Abzuraten

Verbotene Abreden und öffentliche Aufträge

Vergaberecht
30.04.2021

Das Vergaberecht, sollte man glauben, will verhindern, dass Unternehmer, die an verbotenen Abreden beteiligt sind, keine Aufträge erhalten sollen.

Das stimmt aber nicht ganz. Freilich gibt es in § 78 Abs. 1 Z 4 bzw. § 249 Abs. 2 Z 3 Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG) einen Ausschlussgrund für verbotene Abreden. Aber dennoch ist nicht jeder Unternehmer auszuschließen, der diesen Ausschlussgrund erfüllt.

Eine Möglichkeit, dem Ausschluss trotz einer solchen Abrede zu entgehen, ist die sogenannte „Selbstreinigung“, die an dieser Stelle schon mehrmals erläutert wurde. Diese kann auch dann, wenn der Ausschlussgrund erfüllt ist, vor dem Ausschluss retten, wenn durch bestimmte im BVergG festgelegte Compliance-Maßnahmen vom Unternehmer glaubhaft gemacht wird, dass er aus dem Vorfall ausreichende Konsequenzen gezogen hat und doch als zuverlässig zu betrachten ist.

Eine andere Möglichkeit könnte aus folgenden Umständen entstehen:

In der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 26.5.2020, W 139 2227134-2/34E, ging es um ein Gespräch von Mitarbeitern zweier Bieter über Kalkulationsdetails. Vergaberechtlich war zwar ein anderer Ausschlussgrund als jener der Abreden gegenständlich, aber die nachstehenden Erwägungen des BVwG gelten auch für den oben genannten Ausschlussgrund der Abreden.

Das BVwG kam unter anderem deshalb zu dem Ergebnis, dass der Ausschlussgrund nicht erfüllt war, weil gemäß BVergG solche Ausschlussgründe nur dann vorliegen, wenn sie „in Bezug auf eine Person erfüllt sind, die Mitglied im Leitungs- oder Aufsichtsorgan des Unternehmers ist“ (§ 78 Abs 2 Z 2 bzw. § 249 Abs. 2 letzter Absatz BVergG). Am gegenständlichen Gespräch waren aber „nur“ sonstige Mitarbeiter (immerhin auch ein Niederlassungsleiter) beteiligt, die laut BVwG keine „Mitglieder im Leitungs- oder Aufsichtsorgan des Unternehmers“ sind.

Diese Zurechnungsregel unterscheidet sich nun wesentlich vom Kartellrecht, nach dem es grundsätzlich egal ist, ob der Mitarbeiter, der etwa eine Abrede durchführt, irgendwie vertretungs- oder leitungsbefugt ist; wenn sich, ganz grob gesagt, ein Verhalten eines Mitarbeiters wettbewerbsverzerrend auswirkt, ist die Zurechnung zum Unternehmen erfüllt und das Unternehmen wird kartellrechtlich bestraft.

Daraus könnte man Folgendes ableiten: Wenn ein Unternehmen wegen verbotener Abreden gemäß § 1 KartG verurteilt ist, aber an der Abrede kein „Mitglied im Leitungs- oder Aufsichtsorgan“ gemäß BVergG beteiligt war, wäre kein vergaberechtlicher Ausschlussgrund erfüllt. Der entsprechende Bieter dürfte nicht vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden.

Im alten BVergG 2006 gab es zusätzlich zu den Ausschlussgründen noch einen Ausscheidenstatbestand wegen (unter anderem) verbotener Abreden, der mit keiner persönlichen Zurechnung zu einem bestimmten Mitarbeiterkreis verbunden war. Im BVergG 2018 gibt es diesen Ausscheidensgrund aber nicht mehr. Daraus ergibt sich die Vermutung, dass diese „Lücke“ vom Gesetzgeber (auf EU- und österreichischer Ebene) nicht intendiert, sondern übersehen wurde.

Der Praxistipp

Von verbotenen Abreden ist dennoch dringend abzuraten. Erstens ist eine kartellrechtliche Verurteilung alleine (auch ohne Ausschluss vom Vergabeverfahren) unangenehm genug. Zweitens ist nicht genau abzuschätzen, wie die Judikatur im Einzelfall wirklich vorgehen würde, um zu entscheiden, ob eine Zurechnung der Abrede zu einem Leitungs- oder Aufsichtsorgan des Unternehmers angenommen wird. In Betracht kommen könnte etwa eine weite Auslegung einer Beteiligungstäterschaft analog StGB (Beitrags- oder Bestimmungstäterschaft gemäß § 12 StGB). Auch eine (im Ergebnis) weitgehende Beweislastumkehr zulasten des Unternehmers wäre denkbar, also die Zurechnung zu einem Leitungs- oder Aufsichtsorgan, der durch interne Genehmigung oder durch Unterschrift unter das Angebot als Beteiligter an der Abrede angesehen wird, solange nicht das Gegenteil bewiesen wird.

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