VGW Entscheid
Der feine Unterschied zwischen Üblichkeit und Zulässigkeit
Eine „falsche“ Gewohnheit wird in der Praxis dadurch verstärkt, dass öffentliche und Sektorenauftraggeber nicht sehr häufig die Kalkulation von Angeboten im Detail prüfen. Immer wieder ist man also auch damit (trotzdem) erfolgreich.
Es sollte einem Bieter aber das damit verbundene Risiko bewusst sein: Manchmal wird doch vom Auftraggeber genauer hingesehen, und dann entstehen Probleme.
Eine Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Wien vom 18.10.2023 (VGW-123/072/9969/2023) ist ein gutes Beispiel dafür.
Ersuchen um Aufklärung
Es ging um Maler- und Anstreicherarbeiten. Im Leistungsverzeichnis waren unter anderem die Positionen „Kosten eigener Baubetrieb“, „Kosten eigene Stillliegezeit“, „Kosten SiGe Baubetrieb“ und „Kosten SiGe Stillliegezeit“ enthalten. Wie üblich waren die Preisanteile „Lohn“ und „Sonstiges“ getrennt im Angebot anzugeben.
Ein Bieter gab den Preisanteil „Lohn“ jeweils mit 0,00 Euro an. Der Auftraggeber ersuchte ihn um Aufklärung. Der Bieter antwortete, dass in seiner Kalkulation „sämtliche nicht direkt zuordenbare Lohn- und Gehaltskosten den Geschäftsgemeinkosten zugeordnet werden, da in Ausschreibungen über Malerleistungen üblicherweise keine zeitgebundenen Baustellengemeinkosten in separaten Positionen ausgewiesen werden“. Daher sei der Zuschlag für Geschäftsgemeinkosten „etwas höher“ angesetzt worden
Der Auftraggeber schied das Angebot gemäß § 141 Abs. 1 Ziffer 3 Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG 2018) aus (nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises).
Erfolglose Anfechtung
Der Bieter bekämpfte diese Entscheidung beim Landesverwaltungsgericht, allerdings erfolglos; das Ausscheiden seines Angebots wurde bestätigt. Das Gericht begründete dies insbesondere wie folgt:
Der Inhalt des Leistungsverzeichnisses habe den „eindeutigen Erklärungswert dahingehend“, dass diese zeitgebundenen Baustellengemeinkosten in den genannten Positionen auszuweisen sind (es waren dafür auch keine anderen Positionen vorgesehen).
Zu den Argumenten des Bieters (dass das bei Malerarbeiten nicht üblich sei; dass sein Kalkulationsprogramm das nicht vorsehe; und dass die Ausschreibung nicht der ÖNORM B 2061 entspreche – hierzu merkte das Gericht an, dass das Beweisverfahren keine Anhaltspunkte für eine Normwidrigkeit ergeben hätte) verwies das Gericht darauf, dass der Bieter die Ausschreibung bei Bedenken dagegen rechtzeitig (also vor Angebotslegung) anfechten hätte müssen. Da er das nicht getan hat, wurde sie „bestandsfest“ und war dem weiteren Vergabeverfahren unverändert zugrunde zu legen.
Spekulative Preisgestaltung
Die Kosten wären vom Bieter weiters nicht nur ausschreibungswidrig (also nicht in die dafür vorgesehenen Positionen) kalkuliert worden, sondern es hätte sich auch um eine spekulative Preisgestaltung gehandelt: Durch die Umlagerungen in die Geschäftsgemeinkosten würden bei Veränderung der Menge der betroffenen Positionen die umgelagerten Kosten nicht berücksichtigt; dafür würden aber bei Veränderung anderer Positionen auch die in den Zuschlägen kalkulierten zeitgebundenen Baustellengemeinkosten berücksichtigt, auch wenn diese anderen Positionen keinen Zusammenhang mit den Baustellengemeinkosten hätten.
Außerdem wäre die Aufklärung des Bieters auch schon deshalb unzureichend (nämlich zu ungenau) gewesen, weil er nicht einmal offengelegt hat, in welcher Höhe die umgelagerten Kosten berücksichtigt worden wären (er hatte nur angegeben, dass die Geschäftsgemeinkosten „etwas höher“ angesetzt worden wären).
Daher wäre das Angebot zu Recht ausgeschieden worden, es lägen sogar zwei Ausscheidensgründe vor; neben dem vom Auftraggeber angeführten nämlich auch jener nach § 141 Abs. 1 Ziffer 7 BVergG 2018 (ausschreibungswidriges Angebot). ■