CE-Kennzeichnung

Ein Urteil mit Folgen

Baurecht
04.06.2024

 
Seit Kurzem definiert der OGH die CE-Kennzeichnung als Vereinbarungssache. Das ändert an der Pflicht zur CE-Kennzeichnung nichts, führt aber zu erhöhtem Aufwand. Ein Beitrag von Georg Matzner.
CE Kennzeichen
CE Kennzeichen

In der Ausgabe 5/2024 der Bauzeitung wurde über das OGH Urteil 7Ob 43/23h zur CE-Kennzeichnung berichtet („Tatsache schlägt Zertifikat“). Kernsatz des Urteils ist, dass vertraglich ausdrücklich festgehalten werden muss, welche Eigenschaften ein Bauprodukt (hier Türen) aufweisen muss, um als (sach)-mängelfrei beurteilt werden zu können. Demnach ist auch die CE-Kennzeichnung Vereinbarungssache und ihr Fehlen kein (!) Qualitätsmangel.

Ungewöhnliche Argumentation

Diese Argumentation mag stringent zur bisherigen Judikatur des OGH sein, ist aber trotzdem nicht lebensnahe und zumindest ungewöhnlich. Warum? Jeder Käufer von Produkten sollte davon ausgehen können, dass diese allen gültigen Gesetzen, also auch den europäischen Vorgaben und damit auch den Anforderungen der CE-Kennzeichnung entsprechen. Es wird in diesem Urteil also über Produkte entschieden, die gar nicht hätten in Verkehr gebracht werden dürfen.
Ergänzend ist festzuhalten, dass die CE -Kennzeichnung primär an die Marktaufsichtsbehörden gerichtet ist und nicht an den Endverbraucher. Wieso dann aber ebendieser Endverbraucher unter Strafandrohung stehende Pflichten des Herstellers vertraglich noch einmal festhalten muss, um deren Einhaltung sicherzustellen, erschließt sich nicht und ist dem redlichen Erklärungsempfänger bzw. dem durchschnittlichen Käufer auch nicht zuzumuten.
Die OGH-Entscheidung ist umso verwunderlicher, weil die Strafbestimmungen bei „Fehlen der CE-Kennzeichnung“ im Bauproduktengesetz z.B. der Steiermark unter §23 (2) eine Geldstrafe bis € 50.000,- und unter §23 (7) den Verfall der Bauprodukte vorsehen. Da der Fall aber vermutlich verjährt ist, wird wohl nicht mehr viel passieren. Der Hersteller oder Inverkehrbringer der Türen hat somit Glück gehabt, dass niemand die fehlenden CE-Kennzeichnung - der Marktaufsicht für Bauprodukte angesiedelt im Österreichischen Institut für Bautechnik – zur Kenntnis gebracht hat. Damit hätte jedenfalls der Rechtsmangel der „fehlenden CE-Kennzeichnung“ behördlich verfolgt werden können.

Ein Urteil mit Folgen

In seiner Entscheidung stellte der OGH jedenfalls die Sachmängelfreiheit fest. Damit leistet das Urteil dem Inverkehrbringen ungekennzeichneter Produkte in Österreich Vorschub. Leider hat das Urteil aber auch Folgen für viele andere Produktgruppen mit CE-Kennzeichnungspflicht, wie Elektrogeräte, Druckgeräte, Maschinen, Spielzeug, Medizingeräte, etc. Denn bei den genannten Produkten müsste der Käufer ebenfalls entweder die CE-Kennzeichnung vereinbaren (!) oder es akzeptieren, falls sie nicht angebracht ist. Das macht das OGH-Urteil verwirrend. Gleichzeitig verkompliziert das Urteil die Beschaffung von Bauprodukten, verlangt es doch vom Käufer, egal ob privater Endverbraucher oder Unternehmen, Aufgaben der Marktaufsicht zu übernehmen und behindert so das Funktionieren des EU-Binnenmarktes. Wie relevant das OGH-Urteil für Streitigkeiten bei grenzüberschreitenden Lieferungen innerhalb der EU sein wird, wird sich zeigen.

Verträge anpassen

Die bestehende Pflicht zur CE-Kennzeichnung wurde in dem Urteil klar festgehalten. Es erscheint trotzdem ratsam Standardverträge und AGBs anzupassen. Ob eine Pauschalformulierung der Forderung nach „ausdrücklicher Vereinbarung“ genügt und ob private Endverbraucher und Unternehmen hunderte harmonisierte Normen jeweils mit dem Zusatz „mit gültigem CE-Kennzeichen“ vereinbaren müssen, wird wohl erst das nächste OGH-Urteil klären – inklusive der offensichtlichen Frage der Zumutbarkeit.

Zum Autor

Georg Matzner

Georg Matzner ist Fachreferent im Fachverband Metalltechnische Industrie und Geschäftsführer des Österreichischen Stahlbauverbandes.

Der Streit um Türen: Tatsache schlägt Zertifikat

Der hier angesprochene Artikel erläutert, dass die Qualität eines Bauprodukts nicht nur durch Zertifikate bestimmt wird, sondern durch die tatsächliche Übereinstimmung mit vertraglichen Vereinbarungen und technischen Standards. Im konkreten Fall wurde ein Streit um Türen behandelt, bei dem der Oberste Gerichtshof (OGH) entschied, dass die Türen trotz fehlender Zertifizierung mangelfrei sein könnten, wenn sie den vereinbarten Anforderungen entsprechen.