Kolumne

Die Strategie für eine kooperative Projektabwicklung

Kooperation
21.02.2023

Das Geschehen auf einer Baustelle ist weitaus komplexer als das Gefangenendilemma. ­Jedoch lässt sich daraus eine Strategie für das eigene Verhalten auf der Baustelle ableiten.

Das Gewinnerprogramm "Tit for Tat" lehrt uns, eine kooperative Grundhaltung einzunehmen. Was heißt das nun in Bezug auf die Baustelle?
Hier sehe ich drei konkrete Verhaltensweisen, die dem Vertragspartner zeigen, dass man kooperativ eingestellt ist. Zunächst ist es zielführend, vom Positiven auszugehen. Geht man in eine neue Baustelle mit der Einstellung, dass der Vertragspartner ebenfalls ein konstruktives Miteinander möchte, ist die Wahrscheinlichkeit, dass dies eintritt, deutlich ­größer.

Um zu Beginn zu signalisieren, "Hey, ich möchte mit dir zusammenarbeiten!", ist anzuraten, seine vertraglichen Mitwirkungspflichten sehr gut zu kennen und diese auch umzusetzen. Falls der Vertragspartner dies nur sehr unzureichend tut, sollte man ihn darauf freundlich hinweisen und ihn ggf. sogar dabei unterstützen. 
Dies führt zur dritten Verhaltensweise. Um zu Beginn eines Projektes zu verdeutlichen, dass es einem wirklich ernst ist mit der kooperativen Haltung, sollte die Bereitschaft vorhanden sein, auch die Extrameile zu gehen. Vielleicht auch einmal etwas zu tun, was nicht explizit im Vertrag gefordert ist, gibt dem Gegenüber ein gutes Gefühl.

Was ist defektierendes Verhalten auf der Baustelle?

Nach einer gewissen Anlaufphase wird man dann erkennen, ob die kooperative Grundhaltung auf Gegenseitigkeit stößt oder defektierendes Verhalten zurückkommt. Was ist nun Defektion auf der Baustelle?

Hier ist die Bandbreite enorm groß. Von konfrontativer Kommunikation bis zur Vertragskündigung ist alles möglich. Wichtig ist, das Verhalten als Defektion zu erkennen und richtig einzuordnen. Zur Einordnung sind vor allem zwei Komponenten entscheidend. Wie stark konfrontativ ist das Verhalten, und wo hat es seinen Ursprung?

Ein nicht gelieferter Plan des Bauherrn kann beispielsweise wenig bis sehr defektierend sein. Hält der Bauherr den vereinbarten Termin nicht ein und ist der Ausführungstermin noch weit entfernt, wird man das Verhalten als wenig gravierend einstufen. ­Liefert er nach mehrmaliger Aufforderung kurz vor Ausführung die Pläne jedoch immer noch nicht, wird dieses Verhalten anders einzustufen sein. Zudem sollte beim Verhalten des Partners immer hinterfragt werden, warum er sich so verhält. Beim Beispiel mit den Plänen könnte dies von Unverständnis bezüglich der Dringlichkeit der Situation, über schlechte Projektorganisation bis hin zur kom­pletten Überlastung des Planers gehen. Je nach Ursache sollte die Reaktion anders ausfallen. 

Wie reagiert man angemessen?

Die Reaktion auf eine Defektion weist die gleiche Bandbreite wie die Defektion selbst auf. Natürlich muss man irgendwann Grenzen aufzeigen. Sonst wird man ausgenutzt, und das hat nichts mehr mit Kooperation zu tun.

So viel vorweg: Die respektvolle Kommunikation miteinander darf niemals eingestellt werden. Auch wenn gravierende Maßnahmen ergriffen werden müssen, ist es wichtig, diese zu erklären und dem Partner verständlich zu machen, warum derartige Maßnahmen ergriffen werden.
Oftmals werden bauvertragliche Normalitäten bereits als Gegendefektion wahrgenommen. Hat der Auftragnehmer beispielsweise Stehzeiten, weil der Auftraggeber seiner Mitwirkungspflichten nicht nachkommt, stellt die Anmeldung einer Mehrkostenforderung oder einer Regie keine Gegendefektion dar. Dies stellt lediglich das bauvertraglich korrekte Verhalten dar. Als Gegendefektion könnte eine überhöhte Mehrkostenforderung oder die Einstellung der Leistung gewertet werden.

Ein letzter entscheidender Punkt für die Wahl eines angemessenen Verhaltens ist die Wahrung der eigenen vertraglichen Pflichten. Von Maßnahmen wie der Einstellung der Leistung oder Nichterfüllung sonstiger vertraglicher Verpflichtungen sollte jedenfalls Abstand genommen werden. Dies führt dazu, dass man angreifbar wird und die Sphärenzuordnung unnötig verschwimmen lässt.

Was man aus diesen Text mitnehmen kann:

  • Jedes Projekt mit einer kooperativen Grundhaltung beginnen.
  • Defektierendes Verhalten des Projektpartners objektiv einordnen.
  • Das eigene Verhalten je nach Schwere der Defektion wählen.
  • Immer respektvoll im Gespräch bleiben.
  • Die eigenen vertrag­lichen Verpflichtungen weiterhin erfüllen.
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