Der Spezialtiefbau und die Nachhaltigkeit
Im Jahr 2026 soll in Wien-Aspern die erste Geothermieanlage in Betrieb genommen werden. Sie ist eine von insgesamt vier Anlagen, die die Stadt Wien bis 2023 realisieren will. Nachhaltige Energiegewinnung sollte aber Hand in Hand mit nachhaltigen Bauweisen gehen. Grund genug, die Nachhaltigkeitsbestrebungen der Spezialtiefbaubranche unter die Lupe zu nehmen.
Umweltfreundliche Agenda
Mit CO2-neutralem Beton, lebenszyklusorientiertem Bauen etc. soll das Bauen im Untergrund künftig deutlich nachhaltiger werden. Thomas Pirkner, Geschäftsführer der Vereinigung Österreichischer Bohr-, Brunnenbau- und Spezialtiefbauunternehmungen (Vöbu), sagt nicht umsonst: "Nachhaltiges Bauen im Spezialtiefbau wird derzeit intensiv diskutiert. Das Hauptaugenmerk liegt auf Themen rund um CO2-Einsparungen, die Nachhaltigkeit umfasst aber viel mehr: Gleichberechtigung, Sicherheit, Gesundheit, sauberer Energieeinsatz etc.“
Christian Riediger, Geschäftsführer von i+R Spezialtiefbau, sieht hier Aufholbedarf: "In den letzten zehn Jahren gab es in dem Bereich keine größeren Fortschritte, da der Bedarf nach CO2-ärmeren Herstellungsmethoden nicht vorhanden war.“ Langsam findet aber nun ein Umdenken statt. Bei i+R sollen demnach in Zukunft Bohrpfähle aus einem Kunststofffaserbeton eingesetzt werden. Der Vorteil: weniger Stahlverbrauch, da mithilfe der Fasern die Zugkräfte in die Betonmatrix übertragen werden. Dadurch soll der Bewehrungsgehalt verringert werden.
Auch bei Bauer Spezialtiefbau wird an klimafreundlichen Lösungen gearbeitet. "Einer der größten Hebel liegt schon in der Beratung“, betont Österreich-Geschäftsführer Alexander Rausch. Generell sollte bei jeder Spezialtiefbaumaßnahme möglichst früh geprüft werden, wie man die Baumaßnahme auch zur Energiegewinnung nutzen kann, so Rausch.
Neben einer Optimierung des Designs steckt aber auch viel Potenzial in nachhaltigen Baumethoden. "Statt einer klasischen Schlitzwand kann man Alternativen mit positiverer CO2-Bilanz vorschlagen. Eine davon ist das seit langem am Markt erprobte Mixed-in-Place-Verfahren, welches insbesondere im Bereich der geothermischen Aktivierung als "Energiewand“ eine optimale Ausführungsmethode darstellt, da hier der Wärmeübergang vom Boden zu den Erdwärmeleitungen günstig ist. Zudem spricht Rausch von einer weiteren Alternative: "Auch der Einsatz einer LWS-Weichgel-Sohle anstelle einer DSV-Sohle kann CO2-Emissionen einsparen, wie Berechnungen zeigen.“
Ein (dunkel)grüner Beton
Neue Verfahren und der Einsatz anderer Materialien stehen also auf dem Plan, aber auch bei den Baustoffen selbst besteht Handlungsbedarf, sind doch Zement und Stahl zentrale Treiber der CO2-Emissionen. Aus diesem Grund wird der Ruf nach einem CO2-neutralen Beton immer lauter. Ein Blick in die Spezialtiefbauunternehmen zeigt: Bei so manchen wird erst intern über CO2-neutralen Beton diskutiert, während er bei anderen bereits auf der Tagesordnung steht. So kommt beispielsweise bei einem Projekt von i+R Spezialtiefbau in Bregenz ein neuer Klimabeton zum Einsatz. Was das ist, erklärt Geschäftsführer Riediger: "Bei diesem Beton wird ein Teil des notwendigen Zements durch technischen Kohlenstoff ersetzt, wodurch sich die CO2-Bilanz in Summe reduziert.“ Circa 41 Prozent CO2-Äquivalent sollen durch den Einsatz des Klimabetons eingespart werden.
Digital ist gleich nachhaltig?
Neben dem Einsatz umweltfreundlicher Alternativen sowie mit veränderten Prozessen leistet – wie allseits bekannt – auch die Digitalisierung einen wichtigen Beitrag zur klimaneutralen Baustelle. "Je besser die Datenlage ist und je schneller Systeme rechnen, desto einfacher wird die Optimierung des Designs und auch des Bauablaufs“, erklärt Alexander Rausch, Geschäftsführer von Bauer Spezialtiefbau. Zudem können alle ausführenden Prozesse besser nachverfolgt werden, was schließlich Materialverschwendung und Qualitätsmängel deutlich reduziert. "Die Digitalisierung ist auf den meisten Spezialtiefbau-Baustellen angekommen – bei Großprojekten natürlich umso mehr, da hier die Einsparungshebel deutlich größer sind“, betont Rausch.
