Frank Mettendorff
"Wir denken über BIM hinaus"
Digitale Prozesse fordern Know-how, und genau diese sind für eine Effizienzsteigerung in der Baubranche notwendig. Die Digitalisierung ist am Puls der Zeit, sie bringt allerdings sowohl für Planer*innen als auch für Bauherren immer wieder neue Herausforderungen im Arbeitsalltag. Beratungen sowie Dienstleistungen sind notwendig genauso wie digitale Lösungen oder Software-Schnittstellen. Das Ingenieurbüro Fritsch Chiari und Partner (FCP) hat sich dem Digital Engineering gewidmet und vor kurzem das Competence Center "Digital Services“ eröffnet. Der Leiter des Competence Center, Frank Mettendorff, sprich über das neue Geschäftsfeld und erklärt, wie digitale Lösungen in der Branche funktionieren.
Sie leiten seit November das neue Geschäftsfeld bzw. Competence Center Digital Services bei FCP. Was macht das neue Competence Center genau?
Frank Mettendorff: Die Digitalisierung in der Baubranche geht zügig voran, nicht zuletzt durch BIM. Aus diesem Grund arbeiten wir bereits über BIM hinaus und behandeln in unserem Competence Center das gesamte Feld des Digital Engineering. Wir entwickeln Digitalisierungslösungen für das Bauwesen mit dem Ziel, die digitale Transformation nachhaltig voranzutreiben. Das Team setzt sich hierfür mit neuen Technologien, Softwarelösungen und Programmierungen auseinander, um diese für künftige Projekte effizient nutzen zu können.
Welche Ziele haben Sie sich für das neue Geschäftsfeld gesetzt?
Mettendorff: Unser Ziel ist es, unsere Kunden bei der Modernisierung ihrer digitalen Infrastruktur aktiv zu unterstützen. Wir wollen die Prozesse im Projektalltag optimieren. Da wir Auftraggeber- sowie Aufragnehmerseite kennen, können wir die idealen Abläufe entwickeln. Bei unseren Kunden scheitert die Digitalisierung oft wegen begrenzter Ressourcen der internen EDV-Abteilungen, die sich nicht näher mit allen Entwicklungen am Softwaremarkt und Schnittstellen befassen können. Hier möchten wir ansetzen, um unseren Kunden die Potenziale der neuen digitalen Arbeitsweise näherzubringen.
Welche digitalen Lösungen bieten Sie an?
Mettendorff: Wir nutzen das Know-how des gesamten Unternehmens, um digitale Lösungen zu entwickeln. Unsere Kernkompetenzen reichen von Bauherrenberatung in der Projektinitiierungs-, Planungs- und Bauphase bis hin zur Beratung im Gebäudebetrieb. Deshalb kennen wir sowohl die gesamte digitale Umgebung als auch die Softwarelandschaft des gesamten Lebenszyklus von Bauwerken. Ich würde daher sagen, dass wir ein breites Spektrum digitaler Lösungen kennen und unsere Kunden praxisnah beraten können.
Wie gestaltet sich Ihr Umgang mit Softwarelösungen?
Mettendorff: Vorab: FCP ist kein vollumfänglicher Softwareentwickler. Wir sehen unsere Mission eher darin, die bestehenden Produkte und Plattformen miteinander zu verknüpfen. Dafür nutzen wir die bestehenden Application Programming Interfaces (API) oder entwickeln fehlende Schnittstellen weiter. Wir bieten dies primär in Form einer Dienstleistung an, wo wir unter anderem gezielte Screenings des Softwaremarktes durchführen und uns in gemeinsamen Workshops mit den Bedürfnissen des Kunden beschäftigen. Ziel ist es, optimale Lösungen für den Nutzer zu entwickeln und dabei Einschulungsaufwand als auch Kosten zu reduzieren. Wir versuchen, eine Digitalisierungsstrategie anhand von Use-Cases festzulegen und diese in kleineren Arbeitspaketen sukzessive zu implementieren.
Sprechen wir über BIM. Die Einführung in die Arbeitsweise ist ein langer Prozess. Welcher Leistungsaufbau ist in der Branche noch notwendig?
