Rechtstipp
Was unter "angemessenen Preisen" zu verstehen ist
Auftraggeber müssen dies also prüfen, unter Umständen sogar „vertieft“ prüfen. Diese vertiefte Angebotsprüfung bedeutet die nähere Prüfung der Preisangemessenheit von Angeboten durch ein sogenanntes „kontradiktorisches Verfahren“: Der Auftraggeber fragt wegen Auffälligkeiten beim Bieter nach; der Bieter beantwortet diese Fragen (bei Bauleistungen oft durch Vorlage von
K-Blättern gemäß ÖNORM B 2061); der Auftraggeber prüft und bewertet diese Antworten, mit typischerweise zwei möglichen Ergebnissen: Entweder ist die Kalkulation plausibel und das Angebot verbleibt im Vergabeverfahren, oder sie ist nicht plausibel und das Angebot ist auszuscheiden.
Über ein solches Ausscheiden des Angebots hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG 12. 4. 2023, W279 2264248-1/23E) zu entscheiden.
Der Auftraggeber hatte in einigen Positionen, die im Wesentlichen Personalaufwand beinhalteten, auffallend niedrige Preise erblickt und den Bieter aufgefordert, die Kalkulation zu erläutern, und zwar u. a., welche Kosten enthalten waren und welche Aufwands- und Verbrauchsansätze angenommen wurden.
Ausweichende Antwort
Der Bieter antwortete, grob gesagt, ausweichend: Er stellte keine Detailkalkulation dar, sondern gab nur allgemein an, dass diese Personalkosten eigentlich bereits mit den Gerätepreisen abgedeckt wären. Der niedrige Stundensatz ergebe sich auch daraus, dass ein Mitarbeiter mehrere Projekte gleichzeitig betreue, was entsprechende Deckungsbeiträge ergäbe, weil die Mitarbeiter vor Ort auch Zusatzverkäufe tätigen könnten.
Der Auftraggeber schied das Angebot aus, der Bieter bekämpfte diese Entscheidung beim BVwG. Dort argumentierte der Bieter zunächst, es sei
nicht erkennbar gewesen, dass der Auftraggeber eine mathematische Berechnung der Kalkulation hätte, haben wollen. Die Art der Kalkulation hinsichtlich der Personalkosten sei außerdem branchenüblich.
Das BVwG entschied gegen den Bieter und bestätigte das Ausscheiden des Angebots. Zunächst stellte das BVwG fest, dass das Aufklärungsersuchen eindeutig eine konkrete Aufschlüsselung der Kalkulation verlangte.
Zu den inhaltlichen Argumenten sagte das BVwG Folgendes: Die „Querfinanzierung“ der Personalkosten durch die gleichzeitige Betreuung mehrerer Projekte und dadurch mögliche „Zusatzverkäufe“ sei nicht plausibel, da das bloß zukünftige potenzielle Einnahmen seien. Die behauptete Branchenüblichkeit, solche Personalkosten auf Gerätekosten umzulegen, mag vielleicht stimmen, und eine solche Kalkulation mag in der Gesamtsicht vielleicht sogar betriebswirtschaftlich plausibel sein: Aber sie entspräche nicht der Ausschreibung.
Zwei Gründe
Hier zeigt sich (wieder einmal), dass zwei Ausscheidensgründe des Bundesvergabegesetzes (BVergG 2018) regelmäßig bei Kalkulation und Angebotsprüfung zu beachten sind: Der eine lautet, dass ein Angebot mangels (vor allem betriebswirtschaftlicher) Plausibilität der Kalkulation (also der „Zusammensetzung des Gesamtpreises“) auszuscheiden ist. Der andere Ausscheidensgrund lautet, dass ausschreibungswidrige Angebote auszuscheiden sind.
Wenn nun in einem Angebot zwar alle relevanten Kosten betriebswirtschaftlich plausibel berücksichtigt werden, aber nicht dort kalkuliert werden, wo es die Ausschreibung vorgibt, liegt eine „Mischkalkulation“ vor, die der Ausschreibung widerspricht. Mit anderen Worten interpretiert das Vergaberecht die Ausschreibungsvorgaben wie folgt: Wenn der Auftraggeber eine Position mit bestimmten (zum Beispiel Personal-)Leistungen ausschreibt, dann will er in dieser Position (und nicht irgendwo anders) angegeben haben, was diese Leistungen kosten.
Das BVwG hat dies hier mit folgendem Satz betont: „Die vergaberechtlichen Grundsätze der Transparenz und der Vergleichbarkeit der Angebote setzen eine kalkulatorische Kostenwahrheit auch in einzelnen Positionen voraus.“