FFG Forschungsprojekt

Kühlendes Grün

Sonnenschutz
17.01.2024

Glasverbauten sind im Sommer oftmals für hohe Wärme in Innenräumen und einen intensiven Energiebedarf verantwortlich, da dadurch die Klimaanlagen im Dauereinsatz sind. Eine umwelt- und menschenfreundliche Lösung möchte das FFG-Forschungsprojekt "GLASGrün" anbieten.
Projekt GLASGrün

Eine Vielzahl an Supermärkten setzt auf Glasverbauten bei ihren Filialen. Diese Bauweise hat zum Vorteil, dass viel natürliches Licht in die Verkaufsflächen vordringt. Doch Glasverbauten haben auch zahlreiche Nachteile. Die vielleicht negativste Eigenschaft ist die Weitergabe von Wärme im Sommer und die damit einhergehenden hohen Energiekosten, da weder Mitarbeiter*innen, noch Kund*innen und schon gar nicht verderbliche Ware es gerne heiß und schwül um sich haben. Die Klimaanlagen befinden sich im Dauereinsatz, um so für eine erträgliche Temperatur zu sorgen. Dass es auch anders geht, und das trotz Glasverbauten, das will das FFG-Forschungsprojekt "GLASGrün" zeigen. Koordiniert wird das Projekt von der Universität für Bodenkultur Wien (Boku), als Kooperationspartner sind lichtblau.wagner architekten generalplaner zt gmbh, Rataplan - Architektur ZT, MPREIS, TB Oberkircher, das Österreichische Institut für Bauen und Ökologie (IBO) sowie die GrünStattGrau Forschungs- und Innovations-GmbH mit an Bord.

Projekt GLASGrün
Am Anfang war das Grün noch sehr spärlich..."

Pflanzenmix

Das Projekt "GLASGrün" zielt darauf ab, eine Regulierung des Mikroklimas im Rauminneren zu erreichen und dadurch den Energiebedarf zu senken sowie das Wohlbefinden bei Menschen zu heben. Das soll durch bautechnisch integriertes, vertikales Grün gelingen. Mittlerweile gibt es zwei Demonstrationsorte, an denen die Begrünung getestet wird. Seit dem Frühsommer 2022 ist das Lebensmittel-Einzelhandelsunternehmen MPREIS, mit einer Filiale in Sölls in Tirol, dabei, und seit Juni 2023 ist das technische Beratungsunternehmen TB Oberkircher, in der Wiener Kreuzgasse, mit einem weiteren Objekt vertreten. Denn nicht nur bei Supermärkten gibt es Glasverbauten, die sich erhitzen. Doch gut Ding braucht Weile, von heute auf morgen kann die Bepflanzung natürlich nicht für weniger Energieverbrauch und Kühlung des Innenraums sorgen. In Tirol wurden vier Pflanzenarten für das Projekt angepflanzt: Aristolochia macrophylla (Pfeifenwinde), Wisteria sinensis (Chinesische Wisteria), Humulus lupulus (Hopfen) und Vitis coignetiae (Scharlachrebe). "Die Idee dahinter ist, dass wir den Einfluss verschiedener morphologischer Merkmale der Pflanzen untersuchen wollen", sagt Thomas Wultsch vom Boku Institut für Ingenieurbiologie und Landschaftsbau (IBLB). Manche Arten sind bei der Begrünung bereits nach einem Jahr ein gutes Stück fortgeschritten. "Im Sommer 2023 war Wisteria sinensis an der Südost Seite bereits über die Erwartungshaltung entwickelt und hat teilweise mehr als 75 Prozent der Fläche bedeckt" so Wultsch.

