Gewährleistung
Unverhältnismäßigkeit von Verbesserung und Austausch
Im österreichischen Gewährleistungsrecht gilt der Grundsatz, dass der Übergeber vorrangig den vertragsgemäßen Zustand herzustellen hat. Der Übernehmer hat daher primär Anspruch auf Verbesserung oder Austausch. Jedoch muss der Übergeber dann nicht verbessern, wenn die Verbesserung für ihn unverhältnismäßig wäre. Wann der Oberste Gerichtshof (OGH) eine derartige Unverhältnismäßigkeit anerkennt, geht aus einer aktuellen Entscheidung hervor.
Sachverhalt
Im gegenständlichen Anlassfall (OGH 5 Ob 41/22y) beauftragte die beklagte Bauträgerin die klagende Unternehmerin mit der Lieferung von Fenster- und Türelementen für mehrere Häuser einer einheitlichen Reihenhaussiedlung. Die Unternehmerin begehrte das noch offene Entgelt, wogegen die Bauträgerin die mangelnde Fälligkeit unter anderem auf Grundlage von noch bestehenden Mängeln einwandte.
Nach den Feststellungen des Erstgerichts hat ein Teil der für ein Haus gelieferten Fenster nicht den Anforderungen an die visuelle Qualität von Isolierglas entsprochen, weil die Dichtmasse mehr als zwei Millimeter in den Scheibenzwischenraum hineingeragt hat. Das Erstgericht wies das Klagebegehren daher mangels Fälligkeit ab.
Das Berufungsgericht verneinte hingegen ein Leistungsverweigerungsrecht der Bauträgerin wegen dieses Mangels. Die gegenständliche optische Mangelhaftigkeit wäre bei unbefangener Betrachtung weitestgehend unauffällig und würde keinen Einfluss auf den Gebrauch oder die Lebensdauer der Fenster haben. Der Austausch wäre daher unverhältnismäßig und der Bauträgerin würde lediglich ein Anspruch auf (geringfügige) Preisminderung zustehen.
Unverhältnismäßigkeit
Der OGH bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichts. In der Begründung führte er aus, dass der Übernehmer nur das Recht auf Preisminderung hat, wenn die Verbesserung und der Austausch unmöglich oder für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden ist (§ 932 Abs. 4 ABGB).
Die Unverhältnismäßigkeit ist dann zu bejahen, wenn der Aufwand, der dem Übergeber durch die Verbesserung entsteht, in keinem Verhältnis zu der Bedeutung des Mangels für den Übernehmer steht. Der vom Unternehmer zu leistende Aufwand (hier Austausch der Fenster) ist dann unverhältnismäßig, wenn der durch die Beseitigung des Mangels bewirkte Vorteil gegenüber dem für die Beseitigung erforderlichen Aufwand an Kosten und Arbeit so geringwertig ist, dass der Vorteil und der Aufwand in einem offensichtlichen Missverhältnis stehen (hier Beseitigung eines unauffälligen optischen Mangels). Für die Unverhältnismäßigkeit nicht maßgeblich ist der Kaufpreis oder der Lieferwert der mangelhaften Sache.
Bei der Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit sind auch die für den Besteller durch den Verweis auf Preisminderung verbundenen zusätzlichen Unannehmlichkeiten zu berücksichtigen. Jedoch hat der OGH keine maßgeblichen Unannehmlichkeiten darin gesehen, dass Käufer der betroffenen Wohnungen die Mangelhaftigkeit der Fenster einwenden könnte, weil die Mangelhaftigkeit gegenüber einem potenziellen Käufer gleich zu beurteilen ist wie gegenüber dem Übernehmer.
Fazit
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es für die Unverhältnismäßigkeit der Verbesserung vor allem auf den für den Übernehmer durch eine Verbesserung erreichten Vorteil ankommt. Dies hängt in der Praxis wohl insbesondere von der Art und Schwere des Mangels ab. Bei unauffälligen optischen Mängeln, deren Beseitigung den Austausch von ganzen Leistungsteilen erfordert, ist von einer Unverhältnismäßigkeit auszugehen. Durch die Preisminderung bewirkte Nachteile sind zu berücksichtigen, weshalb Rechtsverhältnissen des Übernehmers zu Dritten Bedeutung zukommt. Jedoch ist eine aus diesen Rechtsverhältnissen vom Übernehmer zu vertretende Mangelhaftigkeit nur dann anders zu beurteilen, wenn darin andere Regelungen enthalten wären (etwa der Mangel als bestimmte Eigenschaft garantiert wäre).