Preisliche Unklarheiten
Neues zum Rechenfehler
Rechenfehler hatten früher – also vor der Verwendung elektronischer Hilfsmittel wie ÖNorm-Datenträger, die eine automatische Berechnung vornehmen oder dabei zumindest unterstützen – eine höhere Bedeutung. Dennoch kommt es immer noch fallweise zu Rechenfehlern oder zumindest zu Sachverhalten, bei denen unklar ist, ob es sich in vergaberechtlicher Hinsicht überhaupt um einen Rechenfehler handelt. Dies ist relevant, weil die Folgen im Bundesvergabegesetz (BVergG 2018) unterschiedlich geregelt sind. Auch beim gegenständlichen Fall war dies strittig, das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) hatte darüber zu entscheiden (BVwG 3.3.2021, W187 2238840-1).
Der Sachverhalt
Das Angebot eines Bieters wurde vom Auftraggeber wegen eines Rechenfehlers im Angebot ausgeschieden. Der Bieter war anderer Ansicht und brachte beim BVwG einen Nachprüfungsantrag gegen diese Entscheidung ein.
Es handelte sich um Positionen, in denen zunächst ein kalkulatorisches "Zwischenergebnis" einzutragen war, dann ein prozentueller Aufschlag oder Nachlass und als Ergebnis dann der Positionspreis. Der Bieter hatte in bestimmten Positionen einen Nachlass von zehn Prozent angegeben, aber aus dem Vergleich von "Zwischenergebnis" und Positionspreis war ersichtlich, dass beim Rechengang vom "Zwischenergebnis" zum Positionspreis ein anderer (höherer) Nachlass als zehn Prozent verwendet wurde.
Es war daher – bei bloßer Betrachtung dieser Positionen im Angebot – unklar, ob der angeführte Nachlass von zehn Prozent oder der in der Berechnung verwendete (höhere) Nachlass tatsächlich dem Angebotswillen des Bieters entsprach.
Die vergaberechtliche Beurteilung
Unklarheiten bei preislichen Angaben in Angeboten sind sehr restriktiv zu behandeln, weil Mängel in preislicher Hinsicht unbehebbare Mängel dar-
stellen.
Es gibt allerdings eine wesentliche Ausnahme, in der ein Angebot nachträglich ohne Ausscheiden preislich berichtigt werden darf, nämlich dann, wenn ein sogenannter "Rechenfehler" vorliegt. Für Rechenfehler gibt es nach Gesetz und Judikatur allerdings folgende Voraussetzungen:
- Der Erklärungsirrtum muss so klar sein, dass ohne weitere Nachforschungen oder Nachfragen durch den Auftraggeber erkennbar ist, was gemeint ist. Der Auftraggeber muss also in der Lage sein, den Rechenfehler zu berichtigen, ohne beim Bieter nachzufragen, was gemeint ist.
- Ein Rechenfehler liegt nur dann vor, wenn er Einfluss auf den Gesamtpreis hat. Nicht als Rechenfehler gelten daher bloße Übertragungsfehler, mit denen ohnehin nicht weitergerechnet wurde (die sich also nicht auf den Gesamtpreis auswirken).
Gegenständlich waren diese Voraussetzungen laut BVwG erfüllt, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Ausschreibung ergab. Daraus war abzuleiten, dass die Positionspreise nicht maßgeblich für die Abrechnung sein sollten, sondern das "Zwischenergebnis" und der danach angeführte Nachlass (hier also zehn Prozent). Nach den Ausschreibungsbestimmungen war nach der Auslegung des BVwG also der Positionspreis – und auch der rechnerisch damit verbundene "falsche" Rechengang mit einem Nachlass über zehn Prozent – zu ignorieren. Das führte dazu, dass erstens eine Nachfrage beim Bieter unterbleiben konnte und dass zweitens die Positionspreise und damit auch der Gesamtpreis zu korrigieren war.
So weit, so gut, könnte man (aus Bietersicht) denken. Aber in § 137 Abs. 7 BVergG 2018 lautet der erste Satz wie folgt: "Rechnerisch fehlerhafte Angebote sind, sofern dies in der Ausschreibung festgelegt wurde, dann nicht weiter zu berücksichtigen, wenn die Summe der Absolutbeträge aller Berichtigungen – erhöhend oder vermindernd – zwei Prozent oder mehr des ursprünglichen Gesamtpreises beträgt." Die Ausschreibung hatte dies festgelegt, und die Berichtigung überstieg insgesamt diese Zwei-Prozent-Schwelle. Daher wurde die Ausscheidensentscheidung vom BVwG bestätigt.