Ausschreibung befolgen!
Obacht bei Zertifizierungen und gleichwertigen Nachweisen
Je „nachhaltiger“ Ausschreibungen werden, desto öfter werden Zertifizierungen (z.B. für Qualitätssicherung und Umweltmanagement) zum Einsatz kommen. Die Auftraggeber setzen dieses Mittel als Mindestanforderung an die Eignung ein, oder als Zuschlagskriterium zur Bewertung der Angebote, oder auch „nur“ als Leistungsanforderung, die erst im Auftragsfall – also erst dann, wenn die von der Zertifizierung betroffene Leistung zu erbringen ist – vorliegen muss.
Gleichwertige Zertifizierungen
Vergaberechtlich ist das alles erlaubt, solange vor allem die Grundsätze (insbesondere Bietergleichbehandlung, Diskriminierungsverbot, freier und lauterer Wettbewerb, Transparenz) eingehalten werden. Der Auftraggeber muss aber andere gleichwertige Zertifizierungen akzeptieren, er darf also grundsätzlich nicht auf die von ihm in der Ausschreibung genannte Zertifizierung alleine bestehen (siehe §§ 87 und 109 – §§ 258 und 277 im Sektorenbereich – BVergG 2018).
Nun kam es zu einem Fall, in dem laut Ausschreibung eine Zertifizierung nach ONR 192500 („Gesellschaftliche Verantwortung von Organisationen (CSR)“) nachzuweisen war; oder durch ein „gleichwertiges Zertifikat“ nachzuweisen war, „die Anforderungen der ISO 26000 (CSR) zu erfüllen“.
Ein (deutscher) Bieter verfügte über keinerlei Zertifizierung, sondern nur über ein firmeneigenes Konzept und eine Mitgliedschaft beim UN Global Compact. Ergänzend legte dieser Bieter eine Bestätigung eines Rechtsanwalts vor, dass das firmeneigene Konzept aufgrund der ISO 26000 entwickelt worden sei.
Antrag abgewiesen
Der Auftraggeber schied das Angebot dieses Bieters aus, dieser bekämpfte die Ausscheidensentscheidung beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Es wies den Antrag des Bieters allerdings ab. Das BVwG führte als Begründung an, dass auch ein deutsches Unternehmen eine Zertifizierung nach ONR 192500 beantragen und erlangen hätte können. Die vorgelegten Nachweise seien nicht gleichwertig mit einer solchen (oder überhaupt einer) Zertifizierung. Eine „Zertifizierung“ sei eine Bestätigung durch eine unabhängige Stelle darüber, dass bestimmte Anforderungen erfüllt werden, wobei die zertifizierende Stelle ihrerseits entsprechend autorisiert (akkreditiert) sein und einer Aufsicht unterliegen müsse. Ein firmeneigenes Konzept erfülle diese Voraussetzungen nicht.
Kein Weg an Zertifikaten vorbei
Auch die Bestätigung des Rechtsanwalts (oder auch sonstige Bestätigungen eines Sachverständigen) sei nicht gleichwertig mit einer solchen Zertifizierung. Darauf, ob das eigene Konzept und die Anwaltsbestätigung inhaltlich korrekt wären, komme es nicht an; auch wenn das firmeneigene Konzept daher inhaltlich der ISO 26000 entspreche, so helfe das nichts. Weder wäre ein Prüfverfahren durch eine akkreditierte Stelle durchlaufen worden, noch wären die Normanforderungen von einer unabhängigen, objektiven und akkreditierten Stelle bestätigt worden. Auch die Mitgliedschaft beim UN Global Compact ändere nichts, da dort ebenso keine Überprüfung durch eine akkreditierte Stelle vorgesehen sei. Das Angebot hätte daher nicht die Anforderungen der Ausschreibung erfüllt und wäre zu Recht ausgeschieden worden.
Der Praxistipp
Ausschreibungsvorgaben sind aufgrund der formalen Strenge des Vergaberechts genau zu beachten, um kein Ausscheiden des Angebots zu riskieren.
Manchmal geht aus dem Ausschreibungsinhalt nicht ganz klar hervor, welche Mindestanforderungen (z.B. Zertifizierungen) tatsächlich gefordert werden, oder unter welchen Voraussetzungen eine andere als die geforderte Zertifizierung inhaltlich gleichwertig wäre. In solchen Fällen empfiehlt es sich, möglichst rasch – jedenfalls vor Ablauf der Angebotsfrist – konkrete Fragen an den Auftraggeber zu stellen, damit dieser die Anforderungen der Ausschreibung klarstellen kann.