LCM-Kolumne
Digitalisierung und Lean Management
In der Bauwirtschaft wird seit vielen Jahren versucht, gegenüber anderen Branchen im Bereich der Digitalisierung Versäumnisse aus der Vergangenheit aufzuholen. Dies gelingt nur bedingt, da bei der Transformation von analogen Prozessen zu digitalen Prozessen Fehler passieren und die Kultur am Bau ihre Eigenheiten hat. Die Schwächen in diesem Transformationsprozess sind beispielsweise
- die zu geringe Bereitschaft der Mitarbeiter zur Etablierung und Einhaltung von Standardisierungen,
- der Versuch, analoge Abläufe eins zu eins in einem digitalen System abzubilden und
- Softwarelösungen mit einem Entwicklungsansatz gemäß der eierlegenden Wollmilchsau und dementsprechend hoher Bedienungskomplexität.
Grundsätzlich gilt, dass digitale Lösungen, die eine Optimierung bzw. Reduktion von Verschwendung in einem Prozess bewirken, den Anforderungen des Lean Managements entsprechen.
Toolbox für Lean Thinking
Mit dem Lean Thinking und der Lean Toolbox bestehen größere Chancen, effizienter eine Umsetzung durchzuführen. Hier einige Beispiele dafür:
- Lean-Kultur: Entwicklung mit Bottom-up-Ansatz in einem transparenten und partnerschaftlichen Umfeld. Durch die Nutzung des Mitarbeiter-Know-hows und eine detaillierte Prozess-Expertise sind eine Standardisierung und Akzeptanz im Unternehmen einfacher zu erzielen.
- Vermeidung von Verschwendung: Der wesentliche Fokus soll auf die Eliminierung von Verschwendung im Prozess gerichtet sein. Analoge Teilprozessschritte sind neu zu bewerten und im Idealfall beim digitalen Prozess zu entfernen oder zu automatisieren (z. B. bei der "elektronischen Eingangsrechnung" erfolgt im Regelfall ein automatischer Abgleich der Bankverbindungsdaten des Kreditors).
- Kanban: (Jap.: "Tafel", "Karte") Die Visualisierung von Prozessen und Informationen über Prozessschritte soll eine Nivellierung und Klarheit im Ablauf von Tätigkeiten bringen. Das Suchen von Informationen ist als Verschwendung anzusehen. Ein Überfluss an Informationen mit beispielsweise nicht für die Person oder den Prozessschritt relevanten Daten ist ebenfalls als Verschwendung zu betrachten (z. B. E-Mails in CC, Besprechungsprotokolle mit überholten Inhalten).
- Poka Yoke: (Jap.: "unglückliche Fehler vermeiden"): Mit digitalen Lösungen kann eine Fehlbedienung sofort angezeigt oder verhindert werden.
- Just in time: Mittels Big Data und künstlicher Intelligenz die richtigen Informationen und Analysen umgehend dem Nutzer zur Verfügung stellen (z. B. Risikofrüherkennung für Bauprojekte mittels KI-Software Early Bird von Conbrain Solutions).
- Fluss-und-Pull-Prinzip: Der Bedarf des Kunden bzw. das Prozessende zieht die davorliegenden Prozessschritte an sich. Diese sind fließend aneinanderzureihen mit dem Ziel, einen gleichmäßigen und nivellierten Prozessverlauf zu gestalten. Damit werden Lagerbildung verhindert (z. B. in einem Prozessschritt sammeln sich digitale Aufgaben an, anstatt kontinuierlich und just in time bearbeitet zu werden) und unnötige Tätigkeiten identifiziert und eliminiert.
- Kunden-Wert: Bei der Digitalisierung ist darauf zu achten, dass der Nutzer (= Kunde) die Applikationen intuitiv bedienen kann. Die Überladung mit Funktionen, die der Kunde nicht benötigt, stellt wiederum eine Verschwendung dar. Im Idealfall kann die Software individuell Funktionen im Bedienfeld ein- und ausblenden. Bei der Entwicklung sollte der Grundsatz gelten: "Keep it simple". Zu hohe Komplexität verringert die Akzeptanz aufseiten des Kunden.
Die Digitalisierung von Bauprozessen ist ein wesentlicher Bestandteil in der Umsetzung von Lean Construction Management, damit den Mitarbeitern effizientere und zeitsparendere Prozesse zur Verfügung stehen und die gewonnene Zeit für wertschöpfende Tätigkeiten verwendet werden kann.
Praxistipp
Lean-Software-Produkte sind bereits am Markt, um die "Last-Planner-Methode" zu visualisieren. Die Erfahrung zeigt, dass diese Produkte vor allem für die Begleitung des Lean-Design-Prozesses in der Planungsphase geeignet sind, da es noch kein Baubüro gibt und die Einbindung der verschiedenen Fachplaner mit entsprechender IT-Affinität gut funktioniert. Für die Bauphase ist aktuell die analoge Variante mit Plantafeln und Klebenotizen einfacher umzusetzen.