Rechtstipp

Streit um Türen: Tatsache schlägt Zertifikat

Zertifizierung
17.04.2024

Die Qualität eines Bauprodukts ist nicht von der Klassifizierungsangabe des Herstellers abhängig. Ein Mangel besteht nur dann, wenn das Produkt tatsächlich nicht der vertraglichen -schlüssigen -Vereinbarung entspricht.

Im Anlassfall beauftragte der Kläger die Beklagte mit der Lieferung und Montage von Türen für seinen Gaststättenbetrieb. Die gelieferten Türen weisen -wie von den EN 14351-1 und EN 12400 vorausgesetzt -eine CE-Zertifizierung auf. Die zum Lieferzeitpunkt geltende ÖNORM B 5339 schreibt für die Dauerfunktion von Türen in öffentlichen Gebäuden -inklusive Gaststätten - die Anforderung Klasse 6 nach der Klassifizierungsnorm 12400 vor.

Ein Streit um Türen

Die streitgegenständlichen Türen weisen lediglich die Erfüllung der Anforderungen der Klasse 5 EN 12400 auf, es ist aber aufgrund der verwendeten Profilsysteme mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Türen bei einer Dauerfunktionsprüfung auch die Anforderungen der Klasse 6 erfüllen. Ein nachträgliches Prüfungszeugnis für eine höhere Klasse kann für bereits gefertigte Türen allerdings nicht mehr erlangt werden. Die Klägerin begehrte Wandlung, da die Türen nicht dem Stand der Technik und den einschlägigen Normen entsprächen, die Beklagte wandte ein, die Türen entsprächen dem Stand der Technik und dem Verwendungszweck, eine bestimmte Zertifizierung sei nicht vereinbart worden. Der OGH hatte nunmehr die Frage zu klären, ob bei Türen aufgrund einer fehlenden Zertifizierung der Dauerfunktionsklasse nach der Klassifizierungsnorm EN 12400 im konkreten Fall ein Mangel vorliegt, oder nicht.

Entscheidung -OGH 8 Ob 9/23s

In seiner Entscheidung stellt der OGH zunächst klar, dass mit der Anbringung einer CE-Kennzeichnung und dem dazugehörigen Leistungspass vom Hersteller eines Produkts eigenverantwortlich erklärt wird, dass das Produkt allen anzuwendenden Vorschriften der Europäischen Union entspricht und die entsprechenden Konformitätsbewertungsverfahren durchgeführt wurden. Über diese Angaben hinaus trifft eine CE-Kennzeichnung grundsätzlich keine Aussage über die Qualität des Bauprodukts. Er bestätigt damit die bisherige Rechtsprechung, wonach ein Mangel allein wegen der Verwendung nicht CE-gekennzeichneter Bauprodukte nur dann in Betracht kommt, wenn eine CE-Kennzeichnung vereinbart wurde (vgl OGH 28.06.2023,7 Ob 43/23h).
Weiters führt der OGH aus, dass den Feststellungen folgend die Streitparteien weder eine bestimmte CE-Leistungskennzeichnung, noch die Beibringung anderer Prüfnachweise vereinbart haben. Einigung bestand jedoch darüber, dass die Türen als Gasthaustüren Verwendung finden würden. Konsequenterweise ergibt sich bei der Vertragsauslegung daraus die schlüssige Vereinbarung einer dem Stand der Technik entsprechenden tatsächlichen Eignung für diesen Zweck.

Die Rolle der ÖNORM

Der OGH hält fest, dass der Stand der Technik bei Bauprodukten insbesondere aus den einschlägigen internationalen bzw ÖNORMEN zur ermitteln ist. Außentüren im gewerblichen Bereich müssen demnach der Funktionsklasse 6 der EN 12400 entsprechen. Entsprechen die streitgegenständlichen Türen jedoch -wie vom Hersteller angegeben - tatsächlich nur der Funktionsklasse 5, würden sie den Anforderungen des schlüssig vereinbarten Standes der Technik nicht entsprechen und mangelhaft sein.

Präzise Vereinbarungen

Im Anlassfall ist für eine abschließende Beurteilung eine Klarstellung der Feststellungen notwendig. Sollte festgestellt werden, dass die Türen die Qualitätsanforderungen der Klasse 6 EN 12400 tatsächlich erfüllen, wäre dem Kläger der ihm obliegende Nachweis des Mangels nicht gelungen. Entsprechen die Türen hingegen nicht den Qualitätsanforderungen der Klasse 6, wäre vom Fehlen einer bedungenen Eigenschaft auszugehen und das Vorliegen eines wesentlichen Mangels zu bejahen.
Sofern kein formaler Nachweis einer bestimmten Funktionsklasse vereinbart wurde, kann die Qualität eines Bauproduktes demnach auch auf andere Weise festgestellt werden.Es empfiehlt sich, im Vertrag präzise zu vereinbaren, welche Eigenschaften ein Bauprodukt konkret aufweisen muss, um als mangelfrei beurteilt zu werden.