Vergaberecht
Die Grenze des Subunternehmereinsatzes
Dieser vergaberechtliche Grundsatz ist weithin bekannt. Das Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG 2018) enthält das Verbot, den gesamten Auftrag an Subunternehmer weiterzugeben. Ausgenommen davon sind bloße Lieferaufträge und die Weitergabe an verbundene Unternehmer.
Wenn man gesetzliche Bestimmungen so auszulegen versucht, dass sie eine mathematische Präzision in sich tragen, könnte man meinen, dass diese Bestimmung völlig klar ist: 100 Prozent des Auftrags dürfen nicht weitergegeben werden, jeder Anteil kleiner als 100 Prozent schon. Leider sind Gesetze nicht mathematisch präzise. Der folgende Fall, der vom Verwaltungsgerichtshof zu entscheiden war (VwGH 25.1.2022, Ro 2018/04/0017), zeigt dies wieder einmal.
Der Ausgangsfall
Ein Bieter gestaltete sein Angebot so, dass etwa 98 Prozent der Leistungen an einen Subunternehmer weitergegeben werden sollten. Die dem Bieter selbst verbleibenden Leistungen waren – neben der Organisation und Disposition der Ausführung – lediglich Beistellungen bestimmter Geräte. Der Auftraggeber schied das Angebot wegen Verstoßes gegen das Vergaberecht aus. Der Bieter bekämpfte die Entscheidung beim Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG).
Die Entscheidung des LVwG
Das LVwG wies den Antrag ab und begründete das wie folgt:
Das gegenständliche vergaberechtliche Verbot diene der Unterbindung eines "Auftragshandels". Dieses Ziel werde verhindert, wenn man in jeder kleinen, noch so unbedeutenden Eigenleistung des Bieters keine Weitergabe des gesamten Auftrags sähe.
Die Organisation und Disposition des Auftrags sei keine eigene Leistungsposition, außerdem bestünde diesbezüglich aufgrund der personellen Verflechtung zwischen Bieter und Subunternehmer auf Geschäftsführer- und Gesellschafterebene auch kein Kommunikationsbedarf. Für die zwei Prozent Gerätebeistellung des Bieters gab es zwar eigene Positionen im Leistungsverzeichnis, aber Gerätebeistellung sei trotzdem bloße Hilfstätigkeit, und angesichts der Weitergabe von 98 Prozent der Leistungen bestehe ein erhebliches Ungleichgewicht.
Der Bieter wandte sich gegen diese Entscheidung des LVwG mittels Revision an den VwGH.
Die Entscheidung des VwGH
Der VwGH sah dies anders und hob die Entscheidung des LVwG auf, und zwar mit folgender Begründung:
Im Anlassfall war die Gerätebeistellung keine bloße Hilfsleistung, da es eigene Positionen im Leistungsverzeichnis gab, die gesondert auszupreisen waren. Es handelte sich daher um eigene Teilleistungen, weshalb keine Weitergabe des gesamten Auftrags vorlag.
Entgegen der Ansicht des LVwG kommt es laut VwGH nicht auf ein erhebliches Ungleichgewicht oder ein weitgehendes Überwiegen der weitergegebenen Leistungen an, sondern – im Sinne des gesetzlichen Wortlauts – bloß darauf, ob eben der "gesamte" Auftrag weitergegeben werde oder nicht.
Der Praxistipp
Wesentlich ist im Angebot nicht nur die Beachtung des Verbots der Weitergabe aller Leistungen an Subunternehmer, sondern auch das genaue Einhalten der Ausschreibungsbestimmungen. Das BVergG 2018 enthält in § 98 Abs. 4 (im Sektorenbereich: § 268 Abs. 4) Möglichkeiten für den Auftraggeber, die Zulässigkeit der Weitergabe von Leistungen an Subunternehmer einzuschränken.
Diese Möglichkeiten sind zwar abhängig von den sachlichen Umständen des Einzelfalls (etwa das Recht des Auftraggebers, sogenannte "kritische Aufgaben" festzulegen, die im Auftragsfall vom Bieter selbst auszuführen sind). Aber erstens kommen solche Umstände gerade bei Bauleistungen regelmäßig vor; und zweitens ist auch dann, wenn es keine solchen sachlichen Umstände geben sollte, aber die Ausschreibung nicht rechtzeitig vor Ende der Angebotsfrist angefochten wird, die Ausschreibung (da sie "bestandsfest" ist) einzuhalten. Andernfalls riskiert man das Ausscheiden des Angebots.