Fokusthema Tiefbau

Kein Höhenflug für den Tiefbau

Spezialtiefbau
02.10.2024

Auch die Tiefbauer und Spezialtiefbauer leiden unter der Krise im Wohnbau. Die Branche würde es daher begrüßen, wenn die neue Regierung gleich mit voller Energie loslegt. Auf der Forderungsliste ganz oben: mehr Tempo bei den Genehmigungsverfahren.
Auch die Tiefbauer und Spezialtiefbauer leiden unter der Krise im Wohnbau.
Auch die Tiefbauer und Spezialtiefbauer leiden unter der Krise im Wohnbau.

Auch im Tiefbau und im Spezialtiefbau waren die Zeiten schon einmal besser: „Das Geschäft ist derzeit verhalten. Die Wohnbauflaute trifft uns genauso. Bei vielen Neubauten sind meistens Bodenverbesserungsmaßnahmen und/oder Baugruben erforderlich. Dieses Geschäft tendiert derzeit gegen Null.“ Andreas Körbler, Geschäftsführer von Keller Grundbau und Präsident der Vereinigung Österreichischer Bohr-, Brunnenbau- und Spezialtiefbauunternehmungen (Vöbu) fasst die aktuelle Lage der Spezialtiefbau nüchtern zusammen.

Viele Projekte werden verschoben

Viele Projekte würden derzeit verschoben. „Ob das mit der Wahl zusammenhängt weiß ich nicht. Das ist vielleicht zu hoch gegriffen“, meint Körbler. „Tatsache ist: Die Investoren zögern mit ihren Entscheidungen.“ Die Fakten sprechen aus seiner Sicht jedenfalls eine klare Sprache: „Die Baugenehmigungen sind in manchen Regionen 2024 im Vergleich zu 2023 um bis zu 40 Prozent zurückgegangen. Das Volumen für Wohnbaukredite ist von 2,5 auf eine Milliarde Euro gesunken. Das trifft uns auch.“

Und die schwache Nachfrage hat Folgen. „Der Wettbewerb ist härter geworden. Der Kuchen ist kleiner, die Preise fallen“, so Körbler. „Derzeit sind die Ergebnisse bei öffentlichen Ausschreibungen sehr knapp beieinander – im niedrigen einstelligen Prozentbereich! Das sagt alles“, meint der Vöbu-Präsident. „Der Wettbewerb wird im kommenden Jahr noch härter.“

Von einem härter gewordenen Kampf um die Aufträge weiß auch Johannes Weber, Geschäftsführer des deutschen Tiefbau- und Spezialtiefbau-Anbieters Terra Infrastructure, zu berichten: „Es herrscht allgemein derzeit eine hohe Wettbewerbsintensität am Bau, mit den entsprechenden Folgen auch für die Bauzulieferkette“, so Weber. „Die Folge sind rückläufige Preise auf breiter Front.“ Vor allem der „stark rückläufige Neubau“ betreffe auch sein Unternehmen. „Als Spezialist für alle Arten von Verbau spüren wir das Ausbleiben von Hochbauprojekten in Form der fehlenden innerstädtischen Baugruben“, so Weber weiter. „Als Partner des Tiefbaus“ ist dies eine Entwicklung, die wir bereits im letzten Jahr deutlich gemerkt haben und eine Situation, die sich in 2024 weiter verschärft.“

Als Reaktion auf diese Entwicklung orientieren sich laut Weber viele seiner Kunden mehr in Richtung Tiefbau und Spezial-Tiefbau im Rahmen von Infrastrukturprojekten. Kleine Einschränkung: „Sofern sie können.“ Die Folge „ist ein zunehmender Wettbewerb, der natürlich auch auf die Lieferkette übergreift, sodass die Flaute am Hochbau uns doppelt trifft.“ Dennoch rechnet Weber für das laufende Geschäftsjahr „für unser Unternehmen mit einer stabilen Umsatzentwicklung“. Dies sei „vor dem Hintergrund des mehr als herausfordernden Marktumfeldes für uns ein zufriedenstellendes Ergebnis“.

Von einem Rekordergebnis spricht man bei Tiroler Röhren (TRM) ebenfalls nicht. Aber Max Kloger, Eigentümer und Geschäftsführer des heimischen Rohr- und Pfahlsystemherstellers, zeigt sich „insgesamt zufrieden“. Kloger: „Im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen in der Bauwirtschaft entwickelt sich unser Geschäft recht gut. Aber wir sind natürlich weit von dem Boom entfernt, den wir nach der Corona-Pandemie gesehen haben.“ Die einzelnen Geschäftsfelder von TRM entwickeln sich laut Kloger sich sehr unterschiedlich. Während es in der Trinkwasserversorgung und bei den Beschneiungsanlagen gut bis sehr gut laufe, liege man bei den Turbinenleitungen für Wasserkraftwerke unter den Erwartungen. Ähnlich verhalte es sich im Spezialtiefbau bei den Pfahlsystemen.

