Infrastrukturbau
Spektakulär geschalt
Ein enges Zeitfenster, schwierige Umgebungsbedingungen und der Blick auf die Wirtschaftlichkeit machen Infrastrukturprojekte meist zu echten Herausforderungen für alle Baubeteiligten. Um Produkte zu liefern, die gleichermaßen sicher und effizient sind, müssen sich die Schalungshersteller immer wieder etwas Neues einfallen lassen. Ein Beispiel für eine innovative Engineeringlösung ist die Autobahnbrücke von Sibiu nach Pitești in Rumänien. Schalungsprofi Hünnebeck wurde von der Porr beauftragt, hier eine Lösung für Pfeilerfundament, Pfeilerkopf und Brückendeck zu entwickeln. Eine der Herausforderungen bei diesem Projekt bestand darin, die Schalung für den Hammerkopf mit Standardelementen zu konstruieren. Hünnebeck schalte mit dem modularen Infra-Kit-System, dessen Systemteile beliebig miteinander kombinierbar sind. Bei einem anderen Hünnebeck-Projekt, dem Bau der Autobahn-Raststation Hörbranz in Vorarlberg, wurde eine maßgeschneiderte Stahlsonderschalung für das architektonisch eindrucksvolle "schwebende Dach" eingesetzt. Sie ermöglichte es, die komplex geformten Pilzstützen wirtschaftlich und sicher und mit einem qualitativ hochwertigen Betonbild zu erstellen. Gerald Schönthaler, Geschäftsführer Hünnebeck: "Mit nur zwei Stahlschalungen konnten im Drei-Tage-Rhythmus jeweils zwei Stützen gebaut werden – zeit- und kostenintensive Ausbesserungsarbeiten oder gar ein Schalhautwechsel, wie es eine Schalungslösung aus Holz erfordert hätte, fielen dabei komplett weg."
Wie wichtig ist Digitalisierung bzw. BIM für die Schalungsindustrie?
"Digitalisierung wird ein immer wichtigeres Thema. Die Nachfrage nach BIM-Lösungen steigt – u. a. dadurch, dass BIM seit 2020 für den Bau von öffentlichen Einrichtungen in Österreich verpflichtend ist. Wir unterstützen diese Entwicklung aktiv durch die Bereitstellung von intelligenten
3D-Komponenten für die BIM-Software Tekla Structures. Als Mitglied des Güteschutzverbands für Betonschalung setzen wir uns darüber hinaus dafür ein, BIM auch strategisch weiter voranzutreiben, d. h. einheitliche Standards zu schaffen und den Mangel an Fachkräften zur Implementierung von BIM anzugehen."
Herausfordernde Planung
Die A26 stellt eines der wichtigsten Infrastrukturprojekte der österreichischen Stadt Linz und ihrer Umgebung dar, um das Verkehrsnetz zu entlasten. Der Schlüssel zum Erfolg war hier eine effiziente Engineeringlösung auf Basis eines vollhydraulischen Tunnelsonderschalwagens mit Raupenantrieb, der in dieser Form das erste Mal zum Einsatz kommt. Die fünf verschiedenen Tunnelquerschnitte, die Profilübergänge, die engen Radien von 50 Meter bis 750 Meter in den Kurven und die verschiedenen Steigungen sind nur Teile der Herausforderungen, die dieses Vorhaben auszeichnen. "Mit dem modularen selbsttragenden Schalwagen war es bislang möglich, verschiedene Querschnittstypen ohne größere Aufwände herzustellen. Die sehr engen Kurvenradien machen den Transport des Schalwagens – etwa 250 Tonnen – sehr schwierig, daher haben wir uns für den Einsatz des Raupenfahrwerks entschieden", berichtet Peter Radel, Geschäftsführer Peri. Der durch das Peri ISSU-Team maßgeschneiderte, vollhydraulische Sonderschalwagen besticht nicht nur durch sein fortschrittliches Raupensystem, sondern auch durch seine beachtlichen Ausmaße von 10,70 Meter Breite im verfahrbaren bzw. 11,20 Meter Breite im betonierbereiten Zustand sowie 8,07 Meter Höhe und 14,50 Meter Länge.
