Arbeitsunfälle
Haftung des Baustellenkoordinators
Wenn auf einer Baustelle gleichzeitig oder aufeinanderfolgend Arbeitnehmer mehrerer Arbeitgeber tätig werden, ist ein Auftraggeber nach § 3 Abs. 1 Bauarbeitenkoordinationsgesetz (BauKG) verpflichtet, für die Ausführungsphase einen Baustellenkoordinator zu bestellen. Die früher auf die Fürsorgepflicht des Auftraggebers nach § 1169 ABGB gestützte Koordinationspflicht des Auftraggebers wird im Regelungsbereich des BauKG durch dieses als Schutzgesetz konkretisiert. Bestellt der Auftraggeber keinen Koordinator, so trägt er selbst die Verantwortung für die vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben; im Fall der Bestellung haftet er hingegen nur für die Auswahl des beauftragten Koordinators.
Die Haftung für eine allfällige Pflichtverletzung des Baustellenkoordinators ist mangels besonderer Regelung nach allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen. Danach ist der Pflichtenkatalog des BauKG ein Schutzgesetz zugunsten der Arbeitnehmer. Kommt ein Arbeitnehmer infolge fehlender Sicherheitsvorkehrungen zu Schaden, so liegt darin eine Schutzgesetzverletzung, auf die nach der Rechtsprechung die Beweislastumkehr gemäß § 1298 ABGB zur Anwendung kommt. Der Baustellenkoordinator muss also beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft. Der Baustellenkoordinator ist Sachverständiger im Sinne des § 1299 ABGB und haftet daher für die inhaltliche Fachgerechtigkeit seiner Leistungen.
Aktuelle Entscheidung
Eine Auftraggeberin beauftragte ein im Bereich Montage und Industrieanlagenbau tätiges Unternehmen mit der Errichtung eines kleinen Schutzdaches für eine bestimmte Armatur an der Außenhülle eines Gebäudes ihrer Fabrik. Zu dieser Zeit wurden im Fabriksgelände verschiedene Umbauarbeiten durchgeführt, aufgrund derer die Auftraggeberin ein weiteres Unternehmen mit der Koordinierung nach dem BauKG beauftragte.
Um das Schutzdach montieren zu können, errichtete ein Mitarbeiter der Auftragnehmerin ein Behelfsgerüst. Es entsprach in mehrerlei Hinsicht nicht den Sicherheitsvorschriften und war nicht absturzsicher. Nachdem der Arbeitnehmer gemeinsam mit seinen Mitarbeitern das Schutzdach montiert hatte und bereits wieder am Boden war und seinen Sicherheitsgurt ohne Fallstopp abgelegt hatte, bemerkte er, dass er etwas vergessen hatte und wollte wieder auf das Behelfsgerüst. Dabei stürzte er aus circa 2,5 bis drei Meter Höhe und erlitt schwerste Verletzungen.
Der Arbeitnehmer klagte daraufhin den Baustellenkoordinator. Die Klage wurde vom OGH (8 Ob 106/21b) mit folgender Begründung abgewiesen: Die Regelungen des BauKG sollen vor Gefahren schützen, die aufgrund der gleichzeitigen oder aufeinanderfolgenden Tätigkeit von Arbeitnehmern verschiedener Unternehmen entstehen. Der Koordinator haftet nur bei Verwirklichung eines Risikos, das sich aus dem Zusammenwirken mehrerer Unternehmer auf einer Baustelle ergibt. Der eingetretene Schaden muss auf einen Koordinierungsfehler bei der Ausführung von Bauarbeiten durch mehrere Arbeitgeber zurückzuführen sein. Im vorliegenden Fall hat sich kein solches Risiko verwirklicht.
Die Gefahr, die sich beim Sturz des Arbeitnehmers verwirklicht hat, hat nicht schon in der exponierten Lage, in der hier gearbeitet wurde, bestanden, sondern in der Verwendung einer völlig unzureichenden – vom Verletzten selbst hergestellten – Aufstiegshilfe, die nicht der Sphäre der Auftraggeberin angehöre.
Fazit
Die Bestimmungen des BauKG behandeln Gefahren, die durch das Zusammenwirken von Unternehmen auf einer Baustelle entstehen. Kommt es jedoch zu einem Unfall, ohne dass Unternehmen zusammenwirken, kommt eine Haftung des Baustellenkoordinators nicht zwangsläufig in Betracht. Neben der Bestellung eines Baustellenkoordinators und dessen sorgfältiger Arbeit müssen daher vor allem die Unternehmen selbst in ihrem eigenen Wirkungsbereich für die Sicherheit ihrer Arbeitnehmer sorgen.