Die Vollmacht des Bauleiters – Wo liegen die Grenzen?

Rechtstipps
27.05.2022

Wie weit geht die Handlungsvollmacht des Bauleiters? Darf dieser alle gewöhnlichen Geschäfte abschließen, oder gibt es Grenzen?

Die klagende Baugesellschaft führte im Auftrag der beklagten Baugesellschaft, mit der sie bereits in einer längeren Geschäfts­beziehung stand, Arbeiten an einem Dachgeschoßausbau durch. Geklagt wurde auf den in der Schlussrechnung ausgewiesenen restlichen Werklohn. Im Vertragswerk der Streitparteien war, abgesehen von der ÖNorm B 2110, vereinbart, dass die Auftragssumme nicht überschritten werden darf. Sollte es dennoch darüberhinausgehende Leistungen benötigen, müssten diese als Zusatzaufträge schriftlich erteilt werden. Bei diesem Bauvorhaben wurden alle Besprechungen zwischen den jeweiligen Bauleitern der ausführenden Unternehmen abgehalten. Ein Geschäftsführer der Beklagten nahm an keiner einzigen Besprechung teil. Während der Ausführung kam es, wie so oft, zu Planänderungen und Zusatzauf­trägen. Diese wurden zwischen den Bauleitern und der Bauherrin mündlich vereinbart und von der Klägerin danach per E-Mail schriftlich festgehalten.

Durch diese Zusatzleistungen erhöhte sich die Auftragssumme von ursprünglich 83.000 Euro auf knapp 142.000 Euro. Die Beklagte zahlte nur die ­Differenz, woraufhin die Klägerin schriftlich protestierte und schließlich die Klage auf Zahlung des offenen Schlussrechnungsbetrages einreichte. Die Beklagte bestritt das Klagebegehren u. a. damit, dass ihr Bauleiter nicht bevollmächtigt gewesen sei, Zusatzaufträge in solch einem Ausmaß zu erteilen, und auch die Schriftform nicht eingehalten worden sei.

OGH 29.11.2021, 8 Ob 60/21p

Der OGH führte anfangs ganz allgemein aus, dass ein Bauleiter gem. § 54 UGB zu allen Geschäften und Rechtshandlungen bevollmächtigt ist, die die Vornahme der Geschäfte eines solchen Bauleiters gewöhnlich mit sich bringen. Ausschlaggebend ist hierbei das Wort "gewöhnlich". Dabei kommt es darauf an, was in dem jeweiligen Unternehmen für gewöhnlich angesehen wird. In den meisten Fällen genügt aber Branchenüblichkeit, wobei der Begriff "gewöhnlich" nicht zu eng aufgefasst werden darf. Ungewöhnlich wäre aber, wirtschaftlich bedeutende Punkte in Verträgen, wie z. B. Pönalen, zu ergänzen oder abzuändern. Der OGH führt weiter aus, dass, wenn besondere Umstände vorliegen, aus denen der Vertragspartner auf eine solche erweiterte Vollmacht schließen darf und der entsprechende Umstand auf die befugten Organe des Vertretenen zurückzuführen ist, auch außergewöhnliche Geschäfte abgeschlossen werden dürfen. Der Bauleiter habe im Ergebnis Zusatzaufträge der Bauherrin an den Kläger vergeben, wobei die Beklagte alle Besprechungen diesem überlassen und seine Entscheidungen immer akzeptiert hatte. Der OGH kam daher zu dem Ergebnis, dass die Entscheidung der Vorinstanzen, wonach der Bauleiter der Beklagten angesichts der festgestellten Umstände als Handlungsbevollmächtigter i. S. d. § 54 UGB die Zusatzaufträge wirksam erteilt hat, korrekt ist. Vom vereinbarten Schriftformgebot sei dabei schlüssig einvernehmlich abgegangen worden.

Fazit

In der Praxis bezieht sich die Vollmacht des Bauleiters auf gewöhnliche Geschäfte, welche notwendig sind, um das Geschäft eines solchen Bauleiters auszuführen. Allerdings ist stets auf den Einzelfall abzustellen. Zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten sollten zum Vollmachtsumfang des Bauleiters klare Regelungen im Vertrag getroffen werden.

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