Wie wichtig ist die additive Fertigung bei Schalungsprojekten?
"Peri beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit den unterschiedlichen Möglichkeiten der 3D-Druck-Technologie. Unser Schwerpunkt liegt im Augenblick auf der Erstellung kompletter Gebäude mit 3D-Druckern. Durch intelligentere Designs und optimierten Materialeinsatz ebnet der 3D-Betondruck auch den Weg zu einer nachhaltigeren gebauten Umwelt. Wir haben im Herbst letzten Jahres gemeinsam mit Strabag das erste Gebäude in Österreich mit einem BOD2-Drucker unseres dänischen Partners Cobod erstellt. Gedruckt wurde ein rund 125 Quadratmeter großer Bürozubau auf dem Firmengelände der Strabag in Hausleiten. Die reine Druckzeit für den Gebäudeanbau lag bei ca. 45 Stunden."
Bedarf nach Sonderlösungen steigt
Durch den wachsenden Anteil moderner Architektur steigt besonders der Bedarf nach komplexen Sonderschalungen für die Realisierung ausgefallener Geometrien bzw. für die meist extremen Dimensionen im Infrastrukturbau. Harald Zulehner, Geschäftsführer Doka Österreich: "Hier kommt unser Fertigservice zum Einsatz, der maßgeschneiderte Sonderschalungen vorfertigt und einsatzbereit und termingerecht auf die Baustelle liefert. Im Brückenbau beispielsweise hat sich hier unser Formholz-Stecksystem am Markt etabliert. Wir planen Formhölzer mittels 3D und fertigen diese maßgeschneidert mit der CNC-Fräse. Auf der Baustelle werden diese Formhölzer kinderleicht zu passgenauen Einheiten zusammengesteckt."
Manche Projekte werden Harald Zulehner noch lange im Gedächtnis bleiben – wie zum Beispiel die Baustelle A26, wo Doka die Ankerblöcke für die spektakuläre Linzer Hängebrücke geschalt hat. Oder auch die Sanierung der Galerie Imst, wo auf sehr engem Raum – neben dem rollenden Verkehr – mit zwei SL1-Schalwagen quasi ein Tunnel im Tunnel entsteht. Zulehner: "Auch der Bau des Kraftwerks Töging war aufgrund des sportlichen Bauzeitplans und der Bauwerkskomplexität mit extremen Dimensionen eine Herausforderung. Sehr hilfreich für die Abstimmungen und Freigaben waren dabei die anschaulichen 3D-Modelle.
Was ist das Schalungsmaterial der Zukunft?
"Holz und Metall sind gegenwärtig noch die wichtigsten Komponenten unserer klassischen Schalungsprodukte wie Rahmenschalungen und Trägerschalungen. Diese werden u. a. ergänzt durch Kunststoffkomponenten wie z. B. die Endverstärkungen der H20-Träger oder innovative Beschichtungen diverser Schalungsplatten. Wir forschen allerdings in alle Richtungen nach neuen Materialien, um unsere Produkte noch leichter, langlebiger sowie nachhaltiger zu machen. So wollen wir zum einen die Arbeitsbedingungen für den Arbeiter auf der Baustelle optimieren, um arbeitsbedingte Belastungen zu minimieren. Zugleich ist
es unser Ziel, den Schalungseinsatz wirtschaftlicher zu machen, indem wir die Langlebigkeit und Qualität unserer Produkte noch einmal steigern."
Die Abteilung für Sonderschalung
Paschal, Schalungshersteller aus Steinach in Deutschland, verfügt sogar über eine eigene Abteilung für Sonderschalung. Das Unternehmen bietet Sonderschalungen in Holz oder Stahl. Steht die Langlebigkeit verbunden mit hohen Einsatzzahlen im Vordergrund, ist zumeist die teurere Lösung in Stahl wirtschaftlicher als eine billigere Holzkonstruktion. "Ein nicht unwesentlicher Teil unseres Geschäfts besteht in kniffligen Sonderlösungen", erklärt Paschal-Geschäftsführer Marius Wunder, "so werden zum Beispiel in Luxemburg aktuell Wassertürme mit circa 50 Meter Höhe gebaut, bei denen wir Ausschalkeile für die Rundschalung als Sonderschalung angefertigt haben. Oder im Stahlbetonfertigteilwerk der Beton-Tille GmbH & Co.KG. Hier wurden Rahmendurchlässe aus Stahlbetonfertigteilen für eine geregelte Wasserführung unter Bahngleisen und Straßen mit der Wandschalung Logo.3 hergestellt. Sonderstützenschalungen in verschiedenen Querschnitten, Pilzköpfe und Konsolen für Infrastrukturprojekte in Stahlsonderschalung kommen auch beim Terminalneubau in Frankfurt zum Einsatz."
