Oberösterreich
Kein Bock aufs Bauen
„Endlich wieder Lust aufs Bauen und Renovieren machen.“ So lautet der Titel einer Kampagne, die seit einigen Monaten potentielle Bauherrinnen und Bauherren in Oberösterreich motivieren soll, ein Bauvorhaben in Angriff zu nehmen. Absender der Kampagne ist der „Branchenverbund Bauwirtschaft“, zu dem sich die fünf Fachgruppen Bau, Bauhilfsgewerbe, Baustoff-, Eisen- und Holzhandel, Dachdecker, Glaser und Spengler sowie der Holzbau zusammengeschlossen haben.
„Wir haben genug freie Kapazitäten. Und die Preise von Material und Energie oder die Finanzierungskosten werden – wenn überhaupt – nur marginal zurückgehen“, so Norbert Hartl, Landesinnungsmeister Bau, bei der Präsentation der Kampagne Anfang des Jahres. „Ungewissheiten gibt es immer. Doch wer sich seine eigenen vier Wände schaffen will oder seinen Betrieb erweitern, umbauen oder neu errichten will, der sollte jetzt bauen, umbauen, revitalisieren und nicht länger zögern.“
Martin Greiner, Landesinnungsmeister des Bauhilfsgewerbes, rührte ebenfalls kräftig die Werbetrommel. „Nach jeder Hitze folgt auch eine Abkühlung – und das kann man auch für die Überhitzung der Baubranche in den letzten Jahren sagen“, meinte Greiner und ergänzte: „Diese hat sich nun normalisiert, die Preissituation bei vielen Baustoffen hat sich entspannt, Verfügbarkeitsengpässe haben sich aufgelöst und Lieferketten funktionieren wieder.“
Echter Abschwung
Der Grund für die geballten Kommunikationsaktivitäten liegt auf der Hand: Auch in Oberösterreich hat die Baubranche schon mal bessere Zeiten erlebt. Die Bauproduktion sank bereits im Jahr 2023 von 6,3 auf 6 Milliarden Euro. Und wer befürchtet hatte, dass der echte Abschwung erst 2024 kommen wird, sieht sich bestätigt.
Laut Konjunkturbeobachtung, die die KMU Forschung Austria im Auftrag der Bundesinnung Bau durchführt, befindet sich der Auftragsbestand im Baugewerbe österreichweit seit 2022 auf Schrumpfkurs. Lag er im ersten Quartal 2022 noch bei durchschnittlich 20,6 Wochen, so waren es im ersten Quartal 2023 nur 17,6 und in den ersten drei Monaten 2024 nur noch 15,7. Im Vergleich mit den anderen Bundesländern schneidet Oberösterreich in dieser Statistik zwar am besten ab – mit einem Auftragspuffer von 18,6 Wochen ist das oberösterreichische Baugewerbe nach wie vor die Nummer 1. Dafür fällt aber der Rückgang besonders stark aus: 2022 waren es noch 25,1 Wochen, ein Jahr danach 20,1 Wochen.
Und eine Erholung ist so rasch nicht in Sicht. Daran hat bislang auch die Kommunikations-Offensive der Fachgruppen bislang kaum etwas ändern können. Die Kampagne „ist gut angelaufen. Die Unternehmen erhalten viele positive Rückmeldungen“, meint Landesinnungsmeister Hartl. „Die Situation der Branche ist aber immer noch angespannt.“ Für das Bauhilfsgewerbe zeichnet Landesinnungsmeister Greiner ein gemischtes Bild: „Bei Betrieben, die vorwiegend im Einfamilienhausbau tätig sind, ist die Lage mehr als bescheiden. Für Betriebe, die in Gewerbe und Industrie aktiv sind oder im Bereich des Genossenschaftswohnungsbaus, schaut es besser aus.“
Insgesamt, so Greiner weiter, würden in Österreich zu wenig Wohnungen gebaut. Sein Kollege Hartl verweist auf das Bevölkerungswachstum: „In den vergangenen 10 Jahren ist die Bevölkerung durch Zuzug um eine Millionen Menschen gewachsen. Irgendwo müssen die leben.“ Um den Bedarf an neuem Wohnraum abzudecken, „müssten österreichweit rund 50.000 Wohneinheiten pro Jahr gebaut werden“, betont Greiner. Davon ist man derzeit aber weit entfernt: 2023 sind 46.000 Einheiten errichtet worden. Für 2024 werden 36.000 prognostiziert, für 2025 sogar nur noch 15.000.
Die Sicht der beiden Fachgruppen-Funktionäre wird von anderen Vertretern der oberösterreichischen Bauwirtschaft geteilt. „Aufgrund der verringerten Bautätigkeit bleibt die Nachfrage sowohl im privaten als auch im öffentlichen Wohnbau zurückhaltend“, meint der Schalungs- und Gerüstbauunternehmer Markus Ringer. Bei Ringer könne man durch Projekte im Tiefbau- und Infrastrukturbau „einen Teil des Rückgangs im Wohnbau“ kompensieren. „Die Wohnbauflaute betrifft uns nur marginal, da wir einen großen Anteil an Infrastrukturprojekten haben“, sagt Michael Wardian, Geschäftsführer des Baustoffherstellers Kirchdorfer.
„Die Entwicklung der Kirchdorfer Gruppe passt mit der allgemeinen Kommunikation der Bauindustrie zusammen“, so Wardian weiter. „Der Hochbau, und hier vor allem der Wohnungs- und Einfamilienhausbau, kann sich ohne eine Veränderung der Rahmenbedingungen nicht von selbst aus dem Tal heben. Die Infrastrukturinvestitionen sind noch nicht dort, wo sie in den Vorjahren waren.“ Seine Prognose für die Jahre 2024 und 2025: „Planerfüllung, keinesfalls ein Rekordjahr.“
Mehr oder weniger deutlich enttäuscht zeigt sich die Branche vom Wohnbaupaket der Bundesregierung. Es sei „zu spät gekommen und wäre auch nicht notwendig gewesen, wenn die KIM-Verordnung an die Zinsentwicklung gekoppelt worden wäre“, meint Kirchdorfer-Geschäftsführer Wardian mit Hinweis auf die Verordnung, die den heimischen Banken strenge Auflagen bei der Vergabe von Immobilienkrediten macht. Er ergänzt: „Das zehnmalige Ansteigen der Zinssätze hätte für eine Dämpfung der Konjunktur gereicht.“
Für Schalungs-Spezialist Ringer ist das Wohnbaupaket „ein erster Impuls in die richtige Richtung. Die Zeit von der Planungsphase bis hin zum Baustart bedeutet eine zusätzliche Verzögerung“, so Ringer. Das bedeute: „Jetzt gesetzte Maßnahmen werden frühestens 2025 sichtbar werden.“ Er schaut so wie der Rest der Branche gespannt auf die EZB und die von ihr angekündigte Zinswende. Die weitere Entwicklung des Zinsmarktes sei „entscheidend“. Zusatz: Die rasche Abschaffung der KIM-Verordnung sei „unbedingt notwendig“.
Dem kann auch Bauhilfsgewerbe-Vertreter Greiner beipflichten. Greiner findet zudem klare Worte in Richtung Regierung: „Das Wohnbaupaket ist ein Paketchen“, so Greiner. „Es gab große Versprechungen, aber bislang ist kaum etwas umgesetzt. Er verweist auf die Vorschläge, die die Bausozialpartner auf Bundesebene „bereits vor eineinhalb Jahren gemacht haben“, um den Wohnbau anzuschieben. Einer dieser Vorschläge: Die Befreiung von Investitionen im Wohnbau von der Mehrwertsteuer bis zu einer Bauleistung von 500.000 Euro. „Man hat leider nicht auf uns gehört. Das wäre ein echter Turbo gewesen“, so Greiner.
Vergleichsweise zufrieden zeigen sich Greiner und sein Kollege Hartl mit der oberösterreichischen Landesregierung. Diese hat vor kurzem ein gefördertes Wohnbaudarlehen mit einem Zinssatz von 1,5 Prozent für Kredite bis zu 100.000 Euro beschlossen. Hartl bemängelt allerdings, dass das Darlehen „nur für den Bau von Einfamilienhäusern“ vergeben werde. „Wir hätten uns gewünscht, dass man es auch für die Schaffung von Eigentumswohnungen nutzen kann. Das hätte den Wohnbau stärker angekurbelt.“
Die beiden Branchenvertreter machen sich darauf gefasst, dass die Erholung im Wohnbau noch eine ganze Weile dauern wird. „Die Bauwirtschaft ist wie eine Lokomotive. Die kann man nicht schnell bremsen und nicht schnell anfahren. Das dauert“, meint Hartl. „Daher rechne ich erst in einem Jahr mit einem wirklichen Aufschwung – und zwar im dritten oder vierten Quartal 2025.“