Formale Anforderungen
Unbehebbare Mängel in Angeboten
Einmal mehr mag man darüber erstaunt sein, wie hoch im Vergaberecht der Stellenwert formaler Anforderungen angesetzt wird. Leider ist dies ein Zustand, mit dem die Praxis umgehen muss. Das Risiko, dass das eigene Angebot ausgeschieden wird, sollte man daher durch sehr sorgfältige Beachtung der Ausschreibungsvorgaben minimieren.
Der Sachverhalt
Im Leistungsverzeichnis waren unechte Bieterlücken (also die Vorgabe von Leitprodukten mit einer Bieterlücke, in der gleichwertige andere Produkte angeboten werden konnten) enthalten. In der Ausschreibung war dazu festgelegt, dass der Bieter – wenn er ein alternatives Produkt anbietet – innerhalb von acht Tagen nach Aufforderung (und dann nach nochmaliger Nachfristsetzung von weiteren vier Werktagen) die Gleichwertigkeitsnachweise zu übermitteln hat.
Weiters war laut Ausschreibung ein "Angebotsschreiben Teil C" auszufüllen, zu unterfertigen und mit dem Angebot abzugeben. Darin konnte der Bieter die in § 125 Abs. 7 BVergG vorgesehene Erklärung abgeben, dass bei Nichtgleichwertigkeit eines alternativen Produkts das ausgeschriebene Erzeugnis als angeboten gilt (um das Ausscheiden des Angebots wegen Nichtgleichwertigkeit zu verhindern). Diese Erklärung war mit "ja" oder "nein" anzukreuzen; mangels Ankreuzens war festgelegt, dass dann das ausgeschriebene Erzeugnis nicht angeboten wird (also bei Nichtankreuzen gilt automatisch "nein").
Ein Bieter legte ein Angebot, in dem er erstens in einer unechten Bieterlücke ein alternatives Produkt anführte und dem er zweitens das "Angebotsschreiben Teil C" nicht beilegte. Der Auftraggeber schied das Angebot aus, der Bieter bekämpfte das beim BVwG.
Die Entscheidung
Das BVwG bestätigte die Ausscheidensentscheidung, da die Nichtvorlage des "Angebotsschreibens Teil C" ein unbehebbarer Mangel gewesen sei. Dadurch hätte der Bieter die "damit abverlangte Erklärung, ob bei nachträglich auftraggeberseitig festgestellter fehlender Gleichwertigkeit des alternativ angebotenen Produkts jedenfalls das Leitprodukt gemäß Ausschreibung angeboten würde, nicht abgegeben". Der Bieter hätte durch eine nachträgliche Abgabe dieses Angebotsschreibens "die Möglichkeit [gehabt], zu entscheiden, ob [er] mangels auftraggeberseitig befundener Gleichwertigkeit des alternativ angebotenen Produkts zumindest das Leitprodukt des Leistungsverzeichnisses anbieten möchte". Der Bieter hätte dadurch unzulässig seine Wettbewerbsstellung nachträglich verbessert. Außerdem hätte der Bieter dadurch sein fehlerhaftes bzw. ausschreibungswidriges Angebot nachträglich geändert.
Verständlich ist noch das letzte Argument, dass das Fehlen dieses Angebotsschreibens ein – unbehebbar – ausschreibungswidriges Angebot darstellte. Das ist zwar ein sehr formalistischer Zugang, aber das steht noch im Einklang auch mit anderen Judikaturbeispielen, in denen das Nichteinhalten von formalen Ausschreibungsvorgaben streng beurteilt wird.
Argumentation nicht nachvollziehbar
Aber die Argumentation der inhaltlichen Verbesserung der Wettbewerbsstellung ist nicht nachvollziehbar: Soweit der Entscheidung zu entnehmen ist, haben weder der Auftraggeber noch das BVwG geprüft, ob das alternative Produkt gleichwertig ist. Außerdem war bei Nichtankreuzen der Erklärung im Angebotsschreiben ausdrücklich festgelegt, dass dadurch das Nichtanbieten des Leitprodukts bei fehlender Gleichwertigkeit erklärt wird. Daher wäre inhaltlich betrachtet alles eindeutig gewesen: Wenn der Bieter die Gleichwertigkeit des alternativen Produkts nachgewiesen hätte (dafür war in der Ausschreibung ein klares Prozedere vorgesehen), wäre das Angebot diesbezüglich ausschreibungskonform gewesen; wenn nicht, wäre es auszuscheiden gewesen. Welche verbesserte Wettbewerbsstellung hier vorgelegen hätte, ist nicht erkennbar.