"Die Mammutaufgabe"
Sogar bis nach Dänemark reicht der lange Arm von Paschal: In der Stadt Hillerod wird derzeit von NCC Danmark in Zusammenarbeit mit Paschal eine Klinik mit 128.000 Quadratmetern Grundfläche errichtet. Die "Mammutaufgabe" bei den Ortbetonbauteilen sind die Geschoßdecken. Zum effizienten Einschalen und Abstützen kommen Deckenschaltische zum Einsatz. Diese sind schnell und einfach aufgebaut und dennoch höchst tragfähig. Außerdem wird nur eine geringe Stellfläche benötigt. Mit dem Liftwagen lassen sich komplette Deckenschaltischeinheiten nach dem Absenken zügig und unkompliziert zur nächsten Einsatzstelle verfahren.
Ist Nachhaltigkeit beim Schalen ein Thema?
"Paschal ist traditionell auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Unsere Produkte sind 36 Jahre und länger im Einsatz. Wir haben uns bewusst für Schalhaut aus Stahl und Schalplatten aus Holz und nicht aus Kunststoff entschieden, um Mikroplastik im Grundwasser zu reduzieren. Das sind alles Dinge, die in kaum einer Klimabilanz auftauchen, aber genauso gezählt werden müssen. Daneben tun wir unser Möglichstes, um unseren CO2-Fußabdruck zu minimieren."
Schutzprojekt Wildbachverbauung
Die Berge Österreichs bieten beim Bauen immer wieder neue Herausforderungen. Einen wichtigen Beitrag zur Sicherheit von Menschen und Bauwerken leistet dabei die Wildbach- und Lawinenverbauung. Besonders Beeindruckend ist die 71 Meter breite und 15,3 Meter hohe Verbauung des Pöllinger Bachs bei Treffen am Ossiacher See. Mit bis zu 1,5 Meter dicken Fundamentplatten und 1,35 Meter dicken Wänden stellte das Bauwerk sowohl an die Planung als auch an die Ausführung hohe Anforderungen. Zum Einsatz kam die robuste Stahl-Master-Schalung von Ringer mit Elementhöhen bis zu 3,30 Metern.
Mit einer Leistung von 80 kN/m² zulässigen Frischbetondrucks ist dieses Schalungssystem für höchste Belastungen ausgelegt. Damit war es möglich, sehr flexibel mit den verschiedenen Wandstärken zu planen. Das Überlager mit einer Dicke von 3,18 Metern kann mit entsprechend langen Spannstählen in einem Stück geschalt und betoniert werden. Eine Besonderheit stellen die extra für dieses Projekt eigens von Ringer konstruierten Ankerriegelsets dar. Mit deren Hilfe konnten die enormen durch den Frischbetondruck entstehenden Schnittkräfte der bis zu 1,35 Meter dicken und 4,5 Meter hohen Bauabschnitte auch im Bereich der Außenecken sicher und fachgerecht abgeleitet werden. Zur Herstellung der schräg verlaufenden Wände der Schleusenmauer wurden die Schalungselemente mit Holzkonstruktionen ergänzt, durch die der Beton eingeleitet und verdichtet werden konnte.
Wie wichtig sind Sonderlösungen im Infrastrukturbereich?
"Anspruchsvolle Bauwerke erfordern oft neben einer sehr guten Planung auch ganz individuelle Sonderlösungen in der Schalungstechnik. Wir bieten unseren Kunden in so einem Fall immer maßgeschneiderte Lösungen an."