„Wer schreibt, der bleibt“

Sachverständigen-Praxis
06.02.2018

 
Ein Eigentümer, dessen Haus durch einen Generalunternehmer saniert wurde, ist mit der Durchführung der Arbeiten unzufrieden und formuliert eine Klage an den Auftragnehmer. Dieser bezieht die ausführenden Firmen der Gewerbe Wärmedämmverbundsysteme und Fensterbau in den Streit ein. Sachverständiger Michael Marte erläutert den interessanten Fall und die Erkenntnisse daraus.
Bild 1: Öffnung der Fassade außen, Detail Hebeschiebe-türe/Terrasse.
Bild 1: Öffnung der Fassade außen, Detail Hebeschiebe-türe/Terrasse.
Bild 2: Öffnung der Fassade beim Fenster außen. Diese Öffnungen wurden später vergrößert um die Details des Sonnenschutzes begutachten zu können. Alter Putz wurde nicht entfernt.
Bild 3: Urkunde im Gerichtsakt: Soll-Darstellung der Dämmung hinter dem Sonnenschutz.

Bei dem betreffenden Gebäude der klagenden Partei handelt es sich um ein rund 50 Jahre altes Haus, das saniert wurde. Im Rahmen der umfassenden Arbeiten wurden Dach, Heizung, Keller, Fenster und Fassade einer Prüfung und Sanierung unterzogen. Nach Fertigstellung der umfassenden Sanierungsmaßnahmen gemäß Wohnbauförderungsgesetz vermutet die klagende Partei Mängel im Bereich Fenster und Fassade. In meinem Fachbereich werden Wärmedurchgangskoeffizienten der Bauelemente sowie mangelhafter Einbau urgiert. Die Fassade soll laut klagender Partei nicht fachgerecht ausgeführt worden sein. Für die Klärung dieser Frage wurde ein SV-Kollege mit Fachgebiet Wärmedämmverbundsysteme beauftragt.

Grundlagen und Vorbereitung

Grundsätzlich gilt es immer zu beachten, dass der Urkundenbeweis bei Gericht die größte Kraft aufweist (getreu dem klassischen Zitat: „Wer schreibt der bleibt“). In diesem Fall waren zwei Urkunden/Verträge maßgeblich: Jener zwischen Konsument und der Baufirma sowie zwischen Bau- und Fensterfirma. In den Verträgen wurden U-Werte der Bauelemente genauso vereinbart wie eine „RAL-Montage“ der Bauelemente. 

Für die Erstellung eines entsprechenden Gutachtens sind natürlich jene Verordnungen, Normen, und Regelwerke anzuwenden, welche zum Zeitpunkt der Vertragserstellung Gültigkeit hatten. Zur Betrachtung der gestellten Fragen wurden folgende Regelwerke herangezogen:
• ÖNorm B 5320, Ausgabe 2006-12-01, Bauanschlussfuge für Fenster, Fenstertüren und Türen in Außenbauteilen – Grundlagen für Planung und Ausführung
• ÖNorm EN ISO 10077-1, Ausgabe 2006, Wärmetechnisches Verhalten von Fenstern, Türen und Abschlüssen – Berechnung des Wärmedurchgangskoeffizienten – Teil 1: Allgemeines
• ÖNorm EN ISO 10077-2, Ausgabe 2008-12-01, Wärmetechnisches Verhalten von Fenstern, Türen und Abschlüssen – Berechnung des Wärmedurchgangskoeffizienten - Teil 2: Numerisches Verfahren für Rahmen
• ÖNorm EN 673, Ausgabe 2003-08-01, Glas im Bauwesen – Bestimmung des Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wert) – Berechnungsverfahren
• ÖNorm EN ISO 12567-1, Ausgabe 2001 02, Wärmetechnisches Verhalten von Fenstern und Türen – Bestimmung des Wärmedurchgangskoeffizienten mittels des Heizkastenverfahrens – Teil 1: Komplette Fenster und Türen

