Nachhaltigkeit
ESG-Kriterien im Vergaberecht
Die Möglichkeiten über die Nachhaltigkeitsaspekte bei der Leistungsvergabe miteinfließen können, sind umfangreich. Das Bundesvergabegesetz bietet einen Spielraum für Nachhaltigkeitsüberlegungen, die in die Leistungsbeschreibung mitaufgenommen werden können; zB Umweltstandards, regionale Produktanteile und weitere Nachhaltigkeitskriterien.
Aber nicht nur die Leistungsbeschreibung ermöglicht dem Auftraggeber die Steuerung von Nachhaltigkeitsüberlegungen. Auch Eignungskriterien (K.O.-Kriterien) können zur Steuerung des Nachhaltigkeitsgedanken eingesetzt werden. Beispielsweise steht es dem Auftraggeber offen, einen Nachweis von Qualitätsmanagementsystemen zu fordern.
Objektive Überprüfung gefordert
Die Flexibilität steigt bei der Festlegung der Kriterien für die Angebotsbewertung (Zuschlagskriterien). Im Bereich des Bestangebotsprinzips kann auf Zuschlagskriterien wie Qualität, Transportwege, Lieferfristen, Umweltaspekte und alternative Antriebsformen abgezielt werden. Der Auftraggeber hat die Ausschreibung allerdings derart zu gestalten, demnach jedes festgelegte Zuschlagskriterium objektiv anhand der Angaben der Bieter überprüft werden kann. Dem Auftraggeber steht es frei Mindestanforderungen festzusetzen; eine Übererfüllung dieser kann mit Zusatzpunkten bewertet werden.
Für den Auftraggeber besteht überdies die Möglichkeit der Beurteilung der Lebenszykluskosten oder „Total-Cost of Ownership“. Der Fokus wird dabei auf die Gesamtkosten des Angebotes gelegt. Es werden verschiedene Kosten wie beispielsweise Anschaffungs-, Nutzungs- und Wartungskosten bewertet. Zur objektiven Messung der Kosten gibt es in der ÖNORM B 1801-4 Bauprojekt- und Objektmanagement - Teil 4: Berechnung von Lebenszykluskosten bereits standardisierte Modelle. Die Bewertung anhand von Kostenmodellen, insbesondere der Lebenszykluskosten, bietet eine interessante Alternative zum herkömmlichen Bestangebotsprinzip. Dies verhindert „Dumping-Preise“ und fördert nachhaltiges Wirtschaften.
Unabhängig von diesen Kriterien kann der Auftraggeber auch alternative Formen des Nachhaltigkeitsgedanken in die Vergabe integrieren. Das Vergaberecht ermöglicht die Einbindung von Know-How und Ideen von Unternehmen, etwa durch Markterkundungen oder besonders dafür geschaffene Vergabeverfahren wie das Verhandlungsverfahren und die Innovationspartnerschaften.
Was ist Value Engineering?
Auch die ÖNORM B 2110:2023 schafft die Möglichkeit sog. Value Engineering vertraglich zu verankern. Value Engineering ist eine systematische Methode zur Verbesserung des “Wertes” von Gütern oder Produkten und Systemen durch eine Untersuchung der Funktion. Der Wert ist definiert als das Verhältnis zwischen Funktion und Kosten. Der Wert kann also entweder durch Verbesserung der Funktion oder durch Senkung der Kosten gesteigert werden. Das BVergG kennt zwar den Begriff Nachhaltigkeit nicht, bestimmt allerdings in § 91 Abs 6 BVergG diverse Leistungen (beispielsweise Gebäudereinigungs- und Bewachungsdienstleistungen) für die der Auftraggeber zwingend qualitätsbezogene Aspekte bei der Beschreibung der Leistung, bei der Festlegung der technischen Spezifikationen, der Eignungskriterien oder der Zuschlagskriterien oder bei der Festlegung der Bedingungen für die Ausführung des Auftrages festzulegen und in den Ausschreibungsunterlagen gesondert als solche zu bezeichnen hat.
Fazit
Das Vergaberecht bietet ein breites Spektrum für eine nachhaltige öffentliche Auftragsvergabe. Durch die geschickte Kombination unterschiedlicher Mittel können Auftraggeber ihren Teil zur nachhaltigen Zukunft beitragen; sind dabei allerdings an die Grenzen und Grundsätze des Vergaberechts (Sachlichkeit und Verhältnismäßigkeit) gebunden. Die Möglichkeiten sollten genutzt werden, um die öffentliche Auftragsvergabe nachhaltig zu gestalten.