Auch das niederösterreichische Erdbauunternehmen Gnant kann von Vorteilen mit digitalen Prozessen berichten: "Durch die Digitalisierung kann die Leistung im Tiefbau präziser geplant und somit weniger Masse bewegt werden“, erklärt der geschäftsführende Gesellschafter Josef Gnant. "Stehzeiten werden weniger, der Verbrauch von Treibstoff wird folglich geringer. Außerdem gibt es dank einer digitalen Routenplanung weniger Leerfahrten. All das kann nur durch digitale Prozesse ermöglicht werden.“ Es lässt sich also eine Tendenz in Richtung digitalisierter Spezialtiefbau-Baustelle feststellen. Nicht zuletzt, weil mithilfe eines genauen Umgangs mit Daten eine CO2-Auswertung der Baustelle möglich wird.
Maschinelle Unterstützung
Bei Gnant kommt außerdem immer öfter die Brextor-Pfahlkopffräse zum Einsatz. Diese Innovation aus der Schweiz kann Pfahlköpfe verschiedener Größen bearbeiten. Die Frage, ob diese Maschine einen Beitrag zu einer nachhaltigen Bauweise leistet, beantwortet Gnant mit einem klaren Ja: "Brextor kann im Sinne der Nachhaltigkeit viele Beiträge leisten: Verkürzung der Bauzeit, weniger Materialeinsatz und Gesundheit der Mitarbeiter.“ Die mit einer kürzeren Bauzeit einhergehenden Nebeneffekte können sich sehen lassen: verringerte Vorhaltekosten, verkürzte Lärmbelästigung sowie eine Reduzierung des Treibstoffbedarfs. Auch lebenszyklusorientiertes Bauen kommt ins Spiel: Das Fräsgut kann nämlich direkt auf der Baustelle als rezyklierter Beton wiedereingesetzt werden.
Forschungsprojekte
Die Branche steht also vor einem Umbruch: von Materialherstellern, über Spezialtiefbaufirmen, bis hin zu Geräten. Neuentwicklungen sind notwendig, andere Herangehens- und gewissermaßen auch Denkweisen sowie das komplette Neudenken eines Arbeitsprozesses wie auch die Verwendung anderer Materialien sind gefragt. Deshalb forschen neben Material- auch Gerätehersteller an Verbesserungen der Produkte, so Vöbu-Geschäftsführer Pirkner: "Die Maschinenhersteller tragen hier auch ihren Teil dazu bei, indem sie neue Antriebe für Spezialtiefbaugeräte entwickeln.“ Demnach sind bereits mit HVO-Treibstoffen oder Wasserstoff betriebene Motoren in der Warteschleife.
Außerdem arbeitet die Technische Universität Graz derzeit an verschiedenen Forschungsprojekten. Eines davon ist DW2: Im Zuge dessen wird die Anwendung thermisch verbesserter Betone für Untergrundbauteile untersucht. "Der Anwendungsfokus liegt auf den Underground Thermal Energy Storages, um eine nachhaltige und möglichst verlustfreie Speicherung von Wärme für Langzeit- und Pufferspeicher zu ermöglichen“, so Pirkner. Darüber hinaus wurde in einem bereits abgeschlossenen Projekt – Cemwogeo – die Verwendung von Holz für Gründungselemente untersucht. Hierfür wurden Furnierschichtrohre mit Zement ummantelt, eine Kombination aus Duktil- und Holzrammpfahl.
Zwischen Zuversicht und Zweifel im Spezialtiefbau
Die Unternehmen des Spezialtiefbaus werden auf Grün umgestellt, Hersteller und Baufirmen haben ihre Hausaufgaben schon gemacht. Aufholbedarf gibt es aber noch aufseiten der Auftraggeber. "Die öffentliche Hand kann im Rahmen von Bestbieter-Verfahren verstärkt Nachhaltigkeitskriterien abfragen und so nachhaltigen Alternativ-Verfahren Raum geben. Folgen Genehmigungsrechtlicher Auflagen sind gegenüber Nutzung nachhaltiger Energiesysteme abzuwägen“, ist Rausch von Bauer Spezialtiefbau der Meinung. Laut Gnant ist außerdem nach wie vor eine Zurückhaltung in der Nachfrage zu spüren: Interesse gibt es, Aufträge nur wenige. Optimistischer zeigt sich da schon Vöbu-Geschäftsführer Thomas Pirkner: "Immer mehr Auftraggeber bewerten bzw. verlangen nachhaltige Bauverfahren. Auch die Behandlung von Reststoffen wird künftig Bauherren, Planer und Ausführende fordern.“ Klar ist: CO2-neutrale Baustellen bringen Herausforderungen. Die Bauweise ist teurer, zeitintensiver und arbeitsaufwendiger. Am Ende werden aber dadurch signifikante Einsparungen erzielt, was sich positiv auf die Kosten auswirkt.
Grünes Pfahlsystem
"Nachhaltigkeit darf nicht nur ein Trend, sondern muss von echtem Interesse geprägt sein. Daher sollte es bereits in der Planung und Ausschreibung berücksichtigt werden. Abbruch, Wiederaufbereitung und Wiedereinsatz müssen bezahlt werden, und es braucht einen Bauherrn, der bereit ist, dies umzusetzen", Thomas Aumüller, Leiter Pfahlsysteme Tiroler Rohre, im Kurzinterview.
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