OGH-Entscheidung

Das Zurückbehaltungsrecht des Auftraggebers

Baumangel
30.05.2023

Mit vollständiger Errichtung des Werkes wird das vereinbarte Entgelt fällig und ist vom Auftraggeber zu bezahlen. Ist das Werk mangelhaft und fordert der Auftraggeber deshalb Verbesserung, ist er berechtigt, den Werklohn bis zur vollständigen Mängelbehebung einzubehalten.

Die Fälligkeit des Werklohns tritt dann nicht ein, wenn der Auftraggeber aufgrund von Mängeln die Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrages gemäß § 1052 ABGB erhebt. Der Auftraggeber kann den gesamten noch offenen Werklohn bis zur vollständigen Mängelbehebung zurückbehalten. Auf das Verhältnis zwischen Verbesserungsaufwand und Werklohn kommt es hierbei nicht an. Das Zurückbehaltungsrecht besteht auch bei geringfügigen Mängeln. 

Der Auftraggeber verliert das Recht zur Zurückbehaltung des Werklohns, wenn er die beabsichtigte Verbesserung des vorhandenen Mangels unberechtigterweise ablehnt oder er die nötigen Mitwirkungshandlungen zur Mängelbehebung durch den Werk­unternehmer unterlässt. Der Auftraggeber darf die Verbesserung nämlich nicht von Umständen abhängig machen, die den Vertrag – dessen Art, Umfang und Durchführung – übersteigen. So hat der OGH in der Vergangenheit bereits ausgesprochen, dass die Durchführung der Verbesserungsarbeiten nicht etwa von Bedingungen wie der Bezahlung der Gegenforderung oder der Übernahme der Verfahrenskosten abhängig gemacht werden darf. 
Ist der Mangel unbehebbar, besteht ebenfalls kein Zurückbehaltungsrecht – ein unbehebbarer Mangel kann nicht verbessert werden.

Entscheidung OGH 5 Ob 58/22y, 21. 12. 2022

Mit der Frage der Zulässigkeit des Zurückbehaltungsrechts hatte sich der OGH unlängst in der Entscheidung OGH 5 Ob 58/22y erneut auseinanderzusetzen.

Eine Auftragnehmerin begehrte vom Auftrag­geber den Werklohn für die Errichtung eines Swimming­pools. Der Auftraggeber bestritt die Berechtigung und Fälligkeit der Werklohnforderung und wandte eine auf Schadenersatz gestützte Gegenforderung ein. Die Auftragnehmerin positionierte den Swimming­pool zu nahe (2,70 m) an der Nachbarliegenschaft. Wird ein Abstand von 3 m zu einer Nachbarliegenschaft unterschritten, ist nach der Wiener Bauordnung eine Baubewilligung erforderlich. Diese lag nicht vor, der Swimmingpool war daher bauordnungswidrig (Bauwichunterschreitung). 
Diese Bauordnungswidrigkeit hätte durch ein vereinfachtes Bauverfahren saniert werden können. Der Auftraggeber weigerte sich, der Auftragnehmerin eine Vollmacht zur Vertretung vor der Baubehörde (zur Sanierung in Form der Durchführung des vereinfachten Bewilligungsverfahrens) zu erteilen, und lehnte auch die Besichtigung der Liegenschaft durch den Nachbarn, dessen Zustimmung für die Bau­bewilligung erforderlich wäre, ab. 

Die Vorinstanzen gaben der Werklohnklage statt, weil sie den Rechtsmangel der fehlenden Baubewilligung als behebbar ansahen und das Verhalten des Auftraggebers als Behinderung der Mängelbehebung werteten. Die Auftragnehmerin habe den Werkvertrag insofern mangelhaft ausgeführt, als sie die Poolwanne zu knapp an der Grundstücksgrenze situiert habe. Dieser Rechtsmangel sei zwar als wesentlich anzusehen, nicht aber als unbehebbar. Ein Rechtsmangel des öffentlichen Rechts sei nur dann unbehebbar, wenn feststeht, dass die fehlende Bewilligung nicht nachgetragen werden kann. Die Sanierung wäre mittels vereinfachten Bauverfahrens möglich gewesen. Der Auftraggeber habe die realistischen Bemühungen der Auftragnehmerin dazu nicht nur nicht unterstützt, sondern behindert. Der OGH billigte die Beurteilung der Vorinstanzen und wies die dagegen gerichtete Revision zurück.

Fazit

Mit dieser Entscheidung bekräftigte der OGH seine ständige Rechtsprechung, wonach der Auftraggeber bei Unterlassung der geforderten Mitwirkung an der Mängelbehebung sein Zurückbehaltungsrecht verliert. 

Zu beachten gilt, dass es sich beim Zurückbehaltungsrecht um dispositives Recht handelt – es kann also vertraglich angepasst werden. Es empfiehlt sich daher, im Werkvertrag jedenfalls Regelungen betreffend Umfang und Voraussetzungen des Zurückbehaltungsrechts festzulegen.

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Bau