Bei der Österreich-Tochter des deutschen Pumpenherstellers Wilo liegt das Geschäft laut Geschäftsführer Gernot Kammerhofer „auf Vorjahresniveau“. Kammerhofer: „Anstrengungen in Neuprodukteentwicklungen und zusätzliche Mitarbeiter wurden durch die negative Entwicklung der Märkte kannibalisiert.“ Er erwartet bis Ende des Jahres „keine wesentlichen Veränderungen“. Die Wohnbaukrise trifft auch Wilo – vor allem im Neubau. „Jedoch kompensieren wir stark im Sanierungsbereich und insbesondere dort, wo es um Energieeffizienz, Kosteneinsparungen und Ausfallsicherheit von Anlagen und Systemen geht“, erläutert Kammerhofer.

Von einer Erholung im Wohnbau geht Kammerhofer nicht so schnell aus. Er sieht „bis Ende des Jahres keine wesentliche“ Veränderung. „Erste konjunkturelle Verbesserungen werden erst ab Mitte 2025 erwartet.“ Langfristig erhoffen sich die Tiefbauer- und Spezialtiefbauer deutliche Impulse durch die Transformation der Bauwirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit und den Green Deal der EU. Dazu TRM-Chef Kloger: „Der Green Deal ist eine große Chance für Europa. Wir können bei umweltfreundlichen Technologien die Rolle des Vorreiters einnehmen und damit nachhaltig Wachstum schaffen. Am Green Deal führt aus meiner Sicht kein Weg vorbei.“

Wie das mit der Rolle des Vorreiters funktionieren kann, erläutert Vöbu-Geschäftsführer Thomas Pirkner. Er verweist auf den EEFC Carbon Calculator, den die europäischen Spezialtiefbauer gemeinsam vor 10 Jahren entwickelt haben. Pirkner: „Das ist einmalig in Europa.“ Das einfach zu bedienende, kostenlose Tool ermöglicht es, den CO₂-Footprint von einzelnen Gewerken wie einer Schlitzwand oder einem Bohrpfahl zu berechnen. „Der Calculator funktioniert sehr gut“, meint Pirkner. So gut, „dass die amerikanischen Spezialtiefbauer derzeit gemeinsam mit uns Europäern ein webbasiertes Tool entwickeln.“

Um die Bauwirtschaft in Österreich langfristig zu unterstützen, haben die Manager der Tiefbau- und Spezialtiefbau-Branche durchaus konkrete Forderungen an die zukünftige Regierung und die politischen Entscheidungsträger auf anderen Ebenen. Wilo-Manager Kammerhofer verweist dabei auf die „aktuelle finanzielle Lage vieler Gemeinden, die als Hauptauftraggeber für Infrastrukturprojekte im Tiefbau fungieren“. Kammerhofer warnend: „Diese Entwicklung könnte langfristig die Umsetzung wichtiger Infrastrukturprojekte verzögern und die Qualität der kommunalen Versorgung beeinträchtigen.“

Terra Infrastructure-Geschäftsführer Weber liegen die „langen Genehmigungsverfahren“ bei den Behörden im Magen. „Ich halte den Aufbau von Kapazitäten in den Genehmigungsbehörden gepaart mit einer Vereinfachung der Regulierung zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für geboten“, so Weber. „Hier sollte man auch darüber nachdenken, auch für den Genehmigungsprozess klare Fristen einzuführen, die insgesamt zu mehr Planbarkeit führen.“

Gegen diese Forderung hat auch Vöbu-Präsident Körbler nichts einzuwenden. Sie steht ganz oben auf der seiner Liste. Auf Platz zwei folgt ein konkreter Vorschlag zum Thema Steuern, den er vor allem mit Blick auf den Fachkräftemangel für sehr wichtig hält: „Überstunden sollten steuerfrei gestellt werden – und zwar nicht zehn oder 15 Überstunden pro Monat, sondern 20. Wir müssen als Gesellschaft wieder mehr arbeiten. Und das wird nur funktionieren, wenn es sich auch lohnt.“ Körbler würde zudem auch einen eigenen Minister für das Thema Bauen begrüßen – und zwar vor allem dann, „wenn er auch die Kompetenz hat Verfahren zu beschleunigen“. Körbler: „Ein eigener Bauminister oder eine Bauministerin klingt gut. Aber die Frage ist immer, mit welchen Kompetenzen man ihn ausstattet.“

Diese wohl nicht ganz unbegründete Skepsis liegt auch bei Terra Infrastructure-Manager Weber vor: Zum Thema Bauminister habe er nicht wirklich eine Meinung. „Die Bedeutung der Bauwirtschaft sollte auch ohne eigenen Minister jedem klar sein“, meint er. Nachsatz: „Wenn diese Klarheit nur mit einem eigenen Minister entsteht, bin ich dafür.“ Noch dürftige ist die Begeisterung bei Wilo Österreich-Chef Kammerhofer. Seine trockene Antwort auf die Frage, was er von einem eigenen Bauminister halte: „Nichts. Eine weitere Person, die sich profilieren muss und wichtige Ressourcen von den eigentlichen Themen absaugt.“  

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