Projekt GLASGrün
"...doch nach einiger Zeit war die Begrünung deutlich vorangekommen"

Vieles hängt bei der Begrünung von der geografischen Lage ab, also wo die Pflanzen zum Einsatz kommen und die Glasfront bedecken müssen. So braucht der Wuchs beispielsweise an der Nordwestseite, die erst am späteren Abend vermehrt Sonne abbekommt, etwas länger. "Die Daten bezüglich Einsparungen beim Energieverbrauch sind noch nicht ausgewertet. Hierzu erwarten wir mit Projektende im Jahr 2024 übersichtliche Erkenntnisse", erklärt Rosi Stangl vom Boku Institut für Ingenieurbiologie und Landschaftsbau (IBLB). Auch die genauen Auswirkungen auf die Reduktion bei den Temperaturen können aktuell noch nicht exakt abgeschätzt werden, denn der zukünftige Beschattungsgrad wird das Kühlpotenzial bestimmen. "Der Grad der Beschattung hängt weitgehend von der Dichte der Belaubung ab, daher sind ausreichend hohe und vitale Pflanzen mit gutem Blattkörper wichtig", meint Rudolf Bintinger vom Österreichischen Institut für Bauen und Ökologie (IBO). Zur MPREIS-Filiale in Söll liegen allerdings, wie bereits oben erwähnt, erste Erkenntnisse zur Transmissivität des Sonnenlichts vor. Von den vier verwendeten Arten scheinen Humulus lupulus und Wisteria sinensisbesonders geeignet zu sein. "Diese Pflanzen halten bereits im ersten Jahr rund 75 Prozent der vor der Begrünung auftreffenden Solarstrahlung ab. Wir sind gerade dabei, einen Vergleich zu technischen Verschattungselementen auszuarbeiten", so Bintinger.

Hohe Akzeptanz bei Kund*innen

Um quantitative Daten zu Energie-, Temperatur- und Mikroklimahaushalt zu erhalten, wurden an den Demonstrationsstandorten in Wien und Tirol Sensoren und Messtechnik angebracht. Im Außenbereich, hinter der Begrünung und im Innenraum, an den Arbeitsplätzen. Damit soll die eintreffende Solarstrahlung, die Lufttemperatur sowie Feuchtigkeit und die Windgeschwindigkeit gemessen werden. "Am Dach des Standorts MPREIS Söll befindet sich eine meteorologische Wetterstation, die ebenfalls die relevanten Daten und zusätzlich den Niederschlag misst und im Messbereich der Obkircher Fassade wird mit sogenannten Net-Radiometern auch die reflektierende Strahlung an der Begrünung und der dahinter liegenden Glasfassade erfasst" erläutert Bintinger die Vorgehensweise, bei den Messungen. Außerdem spielen im Innenraum die Messdaten der Klimaanlagen eine Rolle.

Doch was sagen Kund*innen und Mitarbeiter*innen zur Begrünung der Fassaden? Umfragen zur Akzeptanz und Wahrnehmung wurden vom Institut für Soziale Ökologie an der Boku an beiden Standorten in Söll und Wien durchgeführt. "Bei der Befragung zeigt sich eine hohe Akzeptanz von Begrünungsvorhaben bei Kund:innen und Passant:innen", sagt Barbara Smetschka vom Boku-Institut für Soziale Ökologie (SEC). "Die Begrünungen tragen bei den Befragten zu höherem Wohlbefinden bei, da die Bepflanzung als schön und angenehm beurteilt wird. Für Kund*innen steht dabei die Ästhetik und der Beitrag der Pflanzen zu besserer Luftqualität und angenehmeren Temperaturen im Vordergrund." Besonders die Punkte Ästhetik, Natur- und Klimaschutz, die verbesserte Luftqualität, ein geschützter Lebensraum für Wildtiere, kontrollierte Temperatur und weniger Lärmbelästigung war für die Befragten wichtig. "Positive Wahrnehmung geht einher mit einer hohen Zustimmung zur Dringlichkeit von Klimaschutzmaßnahmen, wobei die Zustimmung im urbanen Raum höher ist als im ruralen Standort", erklärt Smetschka die Ergebnisse. Skeptisch zeigten sich die Befragten bei den Punkten Wartungsarbeiten, Wartungskosten, Schädlingsbefall, sowie Schäden am Gebäude. "Es ist daher wichtig geeignetes Informationsmaterial und Schulungen anzubieten, den Prozess der Begrünung und Wartung mit Mitarbeiter:innen zu planen und Kund:innen über den Nutzen von Begrünung zu informieren", so Smetschka.

Das Projekt "GLASGrün" findet im Sommer 2024 seinen Abschluss.

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