Zulässig?
Feststellungsklage bei unklarer Höhe der Sanierungskosten
Bei Klagen im Allgemeinen muss zwischen Leistungsklagen, Gestaltungsklagen und Feststellungsklagen unterschieden werden. Leistungsklagen sind auf Feststellung des Bestehens eines Anspruchs und auf Erfüllung, also entweder Leistung einer Geldzahlung, Tun oder Unterlassen gerichtet. Gestaltungsklagen bezwecken die unmittelbare Gestaltung der Rechtslage durch den Spruch des Gerichts, es bedarf somit keiner Exekution zu dessen Durchsetzbarkeit. Feststellungsklagen sind auf Feststellung des Bestehens bzw. Nichtbestehens eines Rechts gerichtet. Voraussetzung für die Erhebung einer Feststellungsklage ist ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung eines strittigen Rechtsverhältnisses. Das rechtliche Interesse ist dann zu verneinen, wenn dem Kläger ein einfacherer oder zielführenderer Weg zur Verfügung steht, um dasselbe Ziel zu erreichen bzw. das Rechtsschutzbedürfnis vollständig zu befriedigen.
Ein solches rechtliches Interesse ist im Sinne der Rechtsprechung des OGH insbesondere dann nicht gegeben, wenn der Kläger bereits eine Leistungsklage erheben kann, deren Erfolg die Feststellung des Rechtsverhältnisses gänzlich erübrigt. Mit der Frage, ob eine Feststellungsklage zulässig ist, obwohl bereits eine bezifferbare Summe eingeklagt werden kann, setzte sich der OGH jüngst auseinander.
OGH 23. 09. 2020, 3 Ob 72/20i
Der AG beauftragte im konkreten Fall den AN mit der Herstellung einer Tiefgarage. Diese wurde im Jahr 2002 fertiggestellt und übergeben. Im Jahr 2015 bemerkte der AG, dass in der Tiefgarage einige Wasserschäden vorhanden sind. Aufgrund dieser Wasserschäden beauftragte der AG eine staatlich akkreditierte Prüf- und Inspektionsstelle mit der Feststellung des Bauwerkszustands zur Abschätzung möglicher Sanierungsvarianten. Parallel dazu beauftragte der AG eine Ziviltechniker-GmbH mit der Beweissicherung und einer Grobkostenschätzung für die Sanierung. Diese GmbH arbeitete daraufhin zwei Sanierungsvarianten aus. Für beide Varianten wurde eine Genauigkeit von +/–20 % angegeben. Der AG begehrte in der Folge die Feststellung, dass der AN für alle Schäden aus einer unzureichenden Betongüte und/oder Bewehrungsüberdeckung bei der Errichtung der Tiefgarage hafte. Der AN wandte mitunter gegen die Klage ein, dass es dem AG an einem Feststellungsinteresse fehle, weil er ohne weiteres eine auf Geldersatz gerichtete Leistungsklage einbringen könnte.
Sowohl das Erst- als auch das Berufungsgericht wiesen die Klage ab. Der OGH gab der Revision Folge und hob das angefochtene Teilurteil auf. Er stellte weiters fest, dass ein Interesse an der Feststellung von Gewährleistungsansprüchen insbesondere dann zu bejahen ist, wenn der Berechtigte einen bestimmten Gewährleistungsanspruch noch nicht mit Leistungsklage verfolgen kann, weil er entweder die Beschaffenheit (Ursache) von Mängeln noch nicht genau kennt oder die Möglichkeit der Mängelbehebung noch nicht beurteilen kann; also Inhalt und Umfang von Gewährleistungsansprüchen noch nicht geklärt sind, weil sich der notwendige Umfang der Sanierungsarbeiten erst im Zuge der Sanierung mit Sicherheit ermitteln lässt. Im konkreten Fall bestand bei den beiden Sanierungsvarianten eine Genauigkeit von +/–20 %. Damit war für den OGH klar, dass die Sanierungskosten in Wahrheit nicht exakt feststehen können, es eine erhebliche Bandbreite gibt, je nachdem, wie sich die Situation im Rahmen der Arbeiten letztlich darstellt und dementsprechend eine Feststellungsklage zulässig ist
Fazit
Es kann festgehalten werden, dass im Sinne der ständigen Rechtsprechung des OGH Feststellungsklagen nicht zulässig sind, wenn bereits auf Leistung geklagt werden kann. Wenn jedoch die Höhe der einzuklagenden Leistungen noch nicht abschließend geklärt ist, besteht ein rechtliches Interesse auf Feststellung der Höhe der Sanierungskosten. In der Entscheidung 3 Ob 72/20i stellte der OGH fest, dass eine Schwankungsbreite von +/–20 % eine Feststellungsklage rechtfertigt. In der Praxis ist die Feststellung einer möglichen Schwankungsbreite der tatsächlich aufzuwendenden Sanierungskosten oftmals schwierig bis nicht möglich. Sollte sich herausstellen, dass die Schwankungsbreite der Prognose der Sanierungskosten unter +/–20 % liegt, so ist zur Einbringung einer Leistungsklage anstatt einer Feststellungsklage zu raten.