Tageslichtplanung
Sonnenschutz in jeder Lage
Tageslicht ist verantwortlich für die gute visuelle, biologisch wirksame und energieeffiziente Beleuchtung von Innenräumen. Deren ausreichende Versorgung mit dieser wertvollen Ressource hängt stark von architektonischen Parametern wie Grundrissen und Fassadenlayout ab. Diese Parameter werden in sehr frühen Planungsphasen festgelegt und sind wesentliche strukturelle Vorgaben – Versäumnisse sind also später schwer zu kompensieren. Um das Licht sinnvoll zu managen, ist variabler Sonnenschutz notwendig.
"Im Gegensatz zum Wärmeschutz im Hochbau wird ein Nachweis einer ausreichenden effektiven Belichtungsfläche unter Berücksichtigung von negativen und positiven Einflussfaktoren derzeit nicht gefordert. Eine gute und energieeffiziente Tageslichtplanung ist eine integrative Aufgabe, für die es auch entsprechende Berechnungsverfahren gibt", so Johann Gerstmann, Sprecher des Bundesverbandes Sonnenschutztechnik. Vielen Architekt*innen ist die Herausforderung Tageslicht bewusst und sie arbeiten daher bereits mit deutlich mehr Belichtungsflächen.
Tageslicht in der Gebäudeplanung
Kunstlicht kann Tageslicht nicht ersetzen. "Dieser Wert wurde hierzulande eigentlich schon früh erkannt. Denken wir an das vor ziemlich genau 100 Jahren entwickelte Konzept der Gemeindebauten in Wien. Neben vielen anderen Neuerungen, waren vor allem die direkte Belichtung aller Wohnräume und der Ausblick ins Freie zentrale Themen. Aus dieser Zeit stammt die Regel, dass die Belichtungsfläche zehn Prozent der Bodenfläche betragen muss", so Gerstmann. Auch die Fenster hatten zu diesem Zeitpunkt unbeschichtete Gläser mit einem hohen Lichttransmissionsgrad, und die Raumtiefen waren im Vergleich zu heute geringer. Dazu befanden sich in den meisten Fällen kaum Auskragungen über den Fenstern, die den freien Lichteinfall gemindert hätten.
Schutz vor Überwärmung
In der österreichischen OIB-RL3 "Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz" ist die ausreichende Belichtung eines Raumes als das Verhältnis von Belichtungsfläche zu Bodenfläche mit zwölf Prozent Architekturlichte festgeschrieben, wobei die Fläche von Vorbauten wie Balkone und Loggien – im Gegensatz zu Deutschland – nicht mitgerechnet werden muss. Dieser Minderungsfaktor müsste laut Gerstmann aber berücksichtigt werden, genauso wie geänderte Raumgeometrien, komplexe Verglasungen mit deutlich geringerer Lichttransmission, stärkere Fensterrahmen für Mehrscheibenverglasungen und vor allem auch vertikale und horizontale Auskragungen. "Es geht im modernen Wohnbau vor allem darum, Loggien und Balkone tageslichtwirksam zu planen, und beispielsweise den Verlust an Tageslicht durch größere oder auch zusätzliche Glasflächen zu kompensieren", so Gerstmann. Zudem reicht es für den Nachweis der Sommertauglichkeit nicht aus, Überstände für den Sonnenhöchststand auszulegen, weil auch die intensive Sonne aus Süd-Ost und Süd-West mitberücksichtigt werden muss. Da sich bei Gebäuden mit guter thermischer Hülle die Überwärmungsperiode von Ende April bis Anfang Oktober erstreckt, wären auf Südfassaden Auskragungen von mindestens 2,5 Meter notwendig. Dies reduziert jedoch den Lichteintrag permanent um 60 Prozent und mehr und sperrt die Sonne auch an Nicht-Hitzetagen zur Gänze aus. Um einen art- bzw. bedarfsgerechten Eintrag von Sonne und Licht zu gewährleisten, bedarf es daher immer einer variablen Beschattung in Form von Fenstermarkisen, Raffstore, Roll- und Schiebeläden.