Lokalaugenschein und Erkenntnisse

Für den Lokalaugenschein wurden von den Sachverständigen einige Stellen an der Fassade markiert, die durch entsprechende Fachbetriebe geöffnet wurden. Nach der Öffnung wurden die Bereiche einer Befundaufnahme unterzogen um diese Erkenntnisse im späteren Beweisverfahren exakt beschreiben zu können. Dabei zeigte sich, dass der Glattstrich der Fensterleibung vereinbarungsgemäß durch den Bauherrn durchgeführt wurde (Anmerkung: Zu jener Zeit genügte der Glattstrich noch innerhalb der Leibung). 

Die Abdichtungen, die dann durch Dichtfolien erfolgten, zeigten in kleinen Bereichen der Hebe-Schiebetür Haftungsprobleme auf dem Glattstrich auf, die nachgebessert werden können. Die anderen (Fenster-/Tür-)Elemente zeigten keine Mängel im Bereich der Abdichtung. Aus den Mängeln der Hebe-Schiebetüre wurden folgende Verbesserungen notwendig: Der Innenputz im Bereich der Leibung der Hebe-Schiebetüre musste komplett entfernt werden. Ebenso musste das WDVS im Leibungsbereich bis zum Bestand des Außenputzes entfernt werden. 

Danach erfolgte die korrekte Herstellung der Abdichtungen zur Hebe- Schiebetüre, das Wiederherstellen der Leibungen und Malerarbeiten innen und außen. Dieser Kostenanteil mit Sanierung der Fremdgewerke wurde dem Fensterbauer angelastet.

Bezüglich der fraglichen U-Werte der Elemente konnte bereits einiges der Arbeit bei dem Studium des ca. 200 Seiten umfassenden Gerichtsakts eruiert werden. Die Prüfzeugnisse und Berichte wurden mir von Herstellern vor dem Lokalaugenschein übermittelt und der Berechnung des gesamten Einbaufeldes zugrunde gelegt. Die Entsprechung der Fensterprofile und der Glasaufbauten und die Zuordnung zu den Prüfzeugnissen wurden im Zuge des Lokalaugenscheins geprüft. Dazu konnten keine Abweichungen festgestellt werden.

Weiter wurde die Dämmung der Rollladenkästen reklamiert, wobei hier ein Streit entbrannte, welche Partei diese anbringen hätte sollen. Um eine entsprechende Dämmstärke zu erreichen, hätte vor der Fenstermontage im Bereich des Rollkastens der bestehende (alte) Außenputz entfernt werden müssen (Bild 2).

Als Erklärung die Darstellung einer Urkunde  des Gerichtsaktes (siehe Bild 3 vorige Seite). Da der alte Putz nicht entfernt wurde, konnte eine Dämmung nicht in erforderlicher Dicke ausgeführt werden. Aus Beweisen beim Lokalaugenschein konnte die Herkunft dieses Mangels nicht geklärt werden. Dem Gericht erschien es am plausibelsten, dass der Eigentümer das Abschlagen des Außenputzes und die Dämmung herstellen hätte sollen. Der Hersteller hätte aber im Sinne der Prüf- und Hinweispflicht darauf hinweisen müssen und die Montage der Fenster verweigern sollen (Anmerkung: unbedingt schriftlich). Aufgrund der Verletzung der Hinweispflicht erkannte das Gericht eine teilweise Schuld des Fensterbauers.

Den (Prozess-)Stein ins Rollen brachte allerdings eine Kleinigkeit: Die Balkontüre im 1. OG, deren unteres Rahmenprofil in der Mitte einen Bogen nach oben aufwies, was zu einer Kollision der Verriegelung mit dem Rahmen führte.

