser zerstört. „Glücklicherweise hatten wir Back-ups bzw. konnten wichtige Daten retten und so innerhalb von gut zwei Wochen neue Server aufsetzen – trotz allem ist der Schaden enorm.“ Aktuell wird daran gearbeitet, die IT-Infrastruktur auf mehrere geografische Standorte aufzuteilen. Generell rät Hochgerner aus eigener Erfahrung, die Risikofaktoren gut zu analysieren: „Wesentlich ist die Frage: Welche Bereiche müssen besonders geschützt werden, damit der Betrieb aufrecht erhalten werden kann?‘. Auch in Sachen Versicherungsschutz empfiehlt er einen prüfenden Blick, wenngleich diese Thematik im Falle einer Hochwasserkatastrophe schwierig sei. „Wir sind zu einem gewissen Teil versichert, was leider bei Weitem nicht ausreicht– und eine Versicherung für Hochwasserkatastrophen gibt es aktuell leider nicht.“ Bis zu einem Jahr wird es laut Hochgerner wohl dauern, bis die Schäden ausgemerzt sind. Doch bei aller Tragik blickt er nach vorne: „Wir nutzen diese Phase, um unterschiedliche Betriebsbereiche wie zum Beispiel Schulungs- und Aufenthaltsräume, das Archiv oder unser Heizungssystem ganzheitlich neu zu denken.“ Vor dem Hintergrund der steigenden Extremwetterphasen rät er Betrieben, die in potenziell betroffenen Gebieten angesiedelt sind, sich für die Zukunft zu rüsten – so gut es eben möglich ist. „Für Schlechtwetterprognosen braucht es Notfallpläne, die rasch abrufbar sind.“
Brandschutz unerlässlich
Aber nicht nur Wasser hat enorme zerstörerische Kraft – in Tischlereibetrieben ist Feuer eines der wesentlichsten Themen, das jeder Betrieb unbedingt in die Risikoanalyse miteinbeziehen muss. Zu spüren bekommen hat das auch Bundesinnungsmeister Gerhard Spitzbart, dessen Betrieb im oberösterreichischen Kirchham zu Beginn des Jahres von einem erheblichen Brandschaden betroffen war. „Unser gesamter Maschinenraum ist im Februar ausgebrannt, das Feuer hat einen Schaden von rund sechs Millionen Euro verursacht“, so Spitzbart. Glück im Unglück: Knapp ein Jahr vorher war der Versicherungsmakler im Haus, um den bestehenden Vertrag zu evaluieren. „Das hat uns vor enormen finanziellen Belastungen bewahrt“, so Spitzbart, der jedem rät, regelmäßig einen Versicherungscheck durchführen zu lassen. Wichtig dabei: „Man sollte unbedingt darauf achten, die technische und kaufmännische Betriebsausstattung zum Neuwert versichern zu lassen – explizit muss das alle größeren Anlagen wie zum Beispiel die CNC-Anlage beinhalten. Sonst kann es unter Umständen existenzielle Folgen für den Betrieb haben“, warnt Spitzbart. Viele Betriebe würden den Versicherungsschutz nur oberflächlich evaluieren, Schadenssummen würden eher selten angepasst. Und genau das kann im Ernstfall massive Nachwirkungen haben: „Man muss wirklich genau hinschauen, mit welcher Summe der Betrieb inklusive der Anlagen versichert ist.“ Auch die IT ist bei der Tischlerei SFK abgesichert – schließlich zählt sie heutzutage neben der Werkstatt zur kritischen Infrastruktur, die es zu schützen gilt. Im Fall des oberösterreichischen Traditionsbetriebs ist insofern alles gut gegangen, weil glücklicherweise niemand verletzt wurde – und alle Mitarbeitenden gut auf den Ernstfall vorbereitet waren. Denn damit alle wissen, was zu tun ist, finden hier in regelmäßigen Abständen Übungen für den Notfall statt. Vorsorgen ist besser als heilen, sagt man in der Medizin. Und genau das gilt auch für das Risikomanagement in Tischlereibetrieben – sicher ist sicher!
Gut versichert?
Eine aktuelle Umfrage des Österreichischen Wirtschaftsverlags zeigt: Heimische KMU setzen nach wie vor auf persönliche Betreuung, wenn es um den Versicherungsschutz geht, rasche Schadensabwicklung liegt im Ranking noch vor dem Preis-Leistungsverhältnis. Knapp 96 Prozent geben an, betriebliche Risiken mit einer Betriebshaftpflichtversicherung abzudecken, Sach- und Inventarversicherungen liegen bei knapp 75 Prozent, direkt gefolgt von Rechtsschutzversicherungen. In Sachen Cyber-Security wiegen sich Österreichs Betriebe (noch) in Sicherheit: Nur 23,4 Prozent sehen sie als notwendig an. Mitarbeitende sind in der Regel überzeugt, dass ihr Betrieb gut versichert ist: 81 Prozent geben an, dass der Versicherungsschutz gegeben und ausreichend ist.