Temporäre Herausforderung
Schutz vor zu intensiver Sonneneinwirkung ist somit eine temporäre Herausforderung, die sich auf zirka 30 Prozent der Tagesstunden in der warmen Jahreszeit beschränkt, während eine gute Tageslichtversorgung das ganze Jahr sichergestellt sein sollte und insbesondere für die dunklere Jahreshälfte von ganz besonderer Bedeutung ist. "Kunstlicht am Tag sollte weder aus biologischer noch aus energetischer Sicht die Konsequenz dafür sein, Gebäude vor Überwärmung zu schützen. Weltweit verursacht elektrische Beleuchtung etwa 15 Prozent des gesamten Stromverbrauchs und fünf Prozent der Treibhausgase", sagt Gerstmann. "Diese Bestandsaufnahme veranschaulicht, dass sich in den letzten 100 Jahren nicht nur die Mindestanforderung für eine ausreichende Belichtung real um 30 bis 85 Prozent verschlechtert hat, sondern man kann sich generell nicht des Eindrucks erwehren, dass Tages- und direktes Sonnenlicht wissentlich oder unwissentlich anderen bautechnischen Anforderungen geopfert wurden." Als Experte des Bundesverbandes Sonnenschutztechnik fordert Gerstmann daher, dass Tageslicht eine Planungsdisziplin werden sollte und sich die OIB hinsichtlich der erforderlichen Mindestbelichtung an die modernen Bauweisen und Bauelemente anpassen muss.
Deutschlands höchstes Wohnhochhaus
Der Grand Tower an der Frankfurter Europa-Allee ist mit 180 Metern Deutschlands höchstes Wohnhochhaus. Der von Magnus Kaminiarz & Cie. entworfene und von GSP Städtebau entwickelte Wohnturm verfügt über 51 Geschosse mit 418 Wohnungen. Wabenartige Loggia-Elemente strukturieren die vollständig verglaste Fassade und bieten ein Maximum an Privatsphäre mit einem phantastischen Blick über die Stadt. Für die raumhohen Fenster wurde von Warema eine maßgeschneiderte Sonnenschutzlösung gefunden, die den Windlasten in extrem großer Höhe standhalten kann.
Der 2020 fertiggestellte Grand Tower setzt Maßstäbe, nicht nur in der Höhe. Für seine Architektur und die technische Ausstattung wurde das Hochhaus schon mit einer Vielzahl nationaler und internationaler Auszeichnungen bedacht, unter anderem mit dem German Design Award.
Imposante Fassade
Tubenartige Loggien umhüllen den schlanken Turm. Die eigentliche Außenhülle ist mit bodentiefen Fenstern fast vollständig verglast und erlaubt spektakuläre Ausblicke und eine optimale Belichtung der dahinterliegenden Wohnräume.
Hohe Anforderungen galten auch für die technische Ausstattung in den Wohnungen und an der Fassade. Um hier trotz der großzügigen Verglasung alle bauphysikalischen Vorgaben erfüllen zu können, musste eine adäquate Lösung mit außenliegendem Sonnenschutz gefunden werden. Damit betraten die Planer*innen technisches Neuland, denn bisher war bei Gebäuden dieser Höhe noch kein außenliegender Sonnenschutz verbaut worden.
Sonnenschutz für höchste Ansprüche
In enger Abstimmung zwischen Architekt, Fassadenbauer und dem Sonnenschutz-Spezialisten Warema wurden die Sonnenschutzanlagen über projektspezifische Sonderanfertigungen vollständig in die Fassade integriert. Um eine möglichst hohe Windstabilität von 24 m/s zu erreichen und eine maximale Durchsicht bei gleichzeitig gutem sommerlichen Wärmeschutz zu gewährleisten, wurde für den Grand Tower eine Fenstermarkise von Warema mit easyZip Führung und einem Behang aus schwarzem Soltis 86 Gewebe gewählt.
Mit der Erstellung eines Windgutachtens und über eine BUS-Steuerung, die neben dem Sonnenstand auch die jeweilige Windrichtung, die Geschosshöhe und die Gebäudegeometrie berücksichtigt, wurde von Warema auch ein maßgeschneidertes Steuerungskonzept umgesetzt. Damit konnte dem Wunsch nach einer möglichst individuellen Nutzung der Sonnenschutzanlagen entsprochen werden, ohne die Sicherheit bei Starkwind zu gefährden.