Weil der Hersteller auf die Urgenz des Kunden nach seinen Aussagen nicht zufriedenstellend auf seine (berechtigte) Reklamation reagierte, wurde Klage eingereicht. Der Unterbau der Türschwelle war mangelhaft. Gute Monteure überzeichnen den Trageklotz auf der Bandseite, da diese durch die Masse des Flügels tendenziell absinkt. Durch das korrekte Anbringen von drei Tragklötzen sank der Rahmen an der Bandseite um ca. vier Millimeter ab. Damit bewegt sich der der Flügel nach unten. Optisch entsteht in der Mitte des unteren Profiles ein „Bauch“. Auf diesem Bauch ist damit eine Kollision zwischen Verschlusszapfen und Rahmen wahrscheinlich. Solange die Außenfassade noch nicht fertiggestellt war, wäre die Behebung dieses Mangels einfach und kostengünstig möglich gewesen. Bei fertiggestellter Außenfassade ist das nicht mehr so leicht. Vor allem die Mangelfolgeschäden (hier „nur“ Reparatur der Außenfassade) können für den Verursacher teilweise sehr teuer werden.

Und der größte Brocken lauert im Verborgenen: Im Vertragswerk wurde durch den Hersteller eine „RAL-Montage“ zugesichert. Im Zuge des Lokalaugenscheins wurde der Hersteller vom Sachverständigen befragt, ob dieser wirklich eine „RAL-Montage“ ausgeführt hätte und er die Sachkunde dazu hätte.

Anmerkung: Als freiwillige, teilweise höherwertigere und im Detail abweichende Ausführung, u. a. zur ÖNorm B 5320 wird eine RAL-Montage mit der RAL-Montagerichtlinie bezeichnet, welche durch die Mitgliedschaft in der Gütegemeinschaft Fenster und Haustüren e.V. (Deutschland) und das Führen des RAL-Gütezeichens (GZ) dargestellt wird.

Dabei soll eine durchgehende Qualitätssicherung durch Eigen- und Fremdüberwachung von Fensterproduktion über Planung, Einbau und Abdichtung gewährleistet werden. Um eine RAL-zertifizierte Ausführung herzustellen, haben alle (Sub-)Vertragsbeteiligten die Bestimmungen des RAL-GZ  einzuhalten und sind berechtigt, das RAL-Gütezeichen nach den entsprechenden Regelungen im Firmenwortlaut zu führen. Eine Sanierung gemäß RAL-GZ durchzuführen, bezeichne ich zumindest als hoch ambitioniert, da hier viele Details im Vorfeld zu planen sind. Im Zuge einer Sanierung können diese Details erst nach Demontage der alten Fenster geklärt werden.

Im Zuge des Loklaugenscheins wurde der Hersteller durch den Sachverständigen befragt, ob er (und alle seine Vorlieferanten) eine RAL-Zertifizierung hätten. Dem Hersteller (Einbauer der Fenster) waren der Unterschied bzw. die Abweichungen zwischen ÖNorm-Anforderungen und RAL-Anforderungen schlichtweg nicht klar. In diesem Bereich folgte das Gericht den Empfehlungen des Sachverständigen, dass eine Montage gemäß ÖNorm gemeint und mit dem Begriff „RAL-Montage“ fehlbezeichnet wurde. Eine andere Gerichtsentscheidung hätte zu Wandlung geführt (Rückzahlung des Kaufpreises und Rücknahme der Waren (aber auch Rückbau des Bestandes, sofern möglich).

Fazit

• In diesem Fall mussten einige behebbare Mängel erkannt werden.
• Aufzeichnungen und Fortbildung der Mitarbeiter sind unumgänglich, um spätere Mängelrügen („War das mit der Dämmung hinter den Rollläden in Ordnung?“) sofort zu regeln.
• Hinweise sind wichtig und nachweislich schriftlich zu erstellen.
• Die Grundlage eines Geschäfts bildet der Vertrag. Ist dieser mit Fehlern behaftet, kann es sein, dass auch gute Arbeit mangelhaft, da nicht vertragskonform, ist.
• Das Wissen der Regelwerke und „über den Tellerrand schauen“ (angrenzende Gewerbe) und korrekte 
Arbeit garantiert den guten Erfolg des gesamten Werks.

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