Mettendorff: Die ersten Probleme gibt es in den meisten Fällen schon bei der Beauftragung. Viele Ausschreibungen von Building-Information-Modeling-Leistungen sind theoretisch und nicht praxisnah, da bei den Kunden das Hintergrundwissen und die BIM-Praxis fehlt. Oft muss seitens der Bauherren ein externer BIM-Experte hinzugezogen werden, um von Anfang an die BIM-Leistungen zielführend auszuschreiben. Außerdem haben wir in der Praxis vermehrt festgestellt, dass BIM nicht an der BIM-Umsetzung selbst scheitert, sondern aus anderen Gründen. Deswegen haben wir verstärkt an unserer digitalen Projektumgebung gearbeitet. Damit werden BIM-Projekte optimal unterstützt und die Einstiegshürden zur BIM-Arbeitsweise minimiert. Wir denken über Building Information Modeling hinaus, um die BIM-Prozesse zum Funktionieren zu bringen.
Welche Vorteile bringt diese digitale Projektumgebung in der Arbeit mit BIM?
Mettendorff: Es gibt noch viele Wissensdefizite, und BIM funktioniert oft nicht aufgrund fehlender Infrastruktur. Auf Basis dieser Probleme haben wir die digitale Projektumgebung geschaffen. Ziel ist es, über ein Webinterface sofort im BIM-Projekt zu sein. Um an BIM-Prozessen teilnehmen zu können, gibt es also einen Webzugang, der über einen Internetbrowser abgerufen werden kann. Je nach Kunde wird das Interface angepasst, um effizient mit den BIM-Modellen zu arbeiten. Es ist nicht mehr notwendig, händisch etwas herunterzuladen oder eine Software zu starten. Somit wird ein Mehrwert für das Projekt geschaffen.
BIM funktioniert oft nicht aufgrund fehlender Infrastruktur. Auf Basis dieser Probleme haben wir die digitale Projektumgebung geschaffen.
Aus der Praxis ist immer wieder zu hören, dass es bei der IFC-Schnittstelle Probleme mit Datenverlusten gibt. Ist das noch ein Thema?
Mettendorff: Es gibt noch viele Leute, die gut mit Closed BIM arbeiten, weil die IFC-Schnittstelle nicht benötigt wird. Datenverluste gibt es nur, wenn die IFC-Modelle nicht entsprechend den definierten Anforderungen des Projektes exportiert werden. In dem Fall ist das Know-how des Planers gefragt. All das entwickelt sich aber weiter, genauso wie das IFC-Format. IFC 4.0 ist in der Praxis angekommen, bald wird IFC 4.3 in den Fokus rücken. Wichtig ist: Wenn das Exportieren richtig funktioniert, sind Informationsverluste kein Thema mehr. Wenn die Transformation vom nativen Modell in das IFC-Format klappt, gibt es ein funktionierendes Austauschformat zwischen den Projektbeteiligten. Für uns als Planer ist Open BIM aber alternativlos. Wir nutzen derzeit konsequent das IFC- und BCF-Format als interdisziplinäre Austauschformate. Closed BIM gibt es bei FCP nur mehr sehr selten.
Bei FCP soll es regelmäßig interne Innovationswettbewerbe geben. Was ist das Ziel dieser Wettbewerbe?
Mettendorff: Die Innovationswettbewerbe sind für FCP ein Instrument, um Ideen gezielt abzuholen und aufzugreifen. Aus den Wettbewerben hervorgehende Learnings bzw. Use-Cases werden intern weiterentwickelt. Ab einem gewissen Entwicklungsgrad werden die Anwendungen auch extern angeboten. Neben den ausgewählten Ideen kommen noch weitere hinzu, die in die „Ideen-Pipeline“ einfließen. Das jüngste Innovationsprojekt arbeitet gerade an einem speziell angepassten Workflow, der über mehrere Software-Schnittstellen hinweg funktioniert. Dadurch soll das bestmögliche Ergebnis erreicht werden. Ziel ist es, die vielversprechendsten Ideen zu Innovationen zu entwickeln und diese auf den Markt zu bringen.
Lassen Sie uns zum Schluss noch einen Blick in die Zukunft werfen: Wie wird sich die Digitalisierung in den nächsten Jahren weiterentwickeln?
Mettendorff: Ich erwarte mir eine Beschleunigung. Ich glaube, dass wir alle noch digitaler arbeiten werden, besonders mit Plattformen wie Microsoft-Teams oder BIM-Collab. Meine Erwartungshaltung ist außerdem, dass das IFC-Format innerhalb der nächsten zehn Jahre ohne aufwendige Exportier- und Importierschritte interoperabel genutzt werden kann und uns somit einen noch effizienteren Datenaustausch ermöglicht. Auch in Hinblick auf KI und Automatisierung wird viel passieren, wir sehen hier einen direkten Nutzen für uns. Es wird eine spannende Zeit.