OGH-Entscheidung: Haftet auch das Bauunternehmen?
Ein Bauunternehmen war für die Koordination von Bauarbeiten und Instandhaltung der Anlagen des Strom-, Gas- und Wassernetzes zuständig und wurde von der örtlichen Gemeinde als Grundeigentümerin (u. a.) mit der Sanierung der Wasserleitung auf der emittierenden Liegenschaft beauftragt. Das Bauunternehmen sicherte die Baugrube nicht gegen Starkregenereignisse ab, wodurch es zu einem Schaden durch Regenwassereintritt im Keller des angrenzenden Nachbarn kam. Der Nachbar klagte (offensichtlich) die Gemeinde als Kanalbetreiberin und das ausführende Bauunternehmen gemeinsam und nahm eine Solidarhaftung an.
Welche Ansprüche bestehen?
Als wichtigen Bestandteil des österreichischen Sachenrechts ist in §§ 364ff ABGB als wichtiger Bestandteil des Nachbarrechts ein verschuldensunabhängiger Schadenersatzanspruch des Grundstückseigentümers verankert. Bei Immissionen, deren Entstehen der Nachbar nicht verhindern kann, da sie durch eine behördlich genehmigte Anlage oder (Bau-)Maßnahme auf dem Grundstück verursacht werden, kann der Nachbar einen verschuldensunabhängigen Schadenersatzanspruch gegen den Eigentümer des emittierenden Grundstücks geltend machen. Die Besonderheit dabei ist, dass dies auch dann gilt, wenn der Grundstückeigentümer kein Verschulden hat.
Eine haftungsbegründende Situation (gemäß § 364a ABGB analog) wird angenommen, wenn beispielsweise durch eine Baubewilligung der Anschein der Gefahrlosigkeit und damit der Rechtmäßigkeit der bewilligten Maßnahme hervorgerufen und dadurch die Abwehr zwar nicht rechtlich ausgeschlossen, aber in einer solchen Art erschwert wird, dass der Nachbar die Maßnahme praktisch hinnehmen muss, so vor allem bei behördlich genehmigten Bau- und Abbrucharbeiten oder Ausgrabungen in öffentlichen Verkehrs- und Erholungsflächen.
Der Ausgleichsanspruch gegenüber dem Grundeigentümer kommt nur bei solchen Störungen in Betracht, die in irgendeiner Weise mit der Verfügungsmacht des Eigentümers zusammenhängen. Sei es dadurch, dass der Eigentümer das Grundstück in einen den Schaden hervorrufenden Zustand versetzt oder in einem solchen belässt oder dass er auf seiner Liegenschaft eine schadenstiftende Tätigkeit verrichtet oder deren Verrichtung durch Dritte duldet/beauftragt.
Der Anspruch kann sich nicht nur gegen den Grundeigentümer richten, sondern auch gegen jeden, der das Grundstück für seine Zwecke benutzt – beispielsweise (wie hier) zur Errichtung/Sanierung eines Abwasserkanals durch die Kanalbetreiberin.
Die Entscheidung des OGH
Die oben zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs befasst sich mit der Möglichkeit, das ausführende Unternehmen direkt in Anspruch zu nehmen. Das Gericht hat in seiner Entscheidung (zum wiederholten Male) ausgesprochen, dass ein Bauunternehmer, der auf dem emittierenden Grundstück Bauarbeiten durchführt, nicht zu der von der Rechtsprechung für einen Schadenersatzanspruch geforderten Benützung der Liegenschaft berechtigt ist. Ein Bauunternehmer, der auf dem emittierenden Grundstück Bauarbeiten durchführt, ist eben aufgrund des mit dem Grundeigentümer bestehenden Werkvertrags gerade nicht zu der von der Rechtsprechung geforderten Benützung der Liegenschaft berechtigt; der für die Annahme seiner Passivlegitimation (also wegen des Schadens in Anspruch genommen zu werden) erforderliche Zusammenhang zwischen Sachherrschaft und Immission liegt bei einem Bauunternehmen aufgrund seiner eingeschränkten Befugnisse nicht vor.
Der Bauunternehmer ist aber keinesfalls von einer Inanspruchnahme durch den Grundeigentümer sicher. Üblicherweise wird jedoch in solchen Verfahren nicht das Bauunternehmen, sondern der Grundstückseigentümer geklagt, welcher dem ausführenden Unternehmen den Streit verkündet und dadurch versucht, den entstandenen Schaden an das Bauunternehmen "durchzureichen".
Fazit
Zusammenfassend haftet das Bauunternehmen für nachbarschaftsrechtliche Ansprüche nicht. Trotz der mangelnden Passivlegitimation des Bauunternehmens ist der Schadenersatzanspruch des Grundstückseigentümers bzw. des Auftraggebers gegen das Bauunternehmen jedoch nicht ausgeschlossen, er kann auf eine andere Anspruchsgrundlage gestützt werden.