Bank Austria-Analyse
Bauboom treibt Kosten auf Rekordhoch
2020 wurden in Österreich 72.000 Neubauwohnungen errichtet. In dieser Zeit lag der Kostenanstieg bei Vorleistungen bei moderaten 0,9 Prozent. Seit Beginn 2021 steigen die Baukosten aber sukzessive. Im April 2021 lag der Kostenanstieg bei 7 Prozent, wodurch sich seit Jänner die Baukosten um durchschnittlich 4,7 Prozent erhöhten. "Ähnlich hohe Zuwächse der Baukosten wie 2021 wurden zuletzt in den Jahren 2006 bis 2008 registriert", so UniCredit Bank Austria-Ökonom Günter Wolf.
Mehrfache Preis-Effekte
Damals wurden die Kosten von einem Wohnbauboom angetrieben. 2021 kommen zur Baukonjunktur aber noch erhebliche Engpässe in der Baustoffversorgung dazu. Dennoch rechnet der UniCredit-Analyst noch im laufenden Jahr mit einer Entspannung.
Für den aktuellen Kostenanstieg ist in erster Linie der Preisanstieg bei Stahl und Bauholz verantwortlich. Stahl wurde im April im österreichischen Großhandel um 37 Prozent teurer, Schnittholz und Holzplatten um 11 Prozent. Andere Baurohstoffe mit geringeren Anteilen an den Baukosten sind ebenfalls deutlich teurer geworden, vor allem erdölbasierte Produkte wie Bitumen und Kunststoffe, beispielsweise in Form von Dämmstoffen und Folien. Bei einer besseren Baustoffversorgung in der zweiten Jahreshälfte könnte der Baukostenanstieg zumindest abflachen, so die Analyse.
Bauboom hält an
Im Corona-Jahr 2020 hat in Österreich die Baukonjunktur nur wenig gelitten. Im Vorjahr wurden 72.000 neue Wohnungen fertiggestellt, im Wohnungsneubau und in der Hochbausanierung sind die Umsätze nur um 1-2 Prozent nominell gesunken. Für 2021 werden ähnlich hohe Neubauzahlen erwartet, denn die Baugenehmigungen Ende 2020 lagen um 15 Prozent über dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre.
Österreich ist da kein Einzelfall. Die UniCredit-Bank Austria-Analyse geht davon aus, dass sich dieses Jahr die Baunachfrage in ganz Westeuropa beschleunigt. In Österreich wird der Wohnbau zudem durch die Förderungen von Sanierungsmaßnahmen – in den nächsten Jahren vor allem von energetischen Vorhaben – weiter in Schwung gehalten. In der Konjunkturbefragung für das 2. Quartal 2021 erreichte die Zahl der Konsumenten, die in den nächsten zwölf Monaten eine Wohnraumsanierung planen, einen Rekordwert. Kurzfristig kann daher weder mit einer deutlich schwächeren Nachfrage, noch mit einer Entspannung bei den Wohnbaukosten gerechnet werden.
Österreich über EU-Schnitt
Zusätzlich verzögern sich seit Monaten die Baustofflieferungen. Im Rahmen der monatlichen EU-Konjunkturbefragung haben im Mai 2021 36 Prozent der befragten Firmen Materialknappheit als wesentliches Produktionshindernis genannt, ein bisheriger Höchststand. Der Mangel an Baustoffen hat 2021 zwar in vielen EU-Ländern zugenommen, am stärksten allerdings in Österreich und in Deutschland, wo im Mai 34 Prozent der Baufirmen über Materialmangel klagten. Der EU-Schnitt lag hingegen nur bei 11 Prozent.
Verantwortlich dafür ist die hohe Baunachfrage, verstärkt durch einige Sonderfaktoren. Infolge des Wirtschaftsabschwungs 2020 wurden weltweit Produktionskapazitäten in der Stahlindustrie und der Sägeindustrie stillgelegt, die wegen der raschen Erholung der Nachfrage nicht schnell genug wieder in Betrieb genommen werden konnten. Außerdem ist die außereuropäische Nachfrage nach Schnittholz aus Deutschland und Österreich, vor allem aus den USA und aus China, kräftig gestiegen.
Angebot holt Nachfrage ein
Ein stärkerer Rückgang der Baunachfrage ist für 2021 weder in Österreich noch in Westeuropa zu erwarten. Allerdings könnte sich im Jahresverlauf die Versorgung mit Baustoffen verbessern, einhergehend zumindest mit einer leichten Entspannung bei den Baustoffpreisen. Die Top-20 Sägewerke in Europa beabsichtigen den Output 2021 um zumindest 6 Prozent zu erhöhen, deutlich stärker als in den fünf Jahren davor.
Auch der Output der europäischen Stahlindustrie sollte, laut Angaben der Unternehmen, in der zweiten Jahreshälfte deutlich zulegen Im weiteren Verlauf von 2021 kann die Bauwirtschaft daher mit einer besseren Versorgung mit Baustahl rechnen. Voraussichtlich werden aber die Stahlpreise aufgrund der unvermindert starken Stahlnachfrage in den nächsten Monaten noch etwas zulegen. Langfristig rechnet der europäische Stahlverband aber mit einer leichten Abkühlung der Preise, da das Angebot die Nachfrage einholen